„Jedes Kind kostet einen Zahn“, erzählte meine Großmutter immer – sie hatte sechs Kinder in der Lebensmittelknappheit nach dem Zweiten Weltkrieg großgezogen. Ob ihr tatsächlich auch so viele Zähne fehlten? Ich glaube nicht, sie hatte schöne Zähne. Leider kann ich sie heute nicht mehr fragen. Aber der Spruch hat mich immer sehr beeindruckt – genau wie die Gruselgeschichten von 24-stündigen Geburten, gebrochenen Rippen und Steißbeinen und geplatzten Augadern nach dem Ereignis, dass die Bibel die Strafe für die „Frucht der Erkenntnis“ nennt: die Geburt unter Schmerzen.
Zum Weibe aber sagte er: „Viele Mühsal will ich dir bereiten, wenn du Mutter wirst: mit Schmerzen sollst du Kinder gebären und doch nach deinem Manne Verlangen tragen; er aber soll dein Herr sein! (…)“
Quelle: Die Bibel, Genesis 1/ Mose
Dass Frauen Kindern das Leben schenken, dafür ins Krankenhaus gehen, Vorsorgeuntersuchungen, Betäubungsspritzen und Betreuung in Anspruch nehmen, verursacht – neben dem Lebensglück – allerhand Kosten. In der gesetzlichen Krankenversicherung tragen diese Männer und Frauen gemeinsam. Der Beitragssatz ist genormt und gesetzlich festgelegt: 15,5 Prozent zahlen versicherungspflichtig Beschäftigte – egal ob sie Träger von zwei X- oder einem X- und einem Y-Chromosom sind.
Aber in allen Privatversicherungen, wie auch beispielsweise der Zahnzusatzversicherung, zahlen Frauen ordentlich drauf: Eine 30-Jährige zahlt 26,94 Euro, ihr gleichaltriger Mann nur 23,21 Euro (Versicherung CSS ZahnarztPlus, keine Gewähr für Beiträge, Beiträge variieren je nach Leistungsumfang). Dafür wird’s beim Auto billiger. Da Frauen weniger Unfälle bauen, ist der Beitrag für Autofahrerinnen oft geringer.
„Das ist diskriminierend!“, fand der Europäische Gerichtshof und hat in einem Urteil vom 1. März 2011 (wiederholt) beschlossen, dass dieser Missstand abzuschaffen ist. Ab 21. Dezember 2012 müssen Versicherungen für Frauen und Männer gleich viel kosten (gilt nicht für bestehende Verträge).
Natürlich lässt es sich die Versicherungsbranche es nicht nehmen, daraufhin vor einer Neuberechnung der Beiträge zu „warnen“ (oder damit zu drohen?). Hintergrund: Das Geschlecht geht bislang in die Risikobewertung ein. Durch das Anti-Diskriminierungsverbot entfällt dieser Faktor. Das Risiko wird unklarer und könnte damit als höher bewertet werden. Wir werden sehen… und zahlen.
Aber wie steht es nun mit den Zähnen? Gilt die jahrhundertelange Zahnweisheit erfahrener Großmütter noch? „Der Embryo entzieht dem Körper der Mutter Kalzium und Nährstoffe, den er fürs eigene Wachstum braucht“, erklärt Dr. Dietmar Oesterreich, Vize-Präsident der Bundeszahnärztekammer. „Eine werdende Mutter, die sich gesund ernährt, ihre Zähne pflegt und regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung bzw. Prophylaxe geht, verliert wegen einer Schwangerschaft keine Zähne. Diese ‚Weisheit‘ ist inzwischen widerlegt“, so der Zahnarzt.
Na, dann hat sich doch dank medizinischem und gesetzlichem Fortschritt einiges getan, oder?