Die Social Media Week hielt vielfältigste tolle Events und beeindruckende Speaker bereit – mein persönliches erstes Highlight war dann auch gleich am Montag das Panel zum Netzgemüse und zum Umgang mit dem Internet im Familienalltag. Auf dem Podium fanden sich Johnny und Tanja Haeusler, Sarah Pust und Ingo Kriebisch unter Moderation von Sanja Stankovic ein, um eine unterhaltsame, lehrreiche und bemerkenswerte Stunde zu gestalten.
Auch ohne eigenes Netzgemüse oder Pläne zum Anbau eines eben solchen war diese Veranstaltung eine unbestreitbar wertvolle. Es ist zu kurzsichtig, sich mit diesem Thema nur auseinander zu setzen, wenn man selbst Kinder hat, denn eigentlich wird jeder von uns damit konfrontiert: durch den Nachwuchs von Geschwistern, Freunden, Nachbarn, Bekannten, Kollegen. Durch Freunde, die Rat suchen, sich austauschen wollen. Durch Situationen, in denen einfach Kinder anwesend sind. Vielleicht nicht schon jetzt und sicher nicht so konstant wie im Fall eigener Kinder, aber das Thema berührt uns alle. Es ist wichtig, zu sehen, dass es hierbei um gesamtgesellschaftliche Fragen geht, um die Rolle von Kindern, um die Zukunft – und nicht nur um die Technik selbst.
Familie + Internet = schwierig
Dass die Integration des Internets in den Familienalltag und des Digitalen ins Familienleben nicht immer einfach ist – auch für sehr digitalaffine Eltern wie Johnny und Tanja Haeusler – wurde schnell deutlich. Es ist kompliziert. Es gibt zahlreiche Herausforderungen. Immer wieder, immer neue. Und ja, es gibt Probleme. Aber es gibt auch eine ganze Menge Chancen, Potentiale, großartige Aspekte. Und wir müssen uns beiden Seiten stellen.
In der hiesigen Debatte steht vor allem die Angst im Vordergrund, nicht die Begeisterung, wie Tanja Haeusler kritisch und sehr treffend bemerkte. Auch wenn uns digital-affinen Menschen das nicht so vorkommt: Das Internet ist noch ziemlich neu, hat dennoch aber natürlich schon jetzt eine riesige Bedeutung und einen enormen Stellenwert. Grundsätzlich ist eine gewisse Angst und Unsicherheit bei so bedeutenden Veränderungen, wie sie das Internet mit sich bringt, wohl weder erstaunlich noch unerwartbar, sondern an sich sogar verständlich.
Augen auf und durch?
Dennoch müssen wir sowohl mit den Veränderungen als auch mit der Angst umgehen: Blockieren und Horrorszenarien bringen niemanden weiter, im Gegenteil. Sich der Notwendigkeit einer Beschäftigung mit digitalen Entwicklungen zu verstellen, mag vielleicht auf den ersten Blick als die einfachste Lösung erscheinen – dennoch ist sie alles andere als das, hier schlummern viel eher die Gefahren.
Das Internet wird nicht einfach wieder weg gehen. Es ist hier und die Gesellschaft muss sich damit befassen – und bitte nicht nur mit Schattenseiten. Wer sich dem schlicht entzieht – beispielsweise mit Argumentationen wie jener der digitalen Demenz – übersieht, dass die bequemste Lösung nur selten das beste Ergebnis bringt. Sich völlig zu verweigern wird zum Nachteil des Kindes sein, da man es allein lässt. Und dann entdecken sie das Internet halt allein. Das war früher ja auch nicht völlig anders: Wer hat nicht als Kind mal Filme bei Freunden gesehen, die zu Hause nicht erlaubt waren?
Wenn die Beschäftigung mit allem Digitalen völlig verweigert wird, kommt mir das immer so ein bisschen vor wie diese Logik der Kleinsten beim Versteckspielen: Sie halten sich die Augen zu, denn wenn sie den Suchenden nicht sehen, kann er sie auch nicht finden. Der Vergleich mag leicht schief sein, aber fest steht: Nur, weil ich die Augen verschließe, wird das Internet nicht verschwinden, an mir vorüber gehen und ohne Einfluss auf mich und uns alle bleiben.
Das Internet ist quasi ein neuer Lebensraum – mit bedeutsamen Chancen und ja, auch Gefahren. Kinder auf ihrer digitalen Entdeckungsreise zu begleiten, genauso wichtig wie in allen anderen Bereichen des Erziehungslebens auch.
Der kompetente Umgang mit dem Internet wird in Zukunft immer wichtiger sein. Nur, wer sein Kind darin unterstützt, eröffnet ihm die vielen Chancen, die das bietet, statt sie ihm zu nehmen. Wer das Internet sinnvoll in den Familienalltag integriert, stärkt die Medienkompetenz der Kinder, hilft ihnen, es verantwortlich und zu ihrem Vorteil zu nutzen, Gefahren zu erkennen, unsichere Quellen identifizieren zu können und und und.
