"Das Problem der Frauen sind die Männer!" – Sascha Lobo über Frauennetzwerke, Selbstmarketing und Speakerinnen

Montagabend im Betahaus Hamburg: Sascha Lobo ist der Einladung der Otto Group gefolgt und spricht im Co-Working Space in der Schanze über „Die Neue Arbeitswelt“ und wie Konzerne und Freie aus der digitalen Welt erfolgreich zusammenarbeiten können. Am Vormittag hatte der Strategieberater mit den Schwerpunkten Internet und Markenkommunikation den Führungskräften im Konzern erzählt, was zu tun ist; am Abend plauderte er vor 60 Co-Workern und 40 Ottos aus dem Nähkästchen. Sascha warf mehr als ein Dutzend Problem(chen) in der Zusammenarbeit auf und lieferte Lösungsvorschläge.

Sascha Lobo rockt das Betahaus Hamburg. Möglich macht's... Otto. Foto: Sarah Pust
Sascha Lobo rockt das betahaus Hamburg. Möglich macht's ...otto. Foto: Sarah Pust

Zusammengefasst rät er Einzelunternehmern für die Zusammenarbeit mit Konzernen: Professionalisiert und spezialisiert euch, löst Konkurrenzdruck nicht über Preisanpassungen. Dokumentiert und evaluiert eure Projekte, damit in großen Schiffen auch nach Projektende jeder noch weiß, was ihr geleistet habt. Habt immer vor Augen, dass euer Ansprechpartner einem ganzen Heer von Vorgesetzten und Kollegen erklären muss, warum das gut ist, was ihr macht und gebt ihm deshalb handfeste Argumente (auch schon mal vorformuliert). Und: Agiert als selbstbewusste, digitale Botschafter. Frische Ideen sind das größte Asset von Freien. Der Kunde kauft sich damit laut Lobo auch „ein Stückchen Coolness“ ein und fühlt sich optimal und zuverlässig betreut, wenn er „seinen Freien“ gefühlt jederzeit erreichen kann. Daher müssen Grenzen (wie: keine Anrufe am Wochenende) klar und charmant kommuniziert werden. Eine vollständige Auflistung findet ihr bei hasen-farm.de.

 

Sascha Lobo mit den Digital Media Women Sarah Pust und Agnieszka Krzeminska und Sarah Pust (Foto: Digital Media Women Hamburg)
Sascha Lobo mit den Digital Media Women Sarah Pust und Agnieszka Krzeminska und Sarah Pust (Foto: Digital Media Women Hamburg)

Wir haben den Mann, der sich selbst als „feministisch orientiert“ bezeichnet, nach seiner Meinung zu drei unserer Herzensthemen gefragt.

Sascha, was hältst du von Frauennetzwerken, wie den Digital Media Women?
Es ist sinnvoll sich zu vernetzen. Mehr Diversity führt zu weniger Fehleranfälligkeit und ist ein Qualitätsmerkmal. Insofern sind Frauennetzwerke gut. Ich bin übrigens öfters auf eurem Blog, habe ihn über Caros Twitteraccount entdeckt.

Was muss passieren, damit mehr Frauen als Speakerinnen aufgestellt werden?
Dass oft weniger Frauen auf den Bühnen stehen, liegt nicht daran, dass die Männer sie nicht wollen. Den Organisatoren ist es sogar peinlich, wenn weniger als X Prozent Frauen unter den Vortragenden sind. Aber: Es fehlt ein Ansprechkanal, der es den Organisatoren einfach macht, Speakerinnen zu jedem Experten- und Technologiethema zu buchen. Da könntet ihr DigiWomen mal offensiv vorangehen.

Ist mangelnde Vertriebsdenke das Problem bei Frauen?
Das Manko von Frauen sind in erster Linie Männer. Das Problem der Frauen liegt nicht an ihnen selbst, sondern wird oft so gesehen, dass sie sich nicht genügend den Männern anpassen. Hier ist die Frage, ob dies sinnvoll ist oder ob nicht genau die andere Seite angepasst werden sollte. Bestimmte Männlichkeitsrituale sind einfach überflüssig. Aber die meisten Frauen treten in einer Umgebung auf, die männlich dominiert ist. Daher haben Frauen ärgerlich oft Erfolg, wenn sie Männer nachahmen. Das ist ihnen nicht vorzuwerfen, denn in ganz vielen Konzernen, die ich kenne, hat man keine Chance, wenn man nicht männlich agiert. Und zwar noch nicht mal als Mann. Da gibt es sogar Männer, die männlicher tun, als sie sind. Gegen diesen Trugschluss muss man eigentlich gesellschaftlich ankämpfen.

