Ende Oktober fand in Brüssel der erste Online Feminist Summit statt. Die Grünen-Abgeordnete Terry Reintke hatte europäische Frauengruppen zur Entwicklung eines Online Feminist Manifests eingeladen. Natürlich unter Beteiligung von yours truly, den #DMW. Das Ziel: Gender Equality und Women Empowerment in der digitalen Welt stärker als bisher in die Debatte zur Digitalen Agenda einbringen.
Terry Reintkes Schwerpunkt ist Frauenpolitik. Sie arbeitet derzeit als Rapporteur im Ausschuss für die Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter an einem Bericht zum Thema Geschlechtergerechtigkeit und Stärkung der Frauen im digitalen Zeitalter. Da das EU-Parlament selbst keine Gesetzesvorschläge machen kann, werden Berichte erstellt, mit denen die Kommission aufgefordert wird, zu einem bestimmten Thema aktiv zu werden. Terry ist überzeugt, dass die Entwicklung zur Informationsgesellschaft nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Bedeutung hat, und einen wesentlichen Rahmen für Fragen des sozialen Zusammenhalts und der Demokratie bietet. Sozialwirtschaftliche Themen finden jedoch bisher in den Überlegungen zum gemeinsamen digitalen Binnenmarkt der Kommission Juncker nur beiläufig Anklang. Terry Reintke argumentiert, dass damit eine Chance vertan wird. In einem Grundsatzpapier schreibt sie: „In order to fully exploit the potential provided by the information society, the importance of gender equality and the empowerment of women within the digital arena need to be particularly highlighted.“ Was Terry sagt!
In einer ersten Anhörung im FEMM-Ausschuss wurde die Notwendigkeit, Gender Equality zum Thema der digitalen Agenda zu machen, bereits identifiziert. Der 22. Oktober diente also vor allem nochmal dazu, die Standpunkte und Forderungen von europäischen Online-Feministinnen einzufangen und für den Bericht festzuhalten. Mit den #DMW diskutierten Vertreterinnen von u.a. dem Digital Leadership Institute, dem Network for EuRopean Digital Youth, der European Women’s Lobby, Girls Coding Kosova, die European Young Feminists, Open Knowledge Foundation Deutschland, dem Tactical Technology Collective sowie einige namhafte Netzfeministinnen wie Laura Sophie Dornheim, Katrin Rönicke und June Fernandez vom spanischem Pikara-Magazin.
Der Summit
Nachdem wir uns alle am Mittwochabend zum Get Together bei Beet Burger und Bier getroffen, kennengelernt und ausgetauscht haben, ging es am Donnerstag morgen in den Arbeitsräumen des Europaparlamentes an die Arbeit. Maya Indira Ganesh, Director of Applied Research beim Tactical Technology Collective, leitete Arbeitsgruppen an, sich mit verschiedene Facetten des Feminismus auseinanderzusetzen, gefolgt von einem kurzen aber sehr eindrucksvollen Überblick über Online-Aktivismus. Maya zeigt eindrucksvoll, dass das Internet kein neutraler Ort ist, sondern politisch geradezu überladen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man sich als Online-Aktivistin mit Hasstiraden, Bedrohungen, Einschüchterungsversuchen oder sogar Stalking auseinandersetzen muss. Das Beispiel Gamer Gate zeigt gar, dass Trolle ihre Hasstiraden auch noch als Ausdruck von Meinungsfreiheit deklarieren. Ihr Lösungsansatz: Technologie dazu nutzen, das alles sichtbar zu machen und damit den nötigen politischen Druck aufzubauen. In diesem Zusammenhang stellte sie einige spannende Projekte und Initiativen vor. Zum Beispiel:
- “ZEN and the art of making technology work for you” ist eine Online-Ressource des Tactical Technology Collectives in Kollaboration mit dem Gender and Tech Institute für Gender-Aktivisten, Menschenrechtsaktivisten und Tech-Fans. Das Manual erklärt, wie man herausfindet, welche Spuren man im Netz hinterlassen hat, wie Self-Doxing funktioniert und wie man die Kontrolle über seine Daten wiedererlangt. Das alles ist wichtig für Aktivistinnen, die bei ihrer Arbeit immer wieder Bedrohungen ausgesetzt werden (vgl. Feminazi, Gamer Gate). Nehmt euch mal etwas Zeit und schaut euch die vielen Ressourcen an, die dort vorgestellt werden. Die Sammlung ist großartig.
- Der Twitter Hashtag #Misogynymonday dient dazu, Beweise für Hate Speech und Belästigung online zu finden und gewinnt gleichzeitig dem ganzen noch etwas Humor ab.
- Passend dazu auch das Video „But I’m a nice guy“, das nur 10 Sekunden braucht, um das Thema der Chancengleichheit zwischen Männer und Frauen auf den Punkt zu bringen. Im Ernst, das ist ein Must-See und gehört in jede Favoritenliste oder auf jedes Pinterest Board zum Thema.
- Und natürlich der Zero Trollerance Guru.
In der anschließenden Paneldiskussion sprachen June Fernandez, Katrin Rönecke und Blerta Thaçi über ihre Wege in den Online-Aktivismus und ihre Erfahrungen in Spanien, Deutschland und im Kosovo. Gemeinsam diskutierten wir im offenen Plenum konkrete Forderungen, die die Teilnehmerinnen an Terry als Stimme in Europaparlament und FEMM Ausschuss haben.
