Jessica Colaço: "Oh Mann, diese Frau hat was auf dem Kasten!"

„Leidenschaftlich, engagiert, hart arbeitend“: Mit diesen drei Hashtags beschreibt sich Jessica Colaço zu Beginn unseres Interviews. Auf der Next 2011 in Berlin sprachen wir mit der bemerkenswerten Forscherin aus Nairobi über die Bedeutung von Mobilfunktechnologie in ihrer Heimat Kenia, starke Frauen in der IT und wie sie mit dem Netzwerk AkiraChix Mädchen in Slums helfen will.

Digital Media Women: Du bezeichnest dich als „Mobile Technology Evangelist“. Was meinst du damit?
Jessica: Diesen Namen habe ich mir 2008 ausgedacht, als ich das erste Mal ein Mobile Boot Camp Kenia besucht habe. Seit der Uni habe ich eine Leidenschaft für mobile Technologien und versuche in der Welt zu verbreiten, was Kenia in diesem Bereich kann.

Jessica bei der Next 2011 in Berlin. (Foto: nextconf, CC BY 2.0)
Jessica bei der Next 2011 in Berlin. (Foto: nextconf, CC BY 2.0)

Wie sieht die Szene in deiner Heimat im Vergleich zu Deutschland aus?
Soweit ich das beurteilen kann, ist die deutsche Community sehr an Smartphones orientiert und entsprechend an der Entwicklung von Apps für Android oder das iPhone. Das habe ich in Berlin stark gesehen. In Nairobi hingegen sieht man eine Mischung: In großen Städten wie Nairobi findet man auch viele Menschen mit Smartphones, aber außerhalb der urbanen Gegenden gibt es genauso viele Leute, die ein normales Nokia Handy haben, mit dem sie telefonieren, SMS schreiben oder auch per M-Pesa ihre Rechnungen bezahlen. Die meisten in Kenia nutzen außerdem das Interactive Voice Response System, bei dem man eine Nummer wählt und dann in ein sprachgesteuertes Auswahlmenü kommt. Oder sie nutzen SMS-Applikationen.

Und wo kommst du als Mobile Technology Evangelist ins Spiel? Entwickelst du auch selbst solche Anwendungen?
Ich habe mal selbst Applikationen entwickelt, mich aber inzwischen mehr auf den größeren Kontext verlagert. Meine Rolle in Kenia ist heute die einer Forscherin. Ich versuche herauszufinden, wie die Menschen ihre Mobiltelefone benutzen, um dann den Entwicklern mitzuteilen, wie sie in Nischen wie etwa mHealth den Anforderungen gerecht werden können. Wie wollen die Leute Informationen zum Beispiel in Bezug auf Malaria bekommen? Per SMS? Per Voice Interactive Voice Response oder mobiles Web?

Wie ist es in diesem Business in deinem Land für eine Frau?
Das ist das Interessanteste an der ganzen Sache! In Kenia kann man die Anzahl der Frauen in der Technologie-Szene an den Händen abzählen, zumindest derer, von denen Medien berichten. Die anderen kommen in der Berichterstattung entweder nicht vor oder sie sind sehr versteckt. Aber es gibt viele Frauen, deren Arbeit wirklich einen Einfluss hat auf die Branche.

Das klingt vertraut. Haben es Frauen denn in Kenia generell schwerer in der Branche?
Ich bin überzeugt: Wenn du mit Leidenschaft und Einsatz dabei bist und hart arbeitest, dann spielt es keine Rolle, ob du eine Frau oder ein Mann bist in deinem Bereich. Wenn du deine Ziele im Auge behältst und sie erreichst, dann ist das Geschlecht letztlich egal.

Jessica (2.v.r.) bei ihrem Next-Panel mit Antje Gardyan, Jörg Jelden und Fabio Sergio (Foto: Nextconf, CC BY 2.0)
Jessica (2.v.r.) bei ihrem Next-Panel mit Antje Gardyan, Jörg Jelden und Fabio Sergio (Foto: Nextconf, CC BY 2.0)

 

Bis du deine Ziele erreicht hattest, wurdest du mit Hürden konfrontiert, weil du eine Frau bist?
Klar, die Technologie-Szene wird stark von Männern dominiert. Ich bin außerdem klein und sehe sehr jung aus, da hat es schon manche merkwürdige Situation gegeben. Bis ich dann vor einem Raum voller Leute anfange zu sprechen und selbst die Männer kapieren: Oh, Mann, diese Frau hat was auf dem Kasten, hört ihr zu! Zum Beispiel bei den Nokia Developer Days 2009 in Johannesburg, wo ich die einzige weibliche Entwicklerin war. Du musst halt selbstbewusst sein und willens, auch gegen solche Widerstände weiterzumachen. Wenn du hinfällst, steh wieder auf und mach weiter.

Ignorierst du in solchen Situationen das, was über dich gesagt wird?
Manche Leute sind so engstirnig, die muss man einfach ignorieren und weitermachen. Wenn du die Fakten auf den Tisch packst, dann haben die Zweifler eh keine Chance.


Mit den AkiraChix versuchst du etwas für Frauen in der Branche zu tun. Was hat es mit dem Netzwerk auf sich?
Akira bedeutet Intelligenz und Energie, also Frauen mit intensiver Energie. Vor knapp einem Jahr habe ich an einem Wochenende einige solcher Frauen aus der IT zusammengerufen, die Computerwissenschaften, Maschinenbau oder etwas anderes Technisches studieren. Die Idee war, ein Netzwerk zu gründen, um andere Frauen zu inspirieren. Um sie zu motivieren, am Ball zu bleiben. Und wir wollten auch in Slum-Gegenden unser Wissen vermitteln, um den Frauen dort zu zeigen: Wenn sie grundlegende technologische und unternehmerische Fertigkeiten lernen, dann können sie sich selbst etwas aufbauen.

Wie sieht das in der Praxis aus?
Zurzeit haben die AkiraChix mehrere Initiativen. Zum Beispiel wird eine Gruppe von aktuell 30 Ladies und fünf Jungs in Soft Skills, Webdesign und Unternehmensführung geschult. Dann gibt es da noch einen von den AkiraChix organisierten Hackathon im iHub, wo eine Application für Blinde programmiert wird.

Was gibst du Mädchen und Frauen in der IT-Branche auf den Weg?
Frauen müssen sich an die Spitze wagen und ihre Meinung sagen. Und Netzwerke wie AkiraChix spielen dabei eine große Rolle, weil es darum geht, Frauen zusammenzubringen und sich gegenseitig zu unterstützen. Ich glaube, wenn wir unser Wissen miteinander teilen, dann werden wir stärker sein und nicht mehr die große Ausnahme.

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