Der digitale Parteiencheck im Rückblick: Die #DMW im Gespräch mit…

Der #DMW Parteiencheck

Wir prüften die Digital- und Gleichstellungspolitik der Parteien auf Herz und Nieren

Im September steht die Bundestagswahl an und es gibt viele wichtige Themen in Deutschland und in Europa: Rechtskonservative Populisten erstarken in vielen Ländern, die Digitalisierung muss immer drängender angepackt werden und von der Gleichstellung der Geschlechter sind wir auch im Jahr 2017 noch weit entfernt. Wir haben uns im Berliner Quartier gefragt, welche Standpunkte die deutschen Parteien zu den Themen Gleichstellung und Digitalisierung einnehmen. Welche Schnittmengen sehen sie zwischen Digitalisierung und Gender Equality? Mit welchen Instrumenten haben sie vor, in den kommenden vier Jahren die Digitalisierung voranzutreiben? Woran messen sie ihren Erfolg?

Um Antworten zu finden, kamen wir mit Vertreterinnen und Vertretern von CDU/CSU, SPD, Die Grünen und Die Linke ins Gespräch, die ihren Schwerpunkt in der Netz- und Gleichstellungspolitik haben. Nach einer ersten Interviewrunde mit den Gästen öffneten wir jeweils die Diskussion und bezogen Fragen und Anmerkungen aus den Sozialen Netzwerken ein und gaben sie an die Parteienvertreter weiter. Daraus entstanden lebhafte Diskussionen, die oftmals im Anschluss der Veranstaltung weitergeführt wurden.

Da die Bundestagswahl natürlich nicht Berlin vorbehalten ist, streamten wir die Veranstaltungen live auf Facebook, um möglichst viele User*innen bundesweit zu erreichen. Die wichtigsten Thesen twitterten wir live.  Einige der Tweets und die Videos findet ihr hier unten. Anzumerken ist noch, dass – mit Ausnahme der Grünen – die jeweiligen Parteien noch kein offizielles Parteiprogramm veröffentlicht hatten, die Vertreterinnen und Vertreter noch keinen Bezug auf den jeweiligen konkreten Inhalt nehmen konnten.

SPD: Digitalpolitik als Gesellschaftspolitik verstehen

(Foto: Sabine Kahlenberg)

Gäste:
Katarina Barley (damals Generalsekretärin der SPD; heute: Bundesministerin für Familien, Senioren, Frauen und Jugend)
Saskia Esken (MdB im Ausschuss Digitale Agenda und Berichterstatterin der SPD-Fraktion für digitale Bildung)
Lars Klingbeil (MdB und Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion im Ausschuss Digitale Agenda, Leiter des Programmprozess #DigitalLeben der SPD)

Moderation: Christine Plass, #DMW Berlin

 

Zur Auftaktveranstaltung der vierteiligen Reihe begaben wir uns mit der SPD ins Gespräch und luden ins Berliner betahaus Loft ein.

Während sich die drei Panelisten der SPD uneinig bei der Frage waren, ob es ein digitales Ministerium braucht und in welcher Form digitaler Wandel in den verschieden politischen Bereichen organisiert und umgesetzt werden soll, so waren sie sich doch in einem klar einig: Für die SPD ist Digitalpolitik Gesellschaftspolitik und betrifft somit alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens.

Bei den Themen Digitalisierung und Arbeiten bekannten sich die drei Panelisten zu der Forderung eines gesetzlichen Anspruchs auf mobiles Arbeiten. Dies fördere nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Job, sondern spiegele auch die neuen Formen der Arbeitswelt wider, meinten sie.

(Quelle: Twitter/@irenewaltzo)

Spezieller Förderung von Frauen zum Beispiel in Start-ups standen die Panelisten generell positiv gegenüber und betonten die Verantwortung des Staates, rechtliche Rahmenbedingungen für Gleichstellung und gleiche Aufstiegschancen zu schaffen.