Unsere Empfehlungen
Unsere Empfehlungen haben allesamt einen starken Bezug zur deutschen Digital- und Gründerinnenszene. Eines der wesentlichen Ziele der #DMW ist es, Frauen an zentralen Stellen der Digitalen Transformation sichtbar zu machen. Durch zahlreiche Gespräche mit unseren Fördermitgliedern auf Themenabenden, Meetups oder bei Konferenzen sowie der Arbeit der Orga-Teams wissen wir, dass besonders die Themen Gründung und weibliche Führungsteams für unsere Mitglieder von Relevanz sind. Die #DMW wollen Frauen an zentralen Stellen der Digitalen Transformation sehen. Dabei kann die EU konkret vor allem indirekt helfen, zum Beispiel durch den richtigen Schwerpunkt beim Einsatz von Fördermitteln. An erster Stelle unserer Forderungen stand darum, mehr Förderung für weibliche Gründerinnen bereit zu stellen. Auch existierende Förderprogramme wie z.B. ESF und EFRE sollten an Vergabekriterien geknüpft werden, die eine Präsenz von Frauen bedingen. Sozusagen europaweite Gender Equality Mindestanforderungen, ohne deren Erfüllung kein Geld mehr fließt. Oder kurz gesagt: No Women, No Money!
Zudem muss Gender Equality ein Teil der Pläne für den Digitalen Binnenmarkt werden, z.B. im Rahmen der Arbeit zur inklusiven E-Society.
Des weiteren brauchen wir mehr Druck auf Facebook, Twitter und Youtube, damit soziale Netzwerke sichere Orte für mehr Vielfalt werden. Es gibt keine „Freedom of Hate Speech“.
Und zu Guter Letzt: Mehr Förderung für Organisationen wie zum Beispiel die #DMW. Wir können umsetzen, was politisch gewollt ist, und uns in Unternehmen, Medienhäusern und Gesellschaft für mehr Sichtbarkeit von Frauen einsetzen. Und wir haben noch viel vor.
Der Bericht
Diese und andere Empfehlungen wurden zusammengefasst in einem Manifestentwurf, der letztlich in den Bericht „DRAFT REPORT on gender equality and empowering women in the digital age“ mündete. Den kompletten Bericht könnt ihr hier lesen. Wir haben hier einige ausgewählte Punkte rausgesucht und übersetzt.
- Die Kommission und der Rat werden insgesamt aufgefordert, das Potenzial der Digitalisierung für Women Empowerment, Frauenrechte und Freiheiten sowie Gender Equality besser zu nutzen. Im Rahmen der Digitalen Agenda und der digitalen Binnenmarktstrategie sollen der eklatante Gender Gap im ICT Sektor adressiert werden, die Aus- und Weiterbildung von Frauen im ICT-Sektor gefördert, die Sichtbarkeit von Frauen in der digitalen Arena verbessert, Gender Equality erhöht, die Partizipation von Frauen durch besseren Zugang zu Förderung gesteigert sowie zivilgesellschaftliche Frauen-Organisationen gefördert werden.
- Die Kommission soll in der anstehenden Strategie für Gleichstellung 2016-2020 spezifische Maßnahmen zur Unterstützung der Integration und Partizipation von Frauen in der Informationsgesellschaft einbinden und Frauennetzwerke als Vertreter eines selbst-organisierten Bottom-Up Ansatzes von Female Empowerment fördern.
- Die Kommission wird aufgefordert, den Fokus von „A Digital Single Market Strategy for Europe“ zu verbreitern, da aktuell das Potenzial der Digitalisierung für eine inklusive, gleichberechtigte und teilhabenden Gesellschaft verschenkt wird.
- Die Kommission wird aufgefordert, das Programm „Europe for Citizens“ zu nutzen, um zivilgesellschaftliche Organisationen und Frauenorganisationen rund um die Digitale Transformation stärker einzubinden. Die Kommission und die Mitgliedsstaaten werden angerufen, die starke Unterrepräsentierung von Frauen im ICT Sektor, speziell in Führungspositionen und Vorständen, zu adressieren. Die Kommission soll konkrete Maßnahmen treffen, damit neue Direktiven und Gesetzgebungsvorhaben rund um die Themen nicht mehr blockiert werden können.
- Die Kommission und die Mitgliedsstaaten sollen neue Mechanismen schaffen, die der Veränderung der Arbeitswelt durch Digitalisierung Rechnung tragen, speziell was Frauen betrifft.
- Die Mitgliedsstaaten und die Kommission werden aufgerufen, Fördergelder für weibliche Gründerinnen bereitzustellen.
- Die Kommission und die Mitgliedsstaaten sollen evaluieren, inwiefern Gender Mainstreaming und Gender Budgeting innerhalb der Gesetzgebung für EU-Fördergelder zum Einsatz kommen können.
Unser Fazit
Wir sind begeistert. Natürlich. Viele unserer Punkte haben es in den Report geschafft und der Online Feminist Summit von Terry hat eine Tür aufgestoßen, die wir nicht mehr zufallen lassen. Zudem war erstaunlich, was ein gut organisierter Tag – vielleicht lag es auch nur an den hauptsächlich weiblichen Teilnehmerinnen 😉 – in so kurzer Zeit hervorbringt: siehe Manifest und Report. Fortsetzung folgt!
Und Ihr?
Was sagt ihr? Findet ihr euch in unseren Forderungen wieder? Im Manifest? Wir sind gespannt auf Eure Diskussionsbeiträge!
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