Über #DigitaleBildung und Netzpolitik – auf einen #DMWKaffee mit Saskia Esken

Saskia Esken und Christiane
#DMW Christiane Brandes-Visbeck (l.) trifft die Bildungspolitikerin Saskia Esken auf einen #DMWKaffee (Foto: privat)

In der Reihe #DMWKaffee mit … gehen Autorinnen dieses Blogs mit spannenden Frauen aus der Digitalbranche einen Kaffee trinken. Für diese Folge hat sich Christiane Brandes-Visbeck aus dem Hamburger Quartier mit Saskia Esken auf einen Kaffee verabredet.

In der Sommerpause des Bundestages hat Saskia Esken sich Zeit genommen für einen Kurzbesuch in Hamburg. Im Café Paris erzählt die twitternde Politikerin aus Baden-Württemberg, warum sie sich für #DigitaleBildung engagiert.

Christiane Brandes-Visbeck: Saskia, du bist SPD-Politikerin und stellvertretende Sprecherin des Ausschusses „Digitale Agenda“ des Deutschen Bundestages. Wie kommt es, dass du dich für das Digitale interessierst?

Saskia Esken: Aus meiner Sicht bieten Internet und Digitalisierung eine Chance für mehr Emanzipation und Teilhabe. Der Zugang zum Wissen dieser Welt mittels schneller und einfacher Kommunikationswege erleichtert den Austausch und die Vernetzung über hierarchische und nationale Grenzen hinweg. Dadurch ergeben sich großartige Potenziale für die gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung. Aber gleichzeitig gibt es auch Überwachung und Eingriffe in die Selbstbestimmung von Menschen sowie die Gefahr einer digitalen Spaltung, wenn nicht alle Bürger gleichermaßen am Digitalen teilhaben können. Das lässt mich als Sozialdemokratin, Bildungspolitikerin, Mutter und Informatikerin nicht kalt.

Christiane: Du setzt dich mit deiner politischen Arbeit für die Digitalisierung unseres Bildungssystems ein. Was verstehst du unter #DigitalerBildung?

Saskia: Der digitale Wandel ist in vollem Gange. Er betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Arbeitswelt und ist damit Teil unserer alltäglichen Lebenswirklichkeit geworden. Unser Bildungssystem muss sich dieser Realität stellen und einen aktiven, kompetenten und souveränen Umgang mit Medien, Informationen und Daten ermöglichen. Wir brauchen deshalb eine informatische Grundbildung, den flächenübergreifenden Einsatz digitaler Medien und vor allem innovative Lehr- und Lernformate.

Das alles ist für unser Bildungssystem eine große Herausforderung. Sowohl bei der technischen Ausstattung der Einrichtungen als auch bei der medienpädagogischen Kompetenz der Lehrkräfte gibt es einigen Nachholbedarf. Über die Entwicklung digitaler Lehr- und Lernformate haben wir aber auch die Chance, unser Bildungssystem neu zu denken: Weg von der Wissensvermittlung hin zum Kompetenzerwerb. Wir können lernen, wie wir mit ganz unterschiedlichen Lehrenden und Lernenden umgehen können – und auch den Umgang mit den Herausforderungen der Inklusion.

Christiane: Deutschland werden zum Thema #DigitaleBildung im internationalen Vergleich nur mäßige Schulnoten ausgestellt. Laut der aktuellen International Computer and Information Literacy Study (ICILS) erreichen unsere Schülerinnen und Schüler bei den sogenannten „informationstechnischen Kompetenzen“ Platz 11 von 21 untersuchten Bildungssystemen. Was läuft bei uns schief?

Saskia: Dafür gibt es viele Gründe. Fatal ist vor allem, dass die deutschen Bildungseinrichtungen beim Einsatz digitaler Medien und Lernmaterialien im Unterricht im internationalen Vergleich das Schlusslicht bilden. Laut anderer Befragungen wie beispielsweise der BITKOM liegt das schlechte Ergebnis nicht so sehr am mangelnden Willen der Lehrkräfte, digitale Medien im Unterricht einzusetzen. Vielmehr fehlen wichtige Grundlagen und Rahmenbedingungen wie eine verlässliche technische Infrastruktur und passgenaue Fortbildungen zum Einsatz digitaler Medien in Lernprozessen, die jüngere und ältere Lehrkräfte da abholen, wo sie mit ihren eigenen Kenntnissen stehen. Auch in der Lehrerausbildung ist die Medien-Didaktik noch viel zu selten Thema – sie ist in den Studien- und Prüfungsordnungen noch nicht einmal verpflichtend verankert.