Sie unterstrichen auch die Wichtigkeit von Transparenz bei Gehältern (wie in dem zuvor verabschiedeten Transparenzgesetz) und der Frauenquote. Die wirke, aber sei politisch immer noch schwer durchsetzbar.

 

Für die Umsetzung der Forderungen zur neuen und mobilen Arbeitswelt  benötigt es neben neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen auch den massiven Ausbau der digitalen Infrastruktur, besonders in den ländlichen Regionen. Hier fordert die SPD den Ausbau von Glasfaserkabel bis 2025, durch den mindestens 90 Prozent des Landes abgedeckt werden soll.

Eine weitere netzpolitische und damit auch gesellschaftspolitische Forderung war das Thema Bildung. Unter anderem forderten die drei Panelisten die Aufhebung des Kooperationsverbotes und den weiteren Ausbau von digitaler Bildung. Wie dies genau umgesetzt werden sollte, blieb dabei offen. Betont wurde auch, dass sich auch weiterhin zu wenige Mädchen für digitale Berufe interessieren. Zu viele entschieden sich trotz zahlreicher Initiativen und Aktionen weiterhin für „typische“ Frauenberufe, obgleich es noch immer an Aufstiegsmöglichkeiten aufgrund von Teilzeit mangele. In Sachen Frauenrechte und Gleichstellung appellierte die SPD, sich nicht nur weiterhin für diese wichtigen Themen einzusetzen, sondern auch gemeinsam Bollwerke gegen den Rückschritt zu errichten.

Hier geht es zum #DMWCheck mit der SPD (Video)

CDU: Eigenverantwortung fördern und fordern

(Fotos: Julia Sandner)

Gäste:
Prof. Dr. Jörg Müller-Lietzkow (Universität Paderborn, Institut für Medienwissenschaft, Professur für Medienorganisation und Mediensysteme und Vorstand von cnetz – Verein für Netzpolitik e.V.), Nadine Schön (MdB, stellvertretende Vorsitzende der Gruppe der Frauen in der CDU, Vize-Fraktionsvorsitzende für Familienpolitik und Digitale Agenda) Thomas Jarzombek (MdB und Sprecher der CDU/CSU Bundestagsfraktion für Digitale Agenda – nicht erschienen)

Moderation: Julia Gebert, #DMW Berlin

Die CDU, deren Vertreter an diesem Abend nur zum Teil auch tatsächlich kamen, lobte ebenfalls die Initiative des Koalitionspartners SPD für mehr Transparenz über Gehälter in Unternehmen. Neben Gesetzen sei aber auch eine Debatte in den Unternehmen dazu sehr wichtig.

Die Startup-Kultur sei zu männerdominiert – man müsse Frauen stärker ermutigen, sich hier durchzusetzen, zu gründen, Führung zu übernehmen. Wie das institutionalisiert werden soll und wie die Politik das fördern kann, führte keiner der Vertreter aus. Eine der Panelistinnen äußerte, dass durch Venture Capital von weiblichen Gebern sicher bessere Chancen für Gründerinnen bestünden. Generell bescheinigte ein Panelist pauschal, dass Frauen stärker ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten besäßen.

(Quelle: Twiiter/@ihoelt)

Der Ruf nach mehr weiblichen Vorbildern wurde an diesem Abend mehrmals laut geäußert, Diskriminierung von Frauen von Kindesalter an beklagt – es wurden allerdings wenig Visionen dazu geäußert, wie Mädchen bereits in Kita, Schule oder Universität bessere Chancen angeboten werden können, um sich eines Tages zu jenen Vorbildern für andere entwickeln zu können.

Ein Panelist sprach sich vehement gegen die Frauenquote aus mit dem Hinweis, das verhärte die Fronten in der Diskussion nur. Dass Teams allerdings besser arbeiten, je diverser sie sind, wurde bejaht. In dieser Diskussion blieben insgesamt mehr Fragen offen als beantwortet, vor allem die Frage, was die in der Regierungsverantwortung befindliche CDU in den letzten Jahren für Frauen getan hat, blieb unbeantwortet.

Hier geht es zum #DMWCheck mit der CDU (Video)

Die LINKE: Digitalisierung als Chance für eine gerechtere Verteilung von Wohlstand

(Foto: Arda Funda)

Gäste:
Anke Domscheit-Berg (Betreiberin von fempower und opengov, Gründungsmitglied von FidAR, Gleichstellungs- und Open-Government-Aktivistin, Kandidatin für die Bundestagswahl 2017)
Dr. Petra Sitte (MdB, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion im Bundestag, Mitglied im Ausschuss Digitale Agenda)

Moderation: Tabea Grzeszyk, Journalistin

 

Eine leidenschaftliche und inhaltsschwere Debatte mit vielen interessanten Denkansätzen bot die dritte Veranstaltung, bei der wir DMW zu Gast in der Bundeszentrale der Partei Die Linke im Karl-Liebknecht-Haus waren.

In der Diskussionsrunde verdeutlichten die beiden Vertreterinnen, dass die Linke die Digitalisierung für eine einmalige Chance hält, um aus dem Zwang der Lohnarbeit herauszukommen – durch die Erhöhung des Mindestlohns mittelfristig und langfristig die gerechtere Verteilung von Wohlstand, der eines Tages durch Maschinen und Roboter erarbeitet und generiert werden wird. Die Linke mache sich keine Illusionen, dass viele Berufe in den nächsten Jahren weiter automatisiert und ersetzt werden und sieht die Politik in der Pflicht, hier gestalterisch tätig zu werden, um eine soziale Misere zu verhindern.

Desweiteren böte die Digitalisierung gerade auch für Frauen das Potenzial, das Selbstbestimmungsrecht zu stärken – flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice sind die Beispiele aus der heutigen Zeit. Um Frauen in der Arbeitswelt gleichberechtigt zu beteiligen, müsse man jedoch früh ansetzen – Bildung im Digitalbereich gerade für Mädchen solle stärker gefördert und sinnvoll ausgebaut werden; auch muss es die adäquaten pädagogischen Konzepte geben, nicht nur Technologie hierfür. Dies soll den Grundstein legen, um der klischeehaften Verteilung von Berufswünschen und Berufen früh entgegenzuwirken.

(Quelle: Twitter/@donnesays)

Um die Gender Pay Gap zu schließen, findet auch die Linke das Gesetz für mehr Transparenz über Gehälter in Unternehmen begrüßenswert, es ist ihr jedoch nicht weitreichend genug.

Als klarer Befürworter von Frauenquoten sah die Linke auch Sexismus in Computerspielen, Werbung und Medien als etwas, das regulatorisch bekämpft werden kann. Überhaupt müssten Frauen im Internet besser vor Hatespeech und Diskriminierung geschützt werden. Als Vorbild für den Breitbandausbau wurde Schweden genannt, das sein Glasfasernetz im Gegensatz zu Deutschland vorbildlich und modern ausgebaut habe.

Hier geht es zu dem #DMWCheck mit Die LINKE (Video):

Bündnis 90/ Die Grünen: (Digitale) Gleichberechtigung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe

(Foto: Arda Funda)

Gäste:
Gesine Agena (Mitglied im Bundesvorstand und frauenpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen)

Konstantin von Notz (MdB, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und netzpolitischer Sprecher)

Moderation: Katharina Finke, Journalistin und Autorin

 

 

Zur letzten Veranstaltung der Politikreihe waren wir #DMW zu Gast in der Bundesparteizentrale der Bündnis 90/Die Grünen.

Der Fokus der Debatte lag zunächst auf Frauenpolitik, auf die auch im zu der Zeit gerade frisch erschienenen Wahlprogramm der Grünen explizit eingegangen wird. Dabei wird die Quote als wichtiges und notwendiges Instrument der aktiven Förderung von Frauen und der Gleichstellung hervorgehoben. Die “freiwillige” Quote in der Wirtschaft zeige, dass diese nicht funktioniert und zu einer männlich geprägten Debattenkultur führt, in der Gleichberechtigung keine Rolle spielt. Die Grünen fordern daher eine spezielle Förderung für Frauen, die es unter anderem sozial einfacher macht zu gründen aber auch Frauen ermöglicht, sich eine armutsfeste Rente aufzubauen. Dazu bedarf es die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen deutlich zu verringern, die durch zum Beispiel ungleiche Löhne, das Ehegattensplitting und Minijobs entsteht. Um dieses Ziel zu erreichen, fordern die Grünen die Abschaffung des Ehegattensplitting, gleiche Löhne und die Reformierung der Minijobs. Auch die Frauenquote soll auf weitere 3 500 Unternehmen ausgeweitet und idealerweise auch auf Vorstände ausgeweitet werden.

Auch der Begriff des Feminismus und der “Trend” sich zu diesem öffentlich zu bekennen war ein Thema in der Debatte. Während es lobenswert und positiv sei, dass sich heutzutage mehr Menschen für das Thema interessierten, verliere der Feminismus – ein in der Parteigeschichte tief verwurzeltes Thema – an seiner gesellschaftsverändernden Kraft und seiner Radikalität.

Auch die Digitalisierung nehme zunehmend Einfluss auf die Frauenpolitik.

)Quelle: Twitter/@SilviaRtmd)

Die Grünen sehen den Staat in der Verantwortung Gleichberechtigung auch aktiv in der Digitalisierung zu fördern, gleichzeitig sei die Durchsetzung von Gleichberechtigung auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die unter anderem durch die Förderung von Medienkompetenz als Schlüsselqualifikation erreicht werden solle. Auch das gerade zu dem Zeitpunkt frisch verabschiedete Netzwerkdurchsetzungsgesetz wurde diskutiert: Zwar äußerten die Grünen harsche Kritik an dem Gesetz und seinem Umfang, unterstrichen jedoch gleichzeitig, dass es ein Schritt in die richtige Richtung sei. Die Grünen forderten Rechtsstaatlichkeit im digitalen Raum und ein Ende der anlasslosen Überwachung. Auch den massiven Breitbandausbau sehen die Grünen als essentiell für den digitalen Wandel in der Gesellschaft.

Hier geht es zum #DMWCheck mit Bündnis90/ Die Grünen (Video):

Fazit

Die Reihe war ein voller Erfolg: Es ist uns gelungen, vor der Bundestagswahl mit den Vertretern der wichtigsten Parteien in den Dialog zu kommen und mit ihnen über zwei wichtige Felder der zukünftigen Politik zu diskutieren: ihre Digital- und ihre Gleichstellungspolitik.
Deutlich wurde im Laufe der Veranstaltungsreihe das unterschiedliche Engagement der Parteien in den für uns wichtigen Feldern: Am weitreichendsten war die Linke, die einen weiten Bogen spannte von der Selbstbestimmung, die die Digitalisierung gerade im beruflichen Kontext eröffnet, über digitale Bildung bis hin zu Sexismus im öffentlichen Raum, z.B. bei Werbung. Die CDU adaptierte eine eher lässige Haltung und plädierte in vielen Bereichen eher für weniger Regulierung, z.B. in Form von Quoten. Sie war auch die Partei, die es uns am schwersten machte, mit ihr ins Gespräch zu kommen, weil einer ihrer Vertreter der Veranstaltung einfach fernblieb – eine Tatsache, die wir sehr bedauern.
Am homogensten traten die Vertreter der SPD auf, sie verteidigten ihre Forderung eines gesetzlichen Anspruchs auf mobiles Arbeiten und das von der SPD eingebrachte und durchgesetzte Transparenzgesetz bei Gehältern. Für die Grünen spielte besonders die Gleichstellung der Geschlechter eine entscheidende Rolle: Die Abschaffung des Ehegattensplittings oder die Ausweitung der Frauenquote stehen bei ihnen auf der Liste.
Wir danken allen Teilnehmer*innen und Zuschauer*nnen und natürlich besonders den Parteien und ihren Vertretern für ihr Engagement und ihre Gastfreundschaft.

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