Gummiboote, Kraken und der Weltuntergang: re:publica Tag 2

„Die #rp11 hat es in die Tagesschau geschafft“ Twitteraccount der republica

Wir, die Digitalen, und die Medien: Dieses Thema zog sich wie ein roter Faden durch meinen heutigen re:publica-Tag. Denn nicht nur das Bloggerjahrestreffen schafft es neuerdings in die Tagesschau – auch sonstige digitale Themen haben mittlerweile ihren festen Platz in den etablierten Medien. Nur werden sie nicht immer so verhandelt, wie wir uns das wünschen würden.

Die DigiWomenSession Nr. 1

Carolin Neumann (@CarolinN) und Sanja Stankovic (@kassanja) vom Gründerinnenteam der Digital Media Women starteten dementsprechend mit ihrer Session „Wake the blog – von Datenkraken und Internettätern“ in den Tag und warfen die Frage auf, ob die digitale Gesellschaft eine PR-Strategie brauche.

Ausgangslage: Oft werden Begriffe wie Datenkrake für Google und Co. verwendet, auch wenn der Artikel gar keinen Bezug zu Datenschutz hat. Wird jemand wie @mspro in eine WDR-Sendung eingeladen, wird er zum „Blogger & Internetaktivisten“ degradiert. Oder was genau ist gemeint, wenn von „Internetkriminalität“ gesprochen wird? Sprache hat die Macht, unbewusst zu manipulieren – und gerade wenig interentaffine Menschen werden so verschreckt.
Fazit der anschließenden Diskussion: Wir sollten authenthisch bleiben, keine PR-Kampagne starten, aber für Journalisten und uns selbst positiver besetzte Begrifflichkeiten entwickeln.

Das war dann auch schon eines der Highlights des Tages.
Leider war dieses Jahr bisher weniger Inspirierendes dabei als vergangenes – die Sessions mit Ideen, die sich im Kopf einnisten und tagelang in einem rumoren, waren meiner Meinung nach rar gesät.
Vielleicht tappt die Digitalgesellschaft gerade ein wenig im Dunkeln und versucht, sich mit ihrer prägenden Rolle in der Gesellschaft und der medialen Präsenz, die plötzlich nicht mehr eingefordert werden muss, anzufreunden. Es wurde heute mehrfach angesprochen: Wir stehen nicht mehr am Rand, wir sind keine Underdogs mehr (was man auch an den übervollen Räumen der re:publica bemerkte). Das Digitale ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen – und dazu müssen wir uns verhalten! Zumal nun die Gesetze für unsere Zukunft verabschiedet werden.

Wir sind endlich Teil der Medien, nun sollten wir auch anfangen, uns so zu benehmen!

Jens Scholz (@jensscholz) näherte sich im Panel „Das Ende der Welt !!!Einself!!!!“ dem Thema ebenfalls an. Recht unterhaltsam führten er und die anderen Podiumsteilnehmer durch die Geschichte mehr oder weniger erfolgreicher Shitstorms und deren Sinnhaftigkeit. Scholz warf schließlich die Frage auf, ob Shitstorms noch aprobat seien in einer Zeit, in der es nicht mehr darum geht, Themen irgendwie an die Öffentlichkeit und in die Medien zu bringen, sondern vielmehr darum gehe, aktiv in den Diskurs, der dort geführt wird, einbezogen zu werden.

„Wir haben zwar keine Schlauchboote – aber in denen könnten wir auch nicht bei Google oder Facebook vorfahren“ so Markus Beckedahl

 

Und dann kam einer, der wie gewohnt nicht nur redet, sondern schon mal handelt: Markus Beckedahl von netzpolitik.org stellte am Nachmittag sein neues Baby www.digitale-gesellschaft.de vor. Hinter der gerade gelaunchten Plattform steht ein gemeinnütziger Verein, der Netzpolitikthemen aufs Tablett der Nation bringen will, und zwar so, dass auch unsere Elterngeneration sie versteht. Beckedahl will einerseits eine Kampagnenplattform nach dem Vorbild von beispielsweise Campact schaffen, die auch ältere und wenig netzaffine Menschen erreicht, und andererseits eine stärkere Interessensvertretung für digitale Themen auf die Beinen stellen. Großes Vorbild: Greenpeace. Auch ohne Schlauchboote 😉

Tiefer graben

Außerdem war ich bei einer tiefgründigen Diskussion mit Daniel Domscheidt-Berg (@ openleaks) von Openleaks zum Thema „Leaking Transparency„. Zwei wichtige Erkenntnisse: Durch whistleblowing-Plattformen werden vorerst weniger heikle Informationen schriftlich festgehalten, was aber mittelfristig nicht funktionieren wird. Und das Funktionieren von whistleblowing-Plattformen hängt stark von der technischen Leistungsfähigkeit ab, um zum Beispiel den Schutz der Quellen (gegen Hackversuche, etc.) zu gewährleisten.

Nach dem mördermäßigen Geistesinput war die spaßige Abendunterhaltung mit dem vodkaseligen Damentrio @lantzschi, @fraeulein_tessa und @habichthorn, die versuchten, uns das #flittern beizubringen, sowie der traditionellen Twitterlesung auch dringend nötig.

Denn auch wenn die Panels mal nicht so hochqualifiziert, langweilig oder überfüllt sind: Die re:publica bleibt so grandios wegen all der Menschen, die man nach langem wieder trifft und mit denen man lacht, über den Nerdkram, den zwar immer mehr Menschen, aber noch längst nicht alle verstehen.

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