DJV: Gekommen, um Journalist zu bleiben

Mehr als 120 junge Journalisten, eine Kriegsreporterin, Journalismusprofessoren, Coaches, Blogger und Medienmanager kamen am Samstag und Sonntag nach Hamburg, um in Workshops und Podiumsdiskussionen die Zukunft des Journalismus zu erörtern. Auf dem Gelände des Norddeutschen Rundfunks lud der Deutsche Journalisten-Verband DJV zu einem Event, das irgendwie mit Journalismus, Zukunft, Social Media und crossmedialen Arbeitstechniken zu tun hatte – manchmal war der rote Faden des Events etwas knüdelig. Klar ist: Journalismus und „Was mit Medien“ zu machen, ist und bleibt ein Traumjob. Wie die Abwanderung vieler Journalisten in die PR begrenzt werden kann, wie die Honorare und Einkommen mit frischem Cash Budget für Presseprodukte wieder gepushed werden können und ob man jungen Menschen heute wirklich noch reinen Gewissens empfehlen kann, Journalismus zu studieren (von dem man nicht immer leben, aber mit dem gerade so überleben kann), blieb zwar nebulös. Trotzdem wollen die, die schon Journalisten sind, das auch bleiben. Denn der Job macht süchtig.

Eine erfolgreiche Journalistin braucht Leidenschaft, Neugier und den Willen, den Zeitgeist abzubilden – so der Konsens der Impulsvorträge am Samstag. Wer aber Kriegsreporterin werden will, wie Souad Mekhennet, die für die „New York Times“ und deutsche Nachrichtenmagazine investigativ in Krisengebieten recherchiert, braucht „ein dickes Fell, gute Kontakte, Geduld und etwas Craziness“, wie sie zusammenfasste. Die Deutsche, deren Familie unter anderem aus Marokko stammt, hat Übung darin, Heiratsanträge der Interviewpartner (als zweite oder dritte Ehefrau) auf Arabisch höflich abzulehnen und sich vor Jihad-Kämpfern als Journalistin zu behaupten.

Souad Mekhennet begann ihren Vortrag mit der Frage, wer Interesse habe, Kriegsberichterstattung zu machen und erzählte dann, dass dazu neben dem offensichtlichen Lebensrisiko eben auch schlaflose Nächte auf bettwanzenzerfressenen Matratzen unter Kampfbombergeräuschen und das morgendliche (Kalt-)Wasserschöpfen am Brunnen gehört. Mekhennet wurde bei ihrer Arbeit von Männern mit gezückten Messern verfolgt und als Berichterstatterin bei der ägyptischen Revolution ins Gefängnis gesteckt. Obwohl sie mit vorgehaltener Waffe bedroht wurde, weigerte sie sich, ihre ägyptischen Mitarbeiter zurückzulassen, denn ihr Motto für die Berichterstattung in Krisengebieten lautet: „Wir gehen zusammen rein und wir gehen zusammen raus.“

Das hört sich ganz schön heroisch, was? Stimmt. Bestechend ist: Wenn Souad Mekhennet es erzählt, ist nichts Prahlerisches oder Heldenhaftes daran. Sie ist eine Journalistin, die ihren Job macht, die recherchieren will und dadurch Verantwortung übernimmt, um ihre Leser gut zu informieren. Auf die Frage nach ihrer Motivation für diesen Job erzählte sie, dass der Kampf um Gerechtigkeit in ihrer Familie Tradition hat, schon ihr Großvater setzte sein Leben dafür ein. Und: nach 9/11 fragte eine Amerikanerin sie, warum die Journalisten denn nicht dafür gesorgt hätten, dass die US-Bevölkerung wüsste, wie und wofür sie so gehasst würden.

Mekhennet zeigte so, wie durch Authentizität und Empathie ein authentisches Image entsteht. Eine hervorragende Selbstpräsentation, die auch Cordula Nussbaum im folgenden Workshop zum Thema Selbstmarketing aufgriff. Die Zusammenfassung findet ihr auf meinem Blog. Dr. Steffen Burkhardt, Leiter des International Mulitimedia Center Hamburg und Kommunikationswissenschaftler verglich die Bibel mit Social Media: Er warf die These auf, ähnlich wie Links auf Twitter heute sei die Bibel früher von Mönchen immer wieder kopiert und weiter verbreitet worden. In weiteren Workshops zum multimedialen Arbeiten, Podcasts, Videojournalismus und Presse- und Urheberrecht gaben Experten ihr Wissen in Vorträgen und Übungen weiter.

Samstagnacht feierten die jungen Journalisten auf dem Kiez weiter, mein Lieblingstweet dazu von Richard Gutjahr:

Richard Gutjahr - Partylöwe vom Kiez (Screenshot: twitter.com)
Richard Gutjahr - Partylöwe vom Kiez (Screenshot: twitter.com)

Der DJV-Sonntag endete mit einer – leider – eher zähen Podiumsdiskussion.

DJV-Podium zum Thema "Synergien": Mit Michael Praetorius, Dr. Uwe Vorkötter, Richard Gutjahr, Moderatorin Pauline Tillmann, Ilka Steinhausen, Gerd Roth (von links, Foto: Sarah Pust).
DJV-Podium zum Thema "Synergien": Mit Michael Praetorius, Dr. Uwe Vorkötter, Richard Gutjahr, Moderatorin Pauline Tillmann, Ilka Steinhausen, Gerd Roth (von links, Foto: Sarah Pust).

Mein Exzerpt des Wochenendes zusammengefasst in fünf Thesen:

  1. Journalismus ist unersetzbar. Journalisten arbeiten seriös im Gegensatz zu anderen Veröffentlichern im WWW, bieten verlässliche Quellen und Orientierung sowie Einordnung in der Infoflut.
  2. Journalisten können einfacher überleben, wenn sie zusätzlich zu den journalistischen Kompetenzen (Selbst-)Marketing, Networking und Social Media nutzen.
  3. Die Welt des Publishing steht uns Jungen offen. Wir können auch crossmedial, und wir haben Lust, die neuen Techniken anzuwenden. Kleiner Haken: Jedes Medium erfordert eine neue Bearbeitung des Materials, Zeit und Synergien sind nicht immer vorhanden.
  4. „Was mit Medien“ ist weiterhin ein Traumjob und die Motivation in unserem Beruf ist eben oft intrinsisch basiert. Neben den Brotjobs müssen auch immer mal wieder persönliche Lieblingsprojekte Platz haben, damit Journalismus Spaß macht und der Wille nicht zermürbt.
  5. Nur wer Verantwortung für seine Skills, seine Zeit und seine Leser/User übernimmt, wird happy. Im Zweifelsfall: Fortbildung, Prioritäten setzen, dran bleiben.

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