Statt ihnen Angst zu machen, sollte ein Bewusstsein geschaffen und vor allem geredet werden. Viel geredet werden. Sorgfalt und Reflektion sind wichtig, und vor allem auch Verständnis und Vertrauen. Kinder brauchen wie bei anderen Themen auch einen Ansprechpartner, an den sie sich wenden können – und der sie nicht bei digitalen Problemen bestraft, weil sie doch das Internet nicht nutzen dürfen. Der weiß, dass Kinder Fehler machen (wer nicht?) und dann jemanden brauchen, der Verständnis zeigt und natürlich auch Probleme anspricht.
„Ich zeig dir das, Mama!“
Dabei können Eltern durchaus auch von ihren Kindern lernen, wie im Panel deutlich wurde: Kinder sind oft erstaunlich entspannt und positiv, nehmen ganz andere als die von den Erwachsenen erwartete Perspektive ein. So erzählte Johnny Haeusler von einer Situation, in der sein Sohn über YouTube-Kommentare beschimpft wurde – während er sich große Sorgen machte, tat sein Sohn das locker ab, weil es eben ja nur typische YouTube-Kommentare seien, kein Grund zur Aufregung also.
Neben einem Bewusstsein für mögliche Herausforderungen gilt es vor allem, über das Positive zu sprechen, dessen Wahrnehmung zu stärken und uns vor Augen zu führen, was und wie wir mit und durch das Internet alles lernen können.
Wir sollten Kinder unterstützen, ihnen die vielfältigen Chancen für die Entdeckung interessanter Inhalte, für Bildung, für Unterhaltung und und und nicht verweigern. Niemand sagt, dass sie nur noch online spielen sollen. Aber Kinder müssen sich immer ausprobieren. Den Eltern müssen die Vorteile klar werden – erst, wenn sie selbst die Nützlichkeit von Funktionen und Tools erkennen, werden sie auch erkennen, welche Potenziale bestehen und welche negativen Effekte, wenn sie ihre Kinder künstlich fern halten (wobei sowieso fraglich ist, ob das funktioniert).
Tipps, Tipps, Tipps
Es gilt, auch mal unvoreingenommen Situationen zu betrachten: Wenn die Familie am Frühstückstisch sitzt und die Erwachsenen die Zeitung lesen, ihre Kinder aber zum Smartphone greifen, dann bedeutet das nicht automatisch, dass sie daddeln. Manchmal lesen sie auch selbst einfach Nachrichten – aber halt online (true story!).
Wir Digital-affinen sollten auch versuchen, Verständnis für Angst und Skepsis anderer zu zeigen, die vielleicht (beruflich) weniger in diesem Bereich unterwegs sind. Es ist nötig, Eltern mit weniger Interneterfahrung zu unterstützen, ihnen zu helfen, auch selbst Medienkompetenz aufzubauen. Und natürlich kommt auch der Schule eine große Verantwortung zu, was die Förderung eben jener angeht. Es muss auch und vor allem dort klar werden, dass sich Medienkompetenz nicht automatisch ergibt, wenn Technik öffentlichkeitswirksam bereit gestellt wird, sondern dass es um den Umgang damit geht. Nein, damit meine ich nicht die im Panel angesprochenen Excel-Seminare, die als Medienpädagogik verkauft werden. Es geht darum, was dahinter steht. Es geht um Fähigkeiten, um die Art der Nutzung, um Reflektion.
Wie in anderen Bereichen der Erziehung und des (Familien-)Lebens auch gilt es, zu vermitteln, wie Kinder sich bestmöglich vor Gefahren schützen, aber auch Potentiale einschätzen und nutzen können. Denn die (digitale) Welt da draußen bietet eben auch enorme Bereicherungen. Wir müssen Kinder viel mehr loben und feiern, wenn sie sich mit Technik eigenständig und kompetent auseinander setzen, wenn sie das Internet kreativ auf erstaunliche Weise nutzen und sich dadurch weiter entwickeln. Wir müssen die Begeisterung vor die Angst stellen, ohne diese zu vergessen. Wir müssen die Freude an den schönen Seiten des Internets erleben – am besten gemeinsam, klar.
Samstagnacht ist Kückendisko
Ein Tipp zum Anfang? Gemeinsames Spotify-Hören in der Familie (jeder steuert einen Titel zur Playlist bei), das ist laut Johnny und Tanja Haeusler sehr unterhaltsam. Das Internet selbstverständlich dabei sein lassen, aber trotzdem klare Familienregeln einführen. Offen sein, Verständnis zeigen. Und: kommunizieren, kommunizieren, kommunizieren. Ein guter Anfang ist es wohl auch, das Buch zum Netzgemüse mal zu lesen, das sich vor allem auch für Internetskeptiker sehr empfiehlt.
Ich persönlich bin froh, an diesem lehrreichen Panel teilgenommen zu haben. Ein großes Dankeschön an die Teilnehmer Johnny und Tanja Haeusler, die extra aus Berlin angereist sind, an Sarah Pust und Ingo Kriebisch – und natürlich auch an Sanja für die großartige Organisation des Panels und die charmante Moderation. Wer mehr zum Thema erfahren möchte, der sei auch auf Jormasons Podcast und Sarahs Blogbeitrag zur Medienkompetenz verwiesen.