Die Unternehmerin, Speakerin und Autorin Verena Pausder wurde 1979 in Hamburg geboren. Inzwischen gehört die Wahlberlinerin als mehrfache Gründerin zu den bekanntesten Gesichtern der deutschen Gründerszene. 2016 wurde sie vom Weltwirtschaftsforum zum „Young Global Leader“ ernannt, 2018 erfolgte die Aufnahme in die „Top 50 Women In Tech“-Liste von Forbes Europe. 2020 gründete sie gemeinsam mit Prof. Dr. Miriam Meckel und Dr. Léa Steinacker die ada Learning GmbH, Veranstalterin des Ada Lovelace Festivals. In ihrem Podcast „FAST & CURIOUS“ spricht sie mit Co-Host Lea-Sophie Cramer über aktuelle Trends und Entwicklungen in der Startup-Szene – und auf dem diesjährigen Ada Lovelace Festival mit Berliner #DMW Rike Lange über Diversität, Erfolg und Netzwerke.
DMW: Wofür steht ada für dich? Welche Themen berühren dich besonders?
Verena Pausder: Für mich steht ada dafür, Themen, die eigentlich für die meisten wenig zugänglich und sehr abstrakt sind, nahbar zu machen – so dass man plötzlich das Gefühl hat: „Ah, das ist künstliche Intelligenz,“ oder „Ach so, diese Gedanken machen sich Menschen rund um Daten.“ Auch ethische Aspekte werden hier nicht mit einem erhobenen Zeigefinger diskutiert, sondern auf einer menschlichen Ebene. Die Vielfalt der Speaker:innen berührt mich besonders. Für uns ist es auch nicht schwer, die Bühne so divers zu besetzen – oft heißt es ja, es sei schwer, dafür passende Speaker:innen zu finden. Aber wenn man mit einer Marke klar definierte Werte ausstrahlt, dann zieht man auch die richtigen Menschen an. Die Mischung aus Diversität und Zugänglichkeit zu abstrakten Themen sind für mich der Schlüssel zum Erfolg von ada.
„Wenn man mit einer Marke klar definierte Werte ausstrahlt, dann zieht man auch die richtigen Menschen an.“
Du hast mal gesagt, dass man auch Menschen eine Bühne geben sollte, die noch nicht so viel Erfolg hatten, aber Aufmerksamkeit für ihre guten Ideen verdienen …
Ja, das stimmt. Wenn man auf der Bühne nur Personen präsentiert, von denen man annimmt, sie hätten bereits alles erreicht, dann entsteht eine zu große Kluft zwischen den Menschen, die sprechen und denen, die zuhören. Wenn du Menschen dabei zuschauen kannst, wie sie wachsen, kannst du dich besser mit ihnen verbinden. Die 17-jährige Emilie, die mir bei einem Mentorenprogramm zugelost wurde, ist so jemand. Eine junge Frau, die genau die richtigen Fragen stellt. Sich in allen Dimensionen engagiert: Klimaschutz, Bildung, ist Schulsprecherin, fährt zu „Open House Days” der Universitäten. Ihre Eltern haben beide nicht studiert und sie ist die erste in ihrer Familie, die jetzt diesen Weg geht.
Wie verstehst du Diversität im Berufsumfeld, also jenseits der Definition von Geschlecht oder Herkunft?
Für mich ist Diversität die Vielfalt von Meinungen und die Vielfalt von Erfahrung. Es reicht nicht zu sagen, dass der Raum 50:50 mit Männern und Frauen besetzt ist, und dass wir deshalb hier ganz diverse Diskussionen haben. Wenn du einen anderen Bildungshintergrund hast, einen anderen Job erlernt hast, aus einem anderen Land kommst, eine andere sexuelle Gesinnung hast, guckst du anders auf die Themen und deswegen ist Diversität für mich kein „Nice-to-have”, sondern ein echter Business Case.
Was bedeuten dir Netzwerke? Gibt es einen Netzwerk-Moment, der dich besonders beeindruckt hat?
Netzwerken bedeutet für mich, dass man in seinem Kopf viele Menschen hat, die man mit einem bestimmten Thema verknüpft und dann im richtigen Moment auch an sie denkt. Viele Menschen halten so ein Netzwerk für eine Art Selbstzweck: „Wenn ich was brauche, melde ich mich.” Aber ich glaube, dass ein Netzwerk vor allem dadurch funktioniert, dass man zunächst investiert und mit der Zeit das Vertrauen der Menschen gewinnt. Dadurch entsteht eine Basis, auf der man im Grunde alles erfragen kann. So bin ich Netzwerken immer angegangen: ich habe erst überlegt, was ich für die anderen machen kann. Deswegen ist Netzwerken ein Marathon, kein Sprint. Du kannst nicht einfach reingehen und sagen: „Ich baue jetzt instant ein Netzwerk auf.” Das musst du über Jahre machen.
Mein schönstes Erlebnis im Kontext des Netzwerkens war, dass ich Miriam Meckel kennengelernt habe. Sie war Professorin an der Universität in St. Gallen und ich habe immer aus der Ferne zu ihr aufgeschaut. Heute mit ihr Co-Gründerin von ada zu sein, ist das Ergebnis jahrelangen Netzwerkens und der Bereitschaft, anderen Menschen zu zeigen, was ich ihnen bieten kann. Irgendwann wurden wir einander vorgestellt und das Interesse war nicht nur einseitig – sie hatte ebenso Interesse an mir. Sie hatte sogar bei der Tischordnung dafür gesorgt, dass ich neben ihr saß.
