Wikipedia ist ein Gemeinschaftsprojekt zum Aufbau einer Enzyklopädie und ist zu nichts Geringerem angetreten, als das Wissen zu revolutionieren. Die Grundidee ist klar: Das Wissen der Menschheit zu sammeln und zu teilen. Die Ergebnisse schätzen wir alle. Und bei niemandem, der regelmäßig das Internet nutzt, vergeht wohl ein Tag ohne Wikipedia-Recherche. Allerdings sind die meisten Nutzer passiv, lesen also nur.
Insgesamt arbeiten an der deutschsprachigen Wikipedia, die mit 1,6 Millionen Artikeln die drittgrößte weltweit ist, rund 6.000 Autorinnen und Autoren regelmäßig aktiv mit. Und davon sind nur etwa zehn Prozent weiblich. Das reicht uns nicht.
Deshalb kooperieren wir als Digital Media Women mit dem „Women edit“-Projekt von Wikimedia Deutschland und wollen mehr Frauen motivieren, ihr Wissen und ihre Perspektiven in Wikipedia zu teilen.
Aus diesem Grund waren Ende November etwa 20 Digital Media Women aus dem Berliner Quartier zu einem Workshop bei Wikimedia Deutschland zu Besuch. Den Workshop leitete Silvia Stieneker, die bei Wikimedia Deutschland für das Projekt „Women edit“ verantwortlich ist.
Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.
Silvia, nur zehn Prozent der aktiven Wikipedianer sind weiblich. Warum ist das so?
Das Engagement in Wikipedia kann ein sehr zeitintensives Hobby werden. Man kann zwar auch durch kleinere Bearbeitungen viel beitragen und verbessern, aber je tiefer man einsteigt, desto mehr Zeit muss man investieren, um Diskussionen und Themen zu verfolgen. Leider haben Frauen immer noch weniger Freizeit als Männer. Außerdem – und das ist meine persönliche These – unterschätzen sich Frauen selbst und machen ihr eigenes Wissen klein. Also denken sie, sie haben nichts beizutragen und haben auch eine größere Hemmschwelle, sich zu exponieren.
Als weiterer Grund wird außerdem manchmal noch die technische Hürde angeführt, in Wikipedia zu editieren. Das Ganze könnte zwar einfacher sein, stellt aber in meiner Beobachtung für Frauen keine Hürde dar.
Wikipedia ist ja auch berühmt-berüchtigt für seine Diskussions- und Löschkultur. Was kannst du dazu sagen?
Häufig wird der harsche Ton bei Diskussionen um Neueinträge und Veränderungen kritisiert. Tatsächlich haben ja auch einige Frauen in unserem gemeinsamen Workshop schlechte Erfahrungen gemacht und sind deshalb bei der aktiven Mitarbeit eher zurückhaltend. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass bösartige Angriffe und Diskussionen nicht in der Mehrheit sind. Prinzipiell soll ja gestritten werden, aber persönliche Angriffe dürfen nicht sein und werden auch geahndet. Heftige Diskussionen finden vor allem zu gesellschaftspolitischen Themen und Religion statt. Und ja, teilweise gibt es auch kritikwürdige Standpunkte und Angriffe, z.B. bei feministischen Themen, aber das sind Außenseiterpositionen.
Warum ist euch Diversität so wichtig?
Wir wollen mehr Frauen, aber auch beispielsweise ältere Menschen oder Menschen mit Migrationshintergrund als aktive Schreiber_innen haben, weil uns sonst das Wissen und ihre Perspektiven flöten gehen. Es braucht Diversität, um die Enzyklopädie zu erhalten und zu verbessern.
Wie kann man denn beitragen und was muss man dafür können?
Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Klassisch ist wohl das Schreiben, Ergänzen und Aktualisieren von Artikeln. Auch beim Korrigieