Brauchen wir eine Net(z)iquette?

Wir alle, die wir im Netz aktiv sind, haben ihn wohl schon einmal erlebt: den Augenblick der Reue, nachdem wir etwas veröffentlicht haben, das vielleicht besser im Analogen der eigenen vier Wände geblieben wäre. Eine voreilige Bekanntmachung auf dem eigenen Blog, eine wütende @-Reply oder auch nur eine Banalität, die so gar nicht zu dem passt, was wir für gewöhnlich veröffentlichen.

Der richtige Umgangston ist auch digital ein großes Thema, das – wie die meisten Aspekte der Medienkompetenz – leider immer noch viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Wir sollten nicht bis zum sporadischen Shitstorm warten, um uns darüber Gedanken zu machen. Es soll hier nicht darum gehen, Regeln fürs Netz zu formulieren; das Internet lässt sich bekanntermaßen nicht gerne regulieren, und eben darin liegt ja auch sein Reiz.

Wie man mit bestimmten Dingen umgeht – ob man Pöbler ignoriert oder dagegen trollt, ob man womöglich selber zur Kategorie der Störenfriede gehört -, ist letztlich ohnehin eine Typfrage. Die Schlussfolgerung wäre, dass man gesellschaftliche Konventionen, Verhaltensregeln oder Ethik einfach eins zu eins auf die Kommunikation im Internet überträgt. Doch so einfach ist es nicht und sollte es auch nicht sein, dafür sind die Unterschiede zwischen Online- und Offlinesphäre zu elementar.

Wie also können wir Web-Neulingen – zum Beispiel Unternehmern, die gerade erst Social Media entdecken, oder Berufsanfängern, die versuchen, sich einen Namen zu machen – helfen, eine angemessene Sprache finden? Diese Vorschläge sollen Eckpunkte für eine zukünftige Diskussion bieten:

Net(z)iquette

1. Erst denken, dann tippen
Oder auch: Den berühmten gesunden Menschenverstand bemühen. Bei der Kommunikation auf digitalem Wege sollte gelten, was auch im wirklichen Leben immer eine gute Idee ist: Seine Gedanken erst einmal zu ordnen, bevor man sie via Twitter, Facebook und Co. in die Welt hinausposaunt. Durch diese Kommunikationskanäle werden Informationen derart rapide verbreitet, dass sich etwas, sobald es einmal in den Äther geschickt wurde, schwerlich zurücknehmen lässt – ganz wie wenn man jemandem ins Gesicht sagt, was man besser für sich behalten hätte.

2. Dein Karma wird dich holen
Um eine Phrase zu bemühen: was du nicht willst, dass man dir tu… und so weiter. Ob der Gegenüber nun virtuell oder real ist, ihm oder ihr sollte das gleiche Maß an Respekt entgegen gebracht werden. Wobei das noch lange keine respektvolle Antwort garantiert. Oder wie es der Unternehmer Claudius Holler kürzlich sagte: „Im Internet gilt die alte Kindergartenregel ‚Wenn du nicht geärgert werden willst, dann ärgere nicht‘ nicht mehr.“

3. Vorausdenken
Wer sich um das Zwischenmenschliche nicht genug schert, um sich in seiner Direktheit gelegentlich zu zügeln, der sollte wenigstens an sich selbst denken. Soll heißen: Was du im Netz tust, kann auf dich zurückfallen – das gilt vor allem, aber nicht nur für Negatives; wenn man mit Äußerungen negativ auf sich aufmerksam macht, ist allerdings eine schnellere Verbreitung garantiert. Bedenke also den eigenen Ruf, bevor du zum Beispiel andere bloßstellst.

4. Online- vs. Offline-Ich
Eng mit dem Thema Selbstschutz ist die Frage verknüpft: Wer will ich eigentlich sein, wenn ich online agiere? Authentisch? Oder spiele ich eine Rolle? Wer aus professionellen Gründen twittert, bei Facebook postet oder auf seiner eigenen Seite bloggt, der sollte sich vorher damit auseinandersetzen und sich zumindest eine rudimentäre Strategie zurücklegen. (Helfen kann die Profilagentin.)

5. Mit einem Tweet in Teufels Küche
Nicht nur der Etikette wegen lohnt es sich, vor dem Posten nachzudenken. An allen Ecken und Enden lauern rechtliche Gefahren. Auch in 140 Zeichen kann man jemanden verleumden oder jemandes Urheberrecht verletzen. Ob man den verletzenden Inhalt selbst geschrieben hat oder bloß weiterträgt, was ein anderer gepostet hat, spielt dabei keine Rolle. (Wir empfehlen zu rechtlichen Details das Social Media Recht Blog.)

Diese Net(z)iquette wurde von Taalke Renken, Inken Meyer und Carolin Neumann entwickelt und erstmals beim Afterwork Tweetup im Pino Day Spa in Hamburg-Bahrenfeld am 23. März 2011 vorgestellt.

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