DMW auf der re:publica 2013 – so war Tag 3

Lange haben wir uns in Vorfreude auf die re:publica 2013 geübt, die, wie in jedem Jahr, dann aber doch wieder viel zu schnell vorbei war. Nach einem gefühlten kurzen Blinzeln zeigten App und Programmheftchen schon den dritten und damit auch letzten Konferenztag an – aber auch dieser hatte natürlich noch einiges zu bieten.

NETZKULTUR VS. URHEBERRECHT

Los ging es für mich mit der Session Netzkultur vs. Urheberrecht – beziehungsweise: so sollte es losgehen. Durch einen enormen Andrang war kein Platz im Raum mehr zu ergattern, die Session ist aber online nachsehbar. René Walter, Ronny Kraak und Valie Djordjevic sprachen über Abmahnungen als Geschäftsmodelle, die gezielte Abmahnung viral gegangener Inhalte und über die Netzkultur, deren wichtiger Bestandteil eine Kultur des Sharings ist. Es ging um das Internet als per se riesige Kopiermaschine und um die Schwierigkeit der Bewertung von Voraussetzungen und Effekten. Vieles ist am Einzelfall zu untersuchen, das Urheberrecht selbst aber statisch. Dass es neue Regelungen braucht, ist klar. Wie diese aussehen sollen, weiterhin eine Herausforderung in der Definition.

10 VORSCHLÄGE, UM DIE WELT ZU VERBESSERN

Felix Schwenzel bei der re:publica (Foto: Henning Groß)
Felix Schwenzel bei der re:publica (Foto: Henning Groß, www.netzkombyse.de)

Um Verbesserungen ging es auch in der nächsten Session – genauer darum, die Welt zu verbessern. Felix Schwenzel stellte die Angst als vorherrschendes Narrativ bei Zukunftsfragen in den Fokus: Es werde zu häufig Angst geschürt, statt Chancen zu betrachten. Erweckungsargumentationen, Alarmismus, schnelle Symbolhandlungen (derer auch wir uns bedienen) als Zeichen dafür, dass etwas getan wird. Statt Angst einzusetzen, um ein Problembewusstsein zu schaffen, sollte das auch mit Vernunft und guten Argumenten gelingen können. Angstfreiheit war daher auch einer der wichtigsten Tipps zur Weltverbesserung: weniger Panik, mehr sauberes Argumentieren und Sezieren von Informationen. Mehr Anstand, mehr Bildung – und Apfelbäumchen pflanzen natürlich. Den ganzen Vortrag gibt es ebenfalls online – und zwar hier.

I PALINDROME I – YOUR LIFE IS MINE

Meine persönlich denkwürdigste Session war die von Marcus Brown mit dem Titel „I palindrome I – your life is mine“. Marcus Brown hat von 2006 bis 2010 fiktive digitale Charaktere entwickelt und eingesetzt. Einer von diesen war Jack the Twitter, ein psychotischer und bedrohlicher digitaler Stalker, der sich in das Leben digitaler Londoner eingeflechtet hat. Marcus Brown hat sich nach eigenen Angaben zu keiner Zeit in London bewegt, sondern von München aus nur mit verschiedenen Listen Oversharer beobachtet, die geo-getaggte Tweets versenden. Immer mehr entwickelte er sich zum Profiler und konnte Inhalte und Handlungen dieser Menschen vorhersagen.

Was Marcus Brown aus kreativer Sicht interessant fand, verwandelte sich irgendwann in den Wunsch, die Linie zu übertreten und ein Flugzeug zu besteigen, um zu sehen, ob diese Vorhersagen korrekt sein würden. Weil dies ihn ins Tiefste verängstigte, beendete er in der Konsequenz alles. Dennoch blieb für ihn die Frage, wie so etwas entstehen konnte und wie es so einfach sein kann, sich in das Leben anderer Menschen so einzuflechten und ihre Realität zu prägen. Marcus Brown begründet das durch die Casting-Kultur, in der wir leben, in der Clicks, Likes und Favs zu einer emotionalen Währung werden und es Vorwürfe wie den des Undersharings gibt. Seine Lösung: Zurückhaltung, mehr machen, weniger sagen. Daran, dass Gesetze helfen, glaubt er nicht. Ein denkwürdiger Vortrag, der zum Reflektieren anregt, das Bewusstsein für Sharing aus einer anderen Perspektive beleuchtet und zeigt, dass fiktionale digitale Charaktere fähig sind zu dem, was er „Folding Reality“ nennt. Puh.

BLOGGEN UND BEER-PRESSURE

@kommanderkat beim Iron-Blogger-Panel (Foto: Carolin Neumann)
@kommanderkat beim Iron-Blogger-Panel (Foto: Carolin Neumann)

Nach einer kurzen und nötigen Sonnenpause ging es dann auch schon zum letzten Panel: „Blogs und Bier? Das lob ich mir“, in dem sich die Iron Blogger aus den verschiedenen deutschen Städten unter großem Applaus vorstellten. Iron Blogger verpflichten sich, einmal die Woche zu bloggen – oder fünf Euro in eine später gemeinsam zu vertrinkende Bierkasse einzuzahlen. Nach der Idee von Benjamin Mako Hill von Ende 2011 haben sich mittlerweile solche Gruppen in Berlin, Kiel, Hamburg, Stuttgart und dem Ruhrgebiet gegründet.

Die Hauptstadt war als erstes dabei und vereinigt etwa 50 Iron Blogger mit 3600 Beiträgen und 1500 Euro Bierkassenstatus, in Hamburg sind es seit Anfang 2013 sogar schon 61 Teilnehmer und durchaus beeindruckende 1400 Beiträge. Stuttgart und das Ruhrgebiet lassen mit 1750 und 1500 Artikeln Blogs ebenso aufleben wie Kiel, die kurz nach den Hamburgern starteten und 18 Iron Blogger zählen. Bei allen Iron Bloggern ist die eigene Stadt ein wichtiges Thema, die Motivation Beer-Pressure funktioniert. Und lässt vielfältigste Inhalte entstehen und uns andere Blogger kennen lernen, auf die wir sonst sehr wahrscheinlich nicht aufmerksam geworden wären.

 

WAS BLEIBT

Erinnerungen an drei großartige Konferenztage. Die Einsicht, dass drei Tage re:publica viel zu schnell vergehen. Das Bedauern, dass es doch wieder mit so vielen Gespräche nicht geklappt hat – aber auch die Dankbarkeit und Freude über all jene, die ich in diesen drei Tagen führen konnte. Und die Vorfreude auf nächstes Jahr:

DANKE

Danke für tolle Sessions, großartige Momente, wunderbare Gespräche. Danke an das Orga-Team und die Helfer, ihr wart umwerfend. Danke an die Sponsoren. Danke an all jene, die die re:publica auch in diesem Jahr wieder so besonders und zu einem so wunderbaren Digitalevent gemacht haben. Und danke, Berlin.

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