Christiane: Welche grundlegenden Veränderungen muss es in unserer Gesellschaft und im Bildungssystem geben, damit wir bei der Digitalen Transformation mithalten können?

Saskia: In Politik und Verwaltung, in Wirtschaft und Gesellschaft sollten wir den digitalen Wandel als Chance begreifen und die Gestaltung proaktiv angehen. Die durchaus vorhandenen Risiken müssen wir annehmen und bewältigen, anstatt sie an die Wand zu malen und uns davor zu erschrecken. Der digitale Wandel bringt in allen Bereichen des Lebens einen Kulturwandel mit sich, der verstanden und gestaltet werden muss: Es geht um flachere Hierarchien, um mehr Teamarbeit und um eine stärkere Orientierung der Wirtschaft am Kunden, des Staates am Bürger, des Bildungssystems am Lernenden.

Damit alle am digitalen Wandel teilhaben können, müssen wir die sogenannte digitale Spaltung überwinden. Wir brauchen Breitband für alle. Wir benötigen ganzheitliche Medienbildungskonzepte an Schulen und Hochschulen, die einen kompetenten, gestalterischen, verantwortlichen – und im besten Sinne kritischen – Umgang mit digitalen Medien ermöglichen. Wir benötigen altersgerechte Ansätze, die in allen Schulstufen Neugier und Verständnis für technische Zusammenhänge und für die Logik von Algorithmen als die Sprache der digitalen Welt wecken.

Für den Kulturwandel, von dem ich schon gesprochen habe, müssen wir die sogenannten 21st century skills – Kreativität, Kommunikation, Kollaboration und kritisches Denken – in den Fokus nehmen. Diese Skills stehen im Mittelpunkt einer modernen, offenen und innovativen Wirtschaft und Gesellschaft des 21. Jahrhunderts. Sie sollten verpflichtender Bestandteil der Bildungspläne aller Bundesländer werden und müssen Eingang in die Studien- und Prüfungsordnungen der Lehrerausbildung und anderer pädagogischer Berufe finden. Und wir brauchen gute und verpflichtende Weiterbildungsangebote für diesen Bereich.

Christiane: Wie kann eine politische Strategie/eine Digitale Agenda für die #DigitaleBildung in Deutschland aussehen?

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Öffentliche Anhörung im Ausschuss Digitale Bildung des Bundestages (Foto: privat)

Saskia: Im Bundestag und in meinen Ausschüssen „Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung“ sowie „Digitale Agenda“ haben wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Die Bundesregierung hat sich im Rahmen der Digitalen Agenda vorgenommen, gemeinsam mit den Ländern und anderen Akteuren des Bildungssystems eine „Strategie Digitales Lernen“ zu entwickeln und umzusetzen. Dazu haben wir in den Koalitionsfraktionen vor der Sommerpause einen entsprechenden Antrag erarbeitet und im Bundestag beschlossen. Im Titel des Antrags „Durch Stärkung der Digitalen Bildung Medienkompetenz fördern und digitale Spaltung überwinden“ haben wir ganz bewusst den Begriff der „Digitalen Spaltung“ aufgenommen, um deutlich zu machen, wie wichtig es uns ist, durch digitale Bildung dazu beizutragen, dass niemand zurückbleibt – allen Menschen soll die volle Teilhabe an einer digitalisierten Welt offen stehen. Wir erwarten jetzt von der Bundesregierung und von den Bundesländern (die ja für die schulische Bildung nahezu alleine zuständig sind), dass die in unserem Antrag beschriebenen, notwendigen Schritte unternommen werden, damit das deutsche Bildungssystem in der digitalen Bildung nicht weiterhin hinterher hinkt.

Christiane: Mit dieser Formulierung eines solchen Antrags habt ihr im Ausschuss „Digitale Agenda“ einen ersten Meilenstein erreicht. Woran liegt es, dass eure Arbeit in der Öffentlichkeit eher negativ bewertet wird? 

