Amazon Kindle im Alltagstest

Seit über einem Monat nenne ich mittlerweile ein Amazon Kindle in der Basisversion mein Eigen, und nachdem ich am Anfang schon mal „alle Knöpfe gedrückt habe“, obwohl es ja nicht so viele sind, möchte ich nach einiger Zeit der Alltagsnutzung jetzt ein etwas detaillierteres Fazit ziehen.

Ich bin insgesamt immer noch ziemlich begeistert von dem Gerät, auch wenn ich hier und da ein paar kleine Unzulänglichkeiten entdeckt habe, die der Freude insgesamt aber trotzdem keinen Abbruch tun. Die schlimmste Enttäuschung liegt eigentlich auch gar nicht im Kindle selbst, sondern im ebenfalls von Amazon verkauften Zusatzartikel, der Schutzhülle. Die relativ teure Variante lässt nämlich schon so einige Wünsche offen – doch gehen wir der Reihe nach vor:

Begeisternd:

Kindle im Alltag / Foto: Timm Schoof

Das Kindle selbst hat wirklich ein grandioses Display. Sowohl in der prallen Sonne, die in der Hamburger „U-Bahn“ manchmal blendet, als auch das dämmrige Licht, wenn sie doch mal unter Tage fährt, machen keinerlei Probleme. Elektronischer Tinte sei Dank! Es ist beinahe sogar besser als bedrucktes Papier. Auch die Bedienung mit einer Hand funktioniert sehr gut. Das Gerät hat für meine „durchschnittlich großen“ Hände eine gute Größe, es lässt sich bequem mit nur einer Hand halten und wiegt dabei auch nicht schwerer als ein Buch, sondern sogar leichter als so einige Taschenbücher. Es ist auch, egal ob man Links- oder Rechtshänder ist, die Knöpfe zum Umblättern befinden sich nämlich auf beiden Seiten, was ich auch als Rechtshänder extrem praktisch finde.

Größe und auch Gewicht erlauben einem, das Gerät wirklich tagtäglich in der Handtasche (und zwar in so ziemlich jeder!) mitnehmen zu können. Es wiegt wie gesagt weniger als so manches Taschenbuch und ist außerdem kleiner und flacher. Selbst in meiner seltener benutzten, feinen Ausgehtasche findet sich immer noch ein schmaler Platz fürs Kindle, und das ist wirklich großartig. Vom längeren Urlaub, in dem ich nur das Kindle mitnehmen muss und trotzdem eine ganze Bibliothek dabei habe, will ich gar nicht erst träumen!

Kleine Macken

Obwohl es sehr wenig Knöpfe gibt – diejenigen zum Seiten vor- und zurückblättern, ein Steuerkreuz mit Mittelknopf und vier selbsterklärende Icons für „zurück“, „Tastatur“, „Menü“ und „Home“ (und natürlich den Power-Knopf) – war ich sehr leicht zu verwirren: Während ich die Liste meiner Bücher durchgehe beispielsweise, bewege ich mich mit den Steuerkreuz-Pfeilen oben und unten zwischen den Titeln. Wenn das Ende einer Seite erreicht wird, kann ich aber weder einfach weiter runter drücken, noch mit rechts vorwärtskommen, nein, ich muss dafür die Umblätter-Funktionstaste benutzen, denn Steuerkreuz-rechts öffnet ein Optionen-Menü. Warum man das nicht einfach auf den Menü-Knopf gelegt hat? Fragt nicht mich, aber so muss man in liegender Position leider wieder die komplette Hand bewegen, die Blättertasten und die übrigen Bedienelemente zu weit auseinanderliegen. Das klingt jetzt sicher irgendwie lächerlich, doch wenn ich im Bett auf den Ellenbogen gestützt liege, ist es ziemlich unbequem, die Hand wieder so weit bewegen zu müssen.