„Stell dich aufs Spielfeld und warte nicht darauf, dass du gebeten wirst!“
Als Unternehmerin in der digitalen Bildungsbranche sowie mit deinem Podcast „FAST & CURIOUS” bist du ja auch eine Digital Media Woman. Welches Thema, abgesehen von KI, wird die Digitalbranche in Zukunft besonders begleiten?
Ein Thema, das ich im Kontext von Digitalisierung sehr wichtig finde, ist „Verbindlichkeit.“ Also: Wie schafft man es, tiefgehende Verbindungen herzustellen? Die Gefahr im digitalen Raum ist ja, dass die Interaktionen oft oberflächlich bleiben. Dass du mit Ach und Krach weißt, wer welchen Vornamen hat, oder dass ein Satz hängen geblieben ist, den jemand mal gesagt hat. Aber nicht dieses: „Wir haben uns in die Augen geschaut, ich erinnere mich an dich und da ist irgendwas Belastbares entstanden.“ Frauen sind unheimlich gut darin, online zu kommunizieren und da auch in die Tiefe zu gehen, aber das darf eben nicht ersetzen, dass wir an einem Tag wie heute zusammenkommen. So wie bei euren Meetups, wo man sich live begegnet. Es ist ein Unterschied, ob ich dir digital folge, dich digital like oder ob wir eben im echten Leben voreinander stehen.
Stichwort Vereinbarkeit von Familie und Beruf: Du bist trotz Mann und drei Kindern viel unterwegs. Worauf sollten Frauen achten, damit sie Familie und Karriere vereinbaren können?
Ein Tipp, den ich jungen Frauen geben kann: Nutze mentales Training, um dein schlechtes Gewissen zu beherrschen. Mein ältestes Kind ist bereits 16 und inzwischen kann ich sagen: Ja, Kinder brauchen Eltern, die sie lieben – aber das lässt sich nicht an der Zeit festmachen, die du mit ihnen verbringst. Viel wichtiger ist, wie präsent du bist, wenn du da bist und wie nah ihr euch in Gesprächen seid. So habe ich das immer gelebt: Meine Kinder bekommen von mir 100 Prozent, wenn ich da bin. Inzwischen sind sie schon recht selbstständig und ich habe das Gefühl, zwischen uns passt kein Blatt.
Besonders an Schulen kann man viel Widerstand gegen die Digitalisierung beobachten. Dem gegenüber steht die Begeisterung von Menschen, die sich quasi täglich im Internet bewegen. Woran liegt das und wo siehst du Chancen, die Widerstände zu überwinden?
Der Widerstand ist deshalb groß, weil wir das als Eltern nicht gelernt haben: Wir sind keine Digital Natives. Aber gerade in Schulen kannst du mit digitalen Tools viel individueller auf das Kind eingehen, so dass nicht alle 30 Kinder gleich schnell lernen müssen. Besonders Kinder, bei denen es noch eine Sprachbarriere gibt, können mit DeepL oder anderen Übersetzungsprogrammen leichter teilhaben. Wenn man ganz konkret verständlich machen kann, an welcher Stelle sich Bildung durch Digitales verbessert, kann man leichter Ressentiments abbauen, als wenn man einfach nur das Schlagwort „Digitale Bildung“ in den Raum wirft – dann sagen alle gleich: „Danke, die Kinder sind schon genug berieselt.”
Du hast viel Einfluss in Branchen, die immer noch ziemliche Männerdomänen sind. Gibt es ein Mindset bei uns Frauen, dass du gerne grundsätzlich umprogrammieren würdest, damit wir eine chancengerechtere Zukunft haben?
Ich glaube wir sind als Frauen darauf programmiert, dass wir uns bestimmte Dinge weniger zutrauen. Wir gehen die ersten Schritte noch mit den Männern gemeinsam: In der Schule sind wir besser, im Studium sind wir besser, im ersten Job sind wir total vergleichbar – und dann verlieren wir mit der Zeit das Selbstbewusstsein. Irgendwann glauben wir einfach nicht mehr, dass wir auch bis ganz nach oben kommen können. Und an der Stelle würde ich uns gerne umprogrammieren. Wenn du als Frau so toll ausgebildet bist, so schlau bist, dann nimm dich nicht selbst irgendwann aus dem Spiel. Stell dich aufs Spielfeld und warte nicht darauf, dass du gebeten wirst!
Liebe Verena, danke für das Gespräch.
Growth rarely happens alone – das ist das Motto der Digitalisierungsexpertinnen Prof. Dr. Miriam Meckel, Dr. Léa Steinacker und Verena Pausder, die 2020 die digitale Bildungsplattform und Community ada gründeten. Das Ziel der drei Gründerinnen: Einer immer größer werdenden organisations- und länderübergreifenden Community spezifisches und praktisches Know-how zu digitalen Kompetenzen zu vermitteln, technische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf Gesellschaft und Arbeitswelt nachvollziehbar und greifbar zu machen und so den Weg in eine nachhaltige, auf ethischen Prinzipien basierende Wirtschaft der Zukunft zu ebnen.
Das Ada Lovelace Festival, benannt nach der britischen Programmierpionierin Ada Lovelace, ist Europas führende Konferenz für Zukunftsthemen wie neue Technologien, KI, Nachhaltigkeit und New Work. Es versammelt führende Expert:innen, Visionär:innen und Gestalter:innen aus den Bereichen Technologie, Digitalisierung und Kreativität, ermöglicht den Austausch von praktischem Wissen durch interaktive Event-Formate und schafft eine Community für die gemeinsame Reise in eine nachhaltige, digitale Zukunft.