Was können wir ändern?
Was man nicht unterschätzen sollte, ist das Selbstmarketing. Und das Networking – und zwar auch mit Leuten, mit denen man nicht unbedingt ein Bier trinken gehen würde. Das bleibt wichtig. Speziell in der Zusammenarbeit zwischen Konzernen und Kreativen sind die Konzerne in ihren Strukturen immer etwas weniger cool. Daher suchen sie diese Nähe und für Freie entsteht schnell das Gefühl, dass die ganze Person vereinnahmt wird. Aber Konzerne wollen nur einen leichten Glanz der Coolness erhaschen. Hier haben Frauen einen Vorteil, weil sie in den meisten Fällen dieses Spiel wesentlich besser beherrschen. „Was geb ich dir?“ „Wo setze ich die Grenzen?“ „Wo bin ich zugänglich, wo nicht?“ Frauen haben eher ein Händchen für dieses Spiel, benutzen es aber nicht. Wir Selbstständigen müssen alle akzeptieren, dass wir zwar vorne eine Rampensau spielen können, aber dass wir am Ende etwas verkaufen müssen. Wenn man das nicht tut, dann legt man alle Aufträge in die Hände von Fortuna. Oder Freundlichkeit. Oder noch schlimmer: Mitleid. Mit Selbstmarketing gebe ich dem Geld eine Richtung, in die es fließen soll.

Du hältst extrem viele Vorträge – bringt das noch Spaß?
Ja oder jedenfalls bin ich nicht genervt, denn das ist wahnsinnig gut bezahlt. Diese Woche halte ich fünf Vorträge. Vor allem seit meiner Spiegel-Online-Kolumne „Die Mensch-Maschine“ bekomme ich immer mehr Anfragen. Es ist einfach so: Es gibt vielleicht zwanzig Leute in Deutschland, die Vorträge über das Internet oder Social Media halten können, ohne dass es für die Chefs unangenehm wird oder die Richtung des Vortrags unklar ist. Ich bin einer dieser zwanzig und einer der wenigen, die nicht festangestellt sind. Meine vier Tipps, um ein guter Speaker zu werden: Einen eigenen Stil entwickeln, das Publikum lesen „Was wollen und brauchen die jetzt gerade?“, wenn’s gut läuft weitermachen, wenn’s schlecht läuft kürzen. Und: trainieren. Eine gute inhaltliche und technische Vorbereitung gehört auch dazu: Ich habe meine Präsentation immer mehrfach dabei: auf dem Rechner, auf einem Stick, in der Dropbox und auf prezi. Heute war mein Vortrag ziemlich Freestyle, weil ich aus dem Nähkästchen geplaudert habe, was ich sonst nie tun würde. Ich bereite mich immer sehr präzise vor. Und wenn gar nichts mehr geht, dann habe ich immer noch einen Standardvortrag in der Hinterhand, damit ich nicht ganz blank bin.

Wie viel Zeit steckst du in die Vorbereitung?
Einen 45- bis 60-minütigen Vortrag bereite ich zwischen zwei und sechs Stunden vor. Die Vorbereitungszeit hängt sehr von der Branche und dem Vorwissen des Publikums ab. In der Regel bereite ich mich am Tag vorher vor. Weil ich die Vorträge oft kurzfristig mit reinnehme. Oder – um ehrlich zu sein, weil ich vorher keine Lust habe. Außerdem ist die Branche so schnelllebig, dass nichts anderes Sinn macht. Es ist mir sehr wichtig, zu transportieren, dass nicht alles nur Bauchgefühl ist, sondern dass Zahlen und Quellen dahinterstehen. Gemischt mit Anekdoten wird’s unterhaltsam.

Mit deinem Iro bist du sehr gut zu erkennen und inzwischen eine Person des öffentlichen Interesses. Wünschst du dir manchmal, du hättest das Selbstmarketing nicht so auf die Spitze getrieben?
Meine Frisur ist bewusst entstanden, aber nicht strategisch. Ich hab nie gedacht: Ich muss mich auf Kampf selbst vermarkten, sondern habe beobachtet, was funktioniert. Wenn ich mich damit nicht mehr wohlfühle, schlafe ich erstmal eine Nacht drüber, frage mein Umfeld, warte eine Woche und wenn ich mich dann immer noch nicht wohlfühle, dann schneide ich sie ab. Es war schon ein paar Mal soweit, dass ich genervt war, aber andererseits hilft es mir in so vielen Bereichen.

Interview: Agnieszka Krzeminska und Sarah Pust.

Danke an das Betahaus Hamburg, die Otto Group und natürlich Sascha Lobo für diesen inspirierenden Abend – ein echtes Highlight!

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