Wie sieht eine frauenfreundliche Unternehmenskultur aus? DMWB zu Besuch bei Nokia

Was für eine Unternehmenskultur braucht es, damit Frauen sich in männerdominierten Branchen behaupten und wohlfühlen können?

Um diese Frage ging es beim ersten Themenabend der Digital Media Women Berlin. Am 15. Januar 2013 waren wir zu Gast bei Nokia. Es war der erste Themenabend unseres Berliner Quartiers und mit rund 60 Frauen und Männern eine ausgebuchte Veranstaltung. Besonders erfreulich war es, dass auch zahlreiche Mitarbeiterinnen von Nokia die Diskussion mit ihren Erfahrungen bereicherten. Nach einer Kurzvorstellung der Digital Media Women durch Maren Heltsche, Quartiersvorstand der DMW Berlin, begann Carolina Fernandes Lemos Bonin, UX Concept Designer & Product Manager bei Nokia, ihren Vortrag mit einer ernüchternden Bestandsaufnahme: 90 Prozent der Unternehmen haben Diversity Programme, acht Prozent der Unternehmen haben Frauen im höheren Management. Weltweit sind 4,2 Prozent der CEOs Frauen. Und dass, obwohl Frauen mittlerweile besser ausgebildet sind als Männer und häufiger einen oder sogar mehrere Universitätsabschlüsse mitbringen.

Warum schaffen es nur so wenig Frauen nach oben?

Maren Heltsche stellt die Digital Media Women beim Meet-up @ Nokia vor
Maren Heltsche. Foto: Christine Plaß

Laut Carolina liegt es am Mindset von uns Menschen, gerade im mittleren Management von Unternehmen, wo zum Beispiel häufig die Vorstellung zu finden sei, Frauen seien zu emotional, um das Zeug zur Führungskraft zu haben. Mindsets oder gewachsene Überzeugungen ändern sich nicht einfach mal. Es braucht kontinuierliche Bemühungen, die Zeit und Geld kosten, was viele Unternehmen aber mittlerweile investieren, weil sie sich von einer größeren Diversity mehr Kundennähe und Erfolg versprechen. Menschen neigen dazu, andere Menschen zu mögen, zu befördern und einzustellen, deren Lebensstil und Überzeugungen sie teilen. Doch die besseren Entscheidungen werden von Teams getroffen, in denen unterschiedliche Erfahrungswelten aufeinandertreffen. Um sich zu vernetzen und zu unterstützten haben Carolina und ihre Kolleginnen die „19 Prozent Group“ gegründet, eine Privatinitiative, die von Nokia gefördert wird und sich für mehr Diversity einsetzt.

Stricken und Aufmerksamkeit

„Teams, die von Frauen geleitet werden, kümmern sich sehr darum, Frauen einzustellen und haben entsprechend auch einen höheren Anteil an Frauen“, bemerkte eine Teilnehmerin in der anschließenden Diskussion. Eine andere wies darauf hin, dass der Anteil von Frauen stark von der Kultur und den politischen Rahmenbedingungen der einzelnen Länder abhänge, was gerade bei einem weltweit aufgestellten Unternehmen wie Nokia auffalle. So gäbe es in Indien kaum weibliche Arbeiter, weil sie bei Nachtschichten nicht sicher nach Hause kämen. „Ich glaube es ist kein Problem für Frauen eingestellt zu werden, aber wenn sie im Unternehmen sind, haben sie ein Problem aufzusteigen“, gab eine andere Teilnehmerin zu bedenken. Ob es dafür Quoten oder veränderte Mindsets oder vielleicht beides braucht, blieb genauso offen wie die Frage, warum aggressives Verhalten von Männern eigentlich nicht als emotional gilt?

Jennifer Beecher, Product Owner bei Nokia
Jennifer Beecher. Foto: by-nc-sa

„On embracing authenticity and knitting“ lautete der unterhaltsame Vortrag von Jennifer Beecher, Product Owner bei Nokia, bei dem tatsächlich gestrickt wurde. Als Software-Ingenieurin und Absolventin eines Studiums in International Business Information Technology kennt Jennifer Beecher sich damit aus, wie es ist, die einzige Frau zu sein. 19 Prozent Frauenanteil bei Nokia in Berlin findet sie schon „pretty good“. Sie ermutigt Frauen, am Arbeitsplatz sie selbst zu sein und eine Atmosphäre zu schaffen, in der sie sich wohl fühlen können. Dazu gehört, über die Dinge zu reden, über die sie gerade reden wollen, ja, auch wenn es Schuhe sind. Sich nicht mehr dafür zu entschuldigen eine Frau zu sein und weibliches Verhalten an den Tag zu legen, war eine erfrischende Erfahrung für Jennifer, die sie nicht mehr missen möchte. Dazu gehört auch, sich nicht zu entschuldigen, wenn es Zeit wird, den Arbeitsplatz zu verlassen, um die Kinder abzuholen, auch wenn eine Studie zeigt, dass Männer ein Problem damit haben.

„Sei aufmerksam und schaffe eine Atmosphäre der Aufmerksamkeit“, lautet Jennifers Rat. Wenn Männer sich ungehindert wie Alpha-Männchen verhalten und ihre Stereotypen pflegen können, werde sich nie etwas ändern. Sie hat sich deshalb angewöhnt die Dinge freundlich und humorvoll anzusprechen. Bei Männern, die sich angewöhnt haben, Frauen nicht ernst zu nehmen, helfen manchmal nur Mittel, die nicht unbedingt dem eigenen Stil entsprechen, gab eine Teilnehmerin aus ihrer Erfahrung bei Nokia in Kairo zu bedenken.

Bei sich selbst anfangen

Authentisch zu sein ist befreiendes Gefühl, vor allem, wenn man aufhört darauf zu warten, dass Vorgesetzte einem sagen, wie man sich zu benehmen hat. Doch es kann auch unangenehme Gefühle auslösen. Jedenfalls, wenn man es so ernst nimmt wie Jennifer und auch über Unsicherheiten und eigene Fehler spricht. „Verwundbarkeit zu zeigen macht Angst. Wie kann ich Männer ermutigen, es trotzdem zu wagen?“, will ein Teilnehmer wissen. Für Beecher ist das keine Frage der Geschlechtszugehörigkeit: „Auch Frauen zeigen sich nicht gern verwundbar. Jeder wäre am liebsten perfekt. Es ist nichts, was sich schnell mal ändert. Aber es ist ein gutes Gefühl, wenn man gelernt hat, damit klar zu kommen.“ Deshalb ist es ihrer Meinung nach am effektivsten, bei sich selbst zu anzufangen.

 

Was braucht eine frauenfreundliche Unternehmenskultur? Auf jeden Fall gute Stimmung.
Was braucht eine frauenfreundliche Unternehmenskultur? DMWB bei Nokia. Foto: Christine Plaß

„Join us for the price of one beer per month“, lud Maren Heltsche am Ende der Diskussion alle Teilnehmer/innen ein, Fördermitglieder der Digital Media Women zu werden. Die Diskussion über eine frauenfreundliche Unternehmenskultur ging bei Pizza und Bier in kleinen und größeren Gruppen weiter. Danke Nokia! Es war eine gelungene Veranstaltung.

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