Saskia: Ich bin erst einmal froh, dass es den Ausschuss gibt. Der Bundestag bildet nicht oft neue Ausschüsse. Das zeigt die Wertschätzung, die das Parlament der Digitalen Agenda entgegenbringt. Nun gibt es uns seit eineinhalb Jahren, und die Erwartungen sind angesichts der anstehenden Aufgaben natürlich sehr hoch.

Ich finde es wichtig, dass deutlich wird, dass wir das Thema Netzpolitik als Gesellschaftspolitik begreifen und uns deshalb zu nahezu allen Gesetzesvorhaben der Regierung oder Anträgen anderer Ausschüsse einbringen – aber auch mit eigenen Initiativen und Ideen. Kein relevantes Thema soll mehr durchs Parlament gehen ohne einen netzpolitischen Blickwinkel.

Christiane: Was kann an Grundschulen getan werden, um #DigitaleBildung möglichst früh zu fördern?

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Auf der re:publica 2015 diskutiert Saskia Esken (r.) zum Thema Medienkompetenz von Schülern und Schülerinnen. Moderation: Christiane Brandes-Visbeck (li.) (Foto: privat)

Saskia: Gerade in den Grundschulen sollten gemeinsam mit den Eltern Konzepte für die Medienbildung und Mediennutzung entwickelt werden, um damit die besten Grundlagen für einen kompetenten und souveränen, kritischen Umgang mit digitalen Medien zu schaffen.

Bereits 91 % der sechs- bis dreizehnjährigen Kinder haben zu Hause Zugang zu einem Rechner oder Tablet, und beachtliche 57 % sind Internetnutzer. Deshalb sollen Kinder schon in der Grundschule die Chance haben, sich mit digitalen Medien und Technik möglichst spielerisch auseinanderzusetzen und die ersten Schritte in der digitalen Welt, die sie in dieser Zeit ohnehin unternehmen, mit pädagogischer Begleitung zu gehen – das hilft auch den Eltern. Es gibt ganz großartige, spielerische Konzepte dafür.

Christiane: Du hast dich vor langer Zeit als staatlich geprüfte Informatikerin ausbilden lassen und anschließend drei Kinder groß gezogen. Was würdest du jungen Frauen heute zum Thema  Karriereplanung und Familie raten?

Saskia: Während der Ausbildung und meiner Berufstätigkeit in der Softwareentwicklung habe ich das Verhältnis zu meinen Kolleginnen und Kollegen als gut und partnerschaftlich empfunden. Wenn es allerdings um Führungsverantwortung ging, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder gar Karriere, dann waren und sind die Männer klar im Vorteil. Weil immer noch eine relativ klare Rollenverteilung vorherrscht. Ich habe vor 20 Jahren meine Berufstätigkeit zugunsten meiner drei Kinder aufgegeben. Ich formuliere deshalb immer „Ich war mal Informatikerin“ und verbinde damit den Appell an die jungen Frauen von heute, sich bei ihrer Familiengründung nicht auf so ein solches Rollenmodell einzulassen. Am Ende bietet es nur wenig Perspektiven.

Christiane: Was sagst du zu der Arbeit der #DMW? Gibt es aus deiner Sicht Themen, für die wir uns stärker einsetzen sollten?

Saskia: Ich finde die Arbeit der Digital Media Women und ihre Zielrichtung, digital engagierte Frauen sichtbar zu machen und ihnen Austausch, Vernetzung und über die #DMW-Academy Weiterbildungen anzubieten, überaus wertvoll. Alle genannten Aspekte tragen dazu bei, dass Frauen in der männerlastigen Digitalbranche bessere Chancen haben werden. Eure Netzwerke und Plattformen bieten Gelegenheit, Neues zu erfahren, Erfahrungen auszutauschen, Tipps und Empfehlungen zu geben oder einfach unter Gleichgesinnten zu klönen. Ich bin für die Angebote der Digital Media Women sehr, sehr dankbar.

Liebe Saskia, danke dir für das Gespräch und weiterhin gutes Gelingen für deine digitalpolitische Arbeit.

Tipps für Eltern zum Thema #DigitaleBildung

Diese Angebote sind von #DMW oder uns nahestehenden Frauen konzipiert:

Wenn ihr auch Tipps und Infos zum Thema habt, schreibt sie gern in die Kommentare. 

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