Ein weiterer Punkt sind die Fußnoten: Wenn man Bücher mit vielen Fußnoten hat, zum Beispiel Fachbücher oder auch nur den ein oder anderen Roman von Terry Pratchett, ist man ziemlich schnell genervt davon, die Fußnoten mit dem Steuerkreuz (Cursor) anwählen zu müssen. Man findet zwar schnell den Trick heraus, dass man einfach einmal nach oben drückt und dann am Ende derselben (und nicht der vorherigen) Seite landet oder nach links um an das Ende der letzten Zeile zu kommen statt am Anfang der ersten zu bleiben, aber das nützt auch alles nicht so viel wenn die Fußnote in der Mitte sitzt. Auch das doppelte Bestätigen, dass man wirklich, wirklich zur Auflösung der Fußnote springen will, finde ich lästig. Dass man mit dem Cursor einfach Worte auswählen kann und sich Begriffserklärungen (bzw. bei fremdsprachigen Büchern auch Übersetzungen) anzeigen lassen kann ist ja ein tolles Feature. Aber wenn auf einer Seite verlinkte Fußnoten auftauchen, ist es dann nicht wahrscheinlicher, dass ich diese lesen möchte, statt irgendeines von all den anderen Wörtern nachzuschlagen? Ein kurzer Austausch, welche Funktion die primäre ist und schon wäre ich sehr glücklich.

Und dann wäre da noch die Weiterempfehlungs-Funktion. Man kann schöne Textpassagen im digitalen Buch markieren, das geht auch relativ gut mit der Cursor-Auswahl. Sobald man fertig markiert hat, kann man auswählen, ob man die Markierung nur Speichern, oder auch weiterempfehlen will. Ich hab’s bisher nur einmal ausprobiert, aber die Markierung empfehlen zu wollen führte mich nur zu einer Fehlerseite, die mir sagte, dass dies nicht möglich sei. Ohne Begründung übrigens. Da stellt sich mir doch die Frage: warum? Warum baut man so eine Funktion ein, obwohl ganz gewöhnliche eBooks scheinbar Probleme damit haben? Und wenn es doch irgendwie an diesem speziellen eBook lag und kein allgemeiner Fehler war: Warum gibt man dem Nutzer nicht einen kleinen Hinweis, woran es liegt? Zum Beispiel „Keine Internetverbindung vorhanden“ wenn diese benötigt würde (was ich bei mir übrigens ausschließen konnte).

Fazit

In der alltäglichen Anwendung sind diese Kleinigkeiten von Buchauswahl oder Fußnoten-Anwahl jedoch nur geringfügig zu bemerken. In der Regel liest es sich mit dem Gerät schließlich sehr flüssig, sodass einem die Vielzahl an Text, die man aufnimmt, kaum noch bewusst ist, was einfach großartig ist. Ich möchte das Gerät am liebsten kaum noch aus der Hand legen und lese deshalb im Moment noch viel mehr als sonst schon.

Kaufberatung gefällig?

Kindle Touch, Keyboard, 3G oder doch nur Basisversion mit WLAN?

Kindle im Außeneinsatz / Foto: Taalke Renken

Vor lauter Kindle-Versionen könnte man schon beinahe den Überblick verlieren. Dabei muss man sich nur ein paar ganz einfache Fragen stellen: Wie oft bin ich außerhalb eines mir zugänglichen WLANs unterwegs und will gleichzeitig unbedingt ein Buch kaufen, was nicht so lange warten kann, bis ich wieder in WLAN-Reichweite bin? Damit wäre die Frage zwischen 3G oder WLAN schon mal beantwortet. Meiner persönlichen Meinung nach brauchen nur Menschen ohne heimischen Internetanschluss überhaupt eine Variante mit 3G.
Wer seine Bücher nicht einfach nur liest, sondern auch damit arbeitet in Form von vielen Anmerkungen oder als Lehrmittel zur Weiterbildung könnte über die Touch-Version nachdenken. Wie erwähnt ist die Cursor-Anwahl auf Dauer doch recht umständlich, jedenfalls, sofern man sie öfter braucht. Auch die Tastatur ist auf dem Kindle Touch als gewohnte Touch-Tastatur einblendbar und damit schon deutlich bequemer als die Variante in der Basisversion. Bequemer ist dagegen nur noch das Kindle Keyboard, ein Gerät mit einer richtigen Tastatur. Dieses ist dafür bisher ausschließlich mit englischer Menüführung verfügbar. Beide Varianten sind ein bisschen größer und schwerer als die Basisversion, dafür haben sie aber auch eine noch längere Akkulaufzeit sowie doppelt so viel Speicherplatz und unterstützen zusätzlich noch Audiowiedergabe. Diese Features sind sicherlich nice-to-have, aber sofern man wie ich wirklich einfach nur gerne und viel Bücher liest, sind sie doch außer Acht zu lassen.

