Über die Media Convention und das kaputte Mediensystem

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49 Veranstaltungen auf drei Bühnen in der Stadion Berlin. (Foto: Nicole Hundertmark)

Am 5. und 6. Mai veranstalteten das Medienboard Berlin-Brandenburg in Partnerschaft mit der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) und der re:publica, die Media Convention. Hier diskutierten rund 150 Speaker auf drei Bühnen über Trends, Strategien, Erlösmodelle und Medienpolitik.

Vielen der 7.000 Besucher im Station Berlin war es offensichtlich egal, ob die Sessions von der Media Convention gehostet wurden oder nicht. Hauptsache, die Message stimmt.

„The System is Broken – And that’s the Good News“ Mit diesem Statement eröffnet Blogger und Internetaktivist Ethan Zuckerman die re:publica (#rp15). Auch auf der Media Convention (#mcb15) geht es um ein kaputtes System: unser Mediensystem. Die Einsicht, auf die digitale Revolution reagieren zu müssen, kam im klassischen Mediendeutschland zwar recht spät. Doch heute gibt es wohl niemanden mehr, der es öffentlich wagt, sich dem dringend notwendigen Medienwandel zu widersetzen. Und nun?

Viele Fragen – noch mehr Antworten!

Team Tatort #mcb15 (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)
Meret Becker mit dem Berliner Tatort-Team auf der #mcb15. (Foto: Christiane Brands-Visbeck)

Weil das Thema so kompliziert und vielschichtig ist und es auf alle Fragen mehr als nur eine richtige Antwort gibt, haben die Programmmacher der Media Convention unterschiedliche Speaker wie Netflix-Gründer Reed Hastings, ARD-Intendant Lutz Marmor, YouTube-Star LeFloid, Springer-Manager Christoph Keese, Blogger Stefan Niggemeier, Staatssekretärin Brigitte Zypries, Investigativ-Journalist Günter Wallraff und Schauspielerin Meret Becker eingeladen, um aus ihrer Perspektive über den europäischen Medienbetrieb zu sprechen.

In den Sessions wurde diskutiert, wie man auf YouTube Geld verdient und ob es ethisch vertretbar sein, das zu tun. Ob lineares Fernsehen noch zeitgemäß ist. Oder welche Fragen bei der Regulierung neuer Medienplattformen zu beantworten seien. Und wer sich nicht für medien- und netzpolitische Themen interessierte, konnte im Innovationspace mit abgefahrenen Techniktools experimentieren, die erste Folge der fünften Staffel von „Game of Thrones“ ansehen oder bei „Live Let’s Play“ ein bisschen zocken. Ob wir uns über die Theorie oder die Praxis an das Thema „kaputtes Mediensystem“ annäherten war – typisch re:publica – im Grunde egal. Hauptsache, man setzt sich mit dem was ist, auseinander und findet eine Perspektive für die Zukunft.

In diesem Sinne war es eine kluge Idee der Veranstalter, die Media Convention thematisch und organisatorisch enger als im letzten Jahr mit der re:publica zu verzahnen. Viele Besucher wussten oft gar nicht, ob die Session oder der Stand von der #rp15 oder #mcb15 betreut wurde. Im Grunde ist es (nahezu) egal. Deshalb fand ich es aus Teilnehmersicht hilfreich, dass das Programm der #mcb15, das immerhin 49 Veranstaltungen und Sessions umfasste, im Programmflyer der #rp15 veröffentlicht wurde. Meinen Dank an die Organisatoren auch dafür.

Wer will schon Dinosaurier sein?

Was mich persönlich am meisten fasziniert hat, war zu sehen, wie unterschiedlich diese etablierten Medienmanager, Politiker und Professoren, die als Speaker bei der Media Convention aufgetreten sind, mit dem netzpolitisch-demokratischen re:publica-Umfeld umgegangen sind. Während die einen leicht geduckt und von Bodyguards geschützt ihren Weg durch die Masse pflügten, schlenderten andere entspannt und interessiert durch den weitläufigen Hof der ehemaligen Poststation.

Und während die einen ihre Twitter-Accounts checkten und sich am realen und virtuellen Geschehen beteiligen, gab es auch den einen oder anderen offiziellen Digitalbeauftragten, der immer noch bei dem Mircoblogdienst angemeldet ist. Wie auch immer, dass man bei einer Veranstaltung wie der re:publica mit digitalen Menschen zusammentrifft, die die mediale Zukunft mitgestalten werden, ist eine große Chance für die analogen Vertreter der alten Welt. Diese sollten sie nutzen. Denn wer will schon als Dinosaurier sterben?

Hauptsache, es ist neu!

