155 Speaker aus 16 Ländern, 351 Blogposts, über 10.000 Tweets und 104 per Wireless übertragende Daten* später ist es Zeit, aus den Tiefen des Informationsozeans wieder aufzutauchen. Die Next 2011 hat sich zweifelsohne Mühe gegeben mit dem Amorspielen. Habt ihr sie gespürt, die „Data Love“?
Nach Nutzen und Gefahren der zunehmenden Datenfülle im Netz wurden für den zweiten Tag der Berliner Konferenz weitere Perspektiven angeboten. Wir haben gelernt, dass Kassenschlager – ob Hollywoodfilme oder Marken – auf zwölf Archetypen vom Helden bis zum Helfer basieren. Wir haben Anekdoten gehört über vorbildliche Unternehmen, die uns (angeblich) nicht mehr nur als eine Sammlung von veräußerbaren Kundendaten sehen. Wir wurden inspiriert von einer Tweltverbesserin und gewarnt, das Internet mit Kampagnen ohne Mehrwert zu „verschwenden“.
Eine erstaunliche Palette an Themen wurde geboten. Diese waren sicherlich nicht immer für alle neu, aber das Publikum schien diverser zu sein als in den Vorjahren, was durch eine Diversifizierung auch auf der Angebotsseite sehr gut aufgefangen wurde. Es will ja wohl keiner der Anwesenden behaupten, dass er alles schon kannte, alle Speaker schon mal gehört und nichts hat mitnehmen können.
Jenen, bei denen sich der schieren Menge wegen eine Datenübersättigung einzustellen drohte, gab Alyssa Jade McDonald mit auf den Weg:
If you’ve got the passion, fuck data.
Alyssa Jade McDonald im Panel „Organic and Fair Trade is Trending, but Ethics are not a USP“
Ist das womöglich eine Botschaft, die es sich in die Welt hinauszutragen lohnt? Dass man als Entrepreneuer Erfolg haben kann, ohne die Aushöhlung der Privatsphäre seiner Nutzer voranzutreiben? Vielleicht. Aber McDonalds Firma Blyss vertreibt auch Luxusschokolade mit diamantbesetzter Verpackung. Als Vorbild oder gar als Gegenbeleg eignet sich dieses Beispiel wohl kaum.
Es ist genauso wenig damit getan, den Daten vorbehaltlos zu huldigen, wie das Sammeln selbiger zu verteufeln. Selbst, wenn der Consumer einen Nutzen von Apps, Networks oder Games hat, rechtfertigt der Zweck noch lange nicht die Mittel. Andererseits: Sollte ich mich abschotten und mir selbst mögliche Vorteile vorenthalten, weil ich einen Service mit meinen privaten Informationen bezahlen muss?
Einen guten Einblick, was für Daten es sich zu lieben lohnt, gibt Martin Weigert bei Netzwertig.com. Zur Hege, Pflege und zum Schutz der eigenen Daten riet hingegen Cornelius Puschmann von der Universität Düsseldorf im letzten Track des Tages**, „The Social Bump“. Unter dem Titel „Social Data: What it Communicates, Who Owns it, and Why You Should Care“ machte er den verbliebenen Next-Zuschauern am Beispiel von Facebook klar: Die Nutzer dieses Unternehmens sind keine Kunden, sondern die Ware.
Wie kann man sich schützen? Der digitale Tarnumhang existiert kaum, außer vielleicht man heißt Lisbeth Salander oder gehört dem Chaos Computer Club an. Insofern bleibt nur eines: Sorgfältig abzuwägen. Nach den eigenen Idealen seine Grenzen abzustimmen. So könnte auch mein Schlusswort zur diesjährigen Konferenz lauten: Abwägen. Wir tun es jetzt schon jeden Tag, den wir im Web unterwegs sind. Wenn die Zukunft auch nur annähernd so aussieht, wie die Post-Privacy-Bewegung sie vorhersagt, dann wird das Ausloten des Für und Wider nur noch wichtiger. Und immer schwieriger.
Zitat des Tages: „If you’ve got the passion, fuck the data.“ (Alyssa Jade McDonald) – Passend dazu Matthias Schraders etwas verwirrende Abschlussworte, wir mögen doch jetzt bitte unsere Daten gehen und jetzt nach Hause gehen und – mit den Daten?? – Sex haben.
Frau des Tages: Sarah Lacy, die großartige Geschichten aus aller Welt zu erzählen weiß
Mann des Tages: Daniel Maslowski, der die Frauen auf den Podien der Next 2011 für kompetenter und überzeugender hält als die Männer.
*Zahlen laut Matthias Schrader
**Fazit dieses Tracks beigesteuert von Kixka Nebraska