Warum kein iPad oder anderes Tablet?

Neben der Preisfrage, denn das aktuelle Kindle ist natürlich schon viel günstiger zu haben als das aktuelle iPad, spielen auch andere Faktoren eine Rolle. Die Akkulaufzeit eines iPads beträgt je nach Nutzung einige Tage – das Kindle musste ich bei meinen Lesegewohnheiten (viel) nach anderthalb Monaten zum ersten Mal aufladen. Auch Gewicht und Größe sind relevant: Schon mal versucht das iPad eine halbe Stunde lang nur mit Daumen und Zeigefinger vors Gesicht zu halten? Dazu kommt die unterschiedliche Art der Displays. Tablets haben LCD-Displays. Um weiß als Hintergrund darzustellen, „leuchtet“ das Display also (genau wie sonstige Monitore auch). Der Kindle setzt, genau wie andere eBook-Reader ebenfalls, auf E-Ink Displays. Hier wird versucht, das Aussehen von Tinte auf Papier zu imitieren, das heißt, der Hintergrund ist nicht leuchtend und das Display damit für die Augen weniger ermüdend. Außerdem gibt es so gut wie keine Reflexionen, starke Sonneneinstrahlung stört genauso wenig wie eine künstliche Lichtquelle direkt über dem Display. Und zu guter Letzt sehen E-Ink Darstellungen aus jeder Perspektive gleich aus: Egal ob jemand schief von der Seite darauf blickt oder frontal, nichts verzerrt sich.

Zubehör

Das Kindle kommt vom Werk nur als Gerät mit USB-Kabel. Deshalb wird zum Kauf auch direkt das USB-Netzteil angeboten, das als Adapter zur normalen Steckdose funktioniert. Wer so einen Adapter bereits vom Handy o.ä. besitzt, kann sowieso getrost auf den Kauf verzichten, aber auch, wer oft genug in der Nähe eines eingeschalteten Computers sitzt, ist nicht wirklich auf das Netzteil angewiesen.

Amazon Lederhülle in Lila / Foto: Taalke Renken

Schutzhüllen gibt es sowohl von Amazon als auch von Drittanbietern. Wenn man eine kauft, ist erst mal das Wichtigste, darauf zu achten dass es das Passende zur Kindle-Version ist, denn wie oben beschrieben haben die drei derzeit in Deutschland verfügbaren Geräte alle verschiedene Maße, ergo passt nicht jedes Deckelchen auf jedes Töpfchen. Ich selbst habe mir zum Basis-Kindle die direkt von Amazon angebotene Lederhülle (ohne Leselampe) gegönnt, da mir die Optik deutlich besser gefällt und mir auch die Handhabung praktischer erscheint als beim günstigeren Zip-Sleeve. Diese Hülle würde ich zu diesem Preis nicht wirklich weiterempfehlen. Die Optik ist zwar nett, aber im Prinzip war’s das auch schon mit den Vorzügen. Es gibt keinerlei Verschluss – was dem Sinn, nämlich das Display zu schützen – vollkommen entgegen wirkt, sobald sich das Gerät in meiner mittelgroßen Handtasche befindet: Es klappt sofort auf. Das Display ist allen Schlüsseln und Kugelschreibern direkt ausgesetzt. Tja, Pech gehabt. Ich selbst habe mir mit einer optisch nicht mehr schönen, dafür aber sehr praktischen DIY-Lösung in Form eines Gummizugbandes geholfen und die Hülle gefixt. Wer wie ich Gründe hat, das Display schützen zu müssen, dem empfehle ich definitiv ein anderes Produkt als die Lederhülle von Amazon zu kaufen. Der nicht so meinem Geschmack entsprechende Zip-Sleeve hätte diese Aufgabe jedenfalls definitiv besser gelöst. Eine breite Auswahl an günstigen und verschiedenen Geschmäckern entsprechenden Hüllen gibt es – natürlich – auf amazon.de.