Olaf Scholz @ Media Convention
Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz engagiert sich zeitgemäße Regularien im Mediengeschäft. (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)

Hier spricht ein entspannter Olaf Scholz, Erster Bürgermeister von Hamburg und Mitglied der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz, mit leicht verständlichen Worten über die Herausforderungen der modernen Medienregulation. Dort diskutiert ein wenig digitalaffiner Dieter Gorny in seiner Funktion als Beauftragter für kreative und digitale Ökonomie des Wirtschaftsministeriums über Visionen, von denen man sich fragt, ob das auch die der re:publica-Besucher sind. Und drüben erläutert der Digitale Film und Fernseh-Experte Bertram Gugel, dass die neue Videomacht Facebook den lukrativen Bewegtbildmarkt auf keinen Fall YouTube überlassen wird. Nicht zuletzt mahnt #DMW-Fördermitglied und Contentstrategin Theresa Grotendorst, dass native Advertisement nicht die einzige Antwort auf klassische Werbeinseln sein kann.

Und wem Vorträge und Diskussionen zu kopflastig sind, der konnte auf dem „Exhibition Space“ wie in einem Makerhub und Innospace die innovativen Projekte des MIZ Babelsberg kennenlernen oder mit neuen Tools wie denen von Zeitfeld experimentieren. Hauptsache, wir lernen etwas Neues.

Medienwandel ja, aber…

Reed Hastings Netflix
Gründer und Netflix-CEO Reed Hastings über die Zukunft des Fernsehens. (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)

Unser Mediensystem ist kaputt. Jeder Medienanbieter, der in zehn Jahren noch dabei sein will, muss sich ändern. Neue Wettbewerber wie Netflix, innovative Technologien wie Streaming und detaillierte Erkenntnisse über zeitgemäßes Userverhalten, die aus Big Data gewonnen werden können, werden Content und Sehgewohnheiten weiterhin verändern. Doch manches darf auch gern so bleiben, wie es ist. „In zehn Jahren wird niemand mehr sonntags um 20.15 Uhr Tatort gucken“, prophezeite der viel bejubelte Keynote-Speaker und Netflix-Gründer Reed Hastings. Kaputtes Mediensystem hin oder her: Das möchte ich nicht!

Das sagen die #DMW über die Media convention

Eva Hieninger
Eva Hieniger (Foto: privat)

Eva Hieninger, #DMW Ticketgewinnerin

Mein persönliches Highlight ist die Tatsache, dass ich selten eine so rund organisierte Veranstaltung gesehen habe. Die geballte Medienkompetenz der Republik auf einem Haufen – top. Zur Kontaktpflege 1A. Besonders gefallen hat mir, dass es eine Kinderbetreuung gab und aus diesem Grund auch sehr viele Mütter und Väter mit Kindern auf der re:publica zu sehen waren. Sehr kompetent fand ich den Vortrag von #DMW Theresa Grotendorst zum Thema Content Marketing, Influencer Relations und Native Advertising auf der Media Convention. Schade nur, dass sie nach ihrem Vortrag bei der Podiumsdiskussion mit der Altherrenriege nicht auf der Bühne mitgemischt hat.

Für nächstes Jahr wünsche ich mir, dass die re:publicanerInnen (und ich schließe mich da nicht aus) mehr von ihren Smartphones und Macs hochgucken, ins Gespräch kommen und nicht das hier passiert: https://www.youtube.com/watch?v=PsH9wGB_Acs. Vielleicht wäre auch ein interaktives Spiel zum Vernetzen eine gute Sache. Auf der reCAMPAIGN gab es dieses Jahr ein tolles Spiel mit NFC. Empfehlenswert.

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Nicole Hundertmark (Foto: privat)

Nicole Hundertmark, #DMW Köln

Mein Highlight: Bei der Fülle von Vorträgen, Preisverleihungen und Ausstellungsständen ist es schwierig, über ein Highlight zu sprechen. Ich habe so vieles gesehen und gehört. Was mir besonders gefallen hat, waren die innovativen Stände im Exhibition Space der Media Convention Berlin aus den Bereichen TV, Web, Transmedia, Mobile und Games. Mich interessieren immer neue technischen Dinge. Und wenn man diese auch noch testen und in virtuelle Welten tauchen darf – einfach perfekt.

Weitere Highlights waren aber auch die entspannte Atmosphäre an allen drei Tagen und die vielen interessanten Gespräche, die ich während der #mcb15 und #rp15 führte – Netzwerken vom Feinsten.

Was mir nicht mehr aus dem Kopf geht: Der Stand von Nagual Dance im Exhibition Space faszinierte mich. Wobei ich den Einsatz nicht im Eventbereich meine, sondern den therapeutischen Einsatz von Nagual Dance – du bist Musik. Bewegung wird zu Musik – und mit Musik macht Bewegung einfach mehr Spaß. Wie ich erfahren habe, gibt es bereits erste Kliniken, die dieses interaktive Musikerlebnis einsetzen. Aber auch die anderen Stände, an denen man mitwirken, ausprobieren und entwickeln konnte, sind mir noch im Kopf, wie z.B. eine Synthese aus Foto- und Film-3D-Fotografie – Zeitfeld oder „Virtual Reality Meet Sports“ – Icaros.