Extra-Tipps

Inhalte, die nicht bei Amazon gekauft wurden

Bei zahlreichen Quellen im Internet gibt es eine Menge kostenloser und DRM-freier eBooks. Außerdem kann man auch eBooks in anderen Stores als bei Amazon kaufen. Aber wie kriegt man sie aufs Kindle? Dafür gibt es gleich mehrere Lösungen:

  • Man kann entweder ganz einfach die Dokumente per Email an den Kindle senden, dafür bekommt jedes Gerät standardmäßig eine eigene E-Mail-Adresse. Das funktioniert aber natürlich nur mit entsprechenden Dateiformaten (zum Beispiel aus Word, in HTML oder als PDF). Außerdem muss die Absenderadresse vorher bei amazon.de im Kindle-Konto eingetragen werden, da nur Mails von erlaubten Absendern wirklich beim Kindle ankommen. Mails können bei WLAN-Modellen natürlich nur abgerufen werden, wenn das Kindle sich auch in einem ihm bekannten WLAN befindet.
  • Über USB kann man seine Dokumente ganz einfach übertragen. Genauso, wie man sich das vorstellt. Kabel in den Kindle und das andere Ende in den USB-Slot, das Gerät dabei aber ausgeschaltet lassen. Während es im Hintergrund den Akku lädt, wird das Kindle dann wie ein USB-Stick erkannt und man kann die Dokumente darauf schieben. Das klappt aber natürlich auch nur mit unterstützten Dateiformaten.
  • Extra Software, zum Beispiel die Freeware „Calibre“ (für alle Betriebssysteme). Diese Software erlaubt neben der Bibliotheksverwaltung auch, die Metadaten der Bücher zu anzupassen Cover hinzuzufügen und Ähnliches, und vor allem kann sie auch Bücher der verschiedenen eBook-Formate in das kindle-gerechte .MOBI-Format konvertieren, was automatisch geschieht, wenn man andere Formate an das per USB angeschlossene und erkannte Kindle schicken möchte. Schön ist auch, dass direkt ersichtlich ist, welche Dokumente nur auf der eigenen Festplatte, welche auf dem Kindle und welche an beiden Orten liegen.

Read it Later?

Instapaper-Artikelübersicht eines Tages / Foto: Timm Schoof

Für Nutzer von Instapaper gibt es zwar keine offizielle Kindle-Unterstützung, aber einen ganz guten Workaround: Bis zu einmal täglich wird eine Sammlung der noch zu lesenden Artikel in Form eines PDFs an das eigene Kindle sendet. Für diejenigen, die gerne auf einem guten Display und nicht nur auf dem Smartphone ihre Leseliste minimieren wollen, ist das eine ziemlich tolle Lösung, obwohl es nur ein „Hack“ ist und nichts vonseiten Amazons supportet wird. Wer sich den Service einrichten will, muss sich nur bei Instapaper einloggen und hier seine Kindle-Mailadresse eintragen und kann noch ein paar Einstellungen vornehmen. Und natürlich nicht vergessen, die von Instapaper generierte E-Mail-Adresse als verifizierten Absender zum Kindle-Konto hinzuzufügen. Der Workarond funktioniert bei mir übrigens vollkommen zuverlässig.

Auch für Readability-Nutzer gibt es die Möglichkeit, die Artikel per Email an den eigenen Kindle zu schicken, dafür gibt es sogar ein eigenes Bookmarklet. Da ich diesen Service nicht benutzt habe, kann ich leider nichts über die Qualität der erstellen Dokumente erzählen.

tl;dr

Der Kindle in der Basisversion ist bis auf wenige Kleinigkeiten ein Gerät, dass mir wirklich gut gefällt und andere Versionen sind für den Otto-normal-Benutzer übertrieben. Die Lederhülle von Amazon ist nicht zu empfehlen und Instapaper- sowie Readability-Nutzer finden einen nützlichen Tipp im letzten Absatz beschrieben.

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