Mein Wunsch für die #rp16/#mcb16: Ich habe eigentlich keinen Wunsch, außer dass alles so bleibt wie bisher. Eine entspannte, interessante und vielfältige Veranstaltung mit spannenden Vorträgen. Vielleicht doch ein kleiner Wunsch: Bitte nicht nur Youtube – es gibt auch andere Kurzfilm-Formate wie zum Beispiel Vine.

Susanne Ullrich (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)
Susanne Ullrich (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)

Susanne Ullrich, #DMW Berlin

Mein Highlight: Die Themenvielfalt. Das Programm spiegelt sehr deutlich wieder, wie stark sich das Mediennutzungsverhalten in den letzten Jahren verändert hat. Neben klassischen Medienunternehmen hatten YouTube, Netflix & Co. eine große Bühne. Es wurde ein guter Raum für den notwendigen Austausch geschaffen, um in Zukunft gemeinsam Nutzern das zu bieten, was sie von Medien jeglicher Art erwarten.

Was mir nicht aus dem Kopf geht: Den Netflix-Talk, von dem fast jeder in höchsten Tönen geschwärmt hat, habe ich leider verpasst, werde ihn aber auf jeden Fall noch im Stream nachholen.

Mein Wunsch für die #mcb16: Big Data ist in der Medienindustrie angekommen, in ein paar Vorträgen wurde dies deutlich. Ich würde mir wünschen, dass es im nächsten Jahr noch mehr praktische Beispiele dazu gibt.

Ute Blindert und "PR-Doktor" Kerstin Hoffmann auf dem Affenfelsen (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)
Ute Blindert (Foto: Christiane Brandes-Visbeck)

Ute Blindert, #DMW Köln

Den Ansatz, parallel zur re:publica die Media Convention laufen zu lassen, finde ich eine gute Idee. Viele Themen überschneiden sich ja auch – das hat es dann allerdings auch etwas schwer gemacht, sich im Angebot zurechtzufinden bzw. überhaupt eine Unterscheidung zu machen.

Ich war dann bei dem Talk „Neue Journalismusformate für neue Zielgruppen“ mit Max Hoppenstedt von Vice/Motherboard und Juliane Leopold von BuzzFeed. Davon hatte ich mir sehr viel versprochen. Ebenso wie das Publikum, denn die Stage 6 war voll. Leider hatte ich dann den Eindruck, dass beide nicht so richtig viel Lust auf die Session hatten. Die Publikumsfragen waren dann noch am interessantesten. 😉

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Tamara Inashvili (Foto: privat)

Tamara Inashvili, #DMW Ticketgewinnerin

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, da mir die meisten Vorträge zu Journalismus und Netzpolitik sehr gefallen haben. Ich finde es sehr traurig, dass ich familiär bedingt immer wieder so früh gehen musste. Wie ich Twitter entnommen habe, habe ich vieles, was mir Spaß gemacht hätte, verpasst.

Am letzten Tag hat die Band „the trouble notes“ im Hof des Geländes gespielt. Das würde ich definitiv unter den Highlights verbuchen, denn ich bin schon seit meiner Kindheit großer Fan von rockiger Geigenmusik (Sailor Moon und Vanessa May haben mich geprägt).

Andrea Rakers
Andrea Rakers (Foto: privat)

Andrea Rakers, #DMW Berlin

Für mich war nicht etwa der gestandene CEO Reed Hastings das Highlight der Media Convention, sondern das genaue Gegenteil: vier Siebtklässler, die den Anwesenden mal eben das Internet erklärten. Ich hab selten so gelacht, wie über die entwaffnenden Äußerungen der Schüler: „Ich wollte mal Zeitung lesen, kam aber mit dem Falten nicht klar, dann hab ich’s gelassen“, sagt so ziemlich alles, was Verlagschefs heutzutage wissen müssen. Debatte beendet.

Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass die Media Convention dieses Jahr, speziell am zweiten Tag, die spannenderen Themen hatte. Vor allem die Formate rund um Video im Netz klangen sehr interessant. Den hohen Erwartungen hielten dann aber nicht alle Sessions stand. „How to mobilize supporters with YouTube videos“ glänzte mit Weisheiten wie: „Finde das, was dich besonders macht und rede darüber“. Get outta here!

Grundsätzlich war mein Eindruck, dass die #mcb15 im Vergleich zur re:publica um einiges unternehmensnäher ist. Und je corporate-iger die Referenten auf den Media Convention Panels wurden, umso lieber hatte ich die unabhängigen Nerds auf der re:publica. Ein bisschen Anarchie tut jeder Veranstaltung gut.

Noch mehr Fotos, Reviews und Videos zur media Convention

Schöne Fotos gibt es auf bei den Veranstaltern

Noch mehr Programm, Speaker und Infos findet ihr auf der offiziellen Website und bei der bayerischen Landeszentrale für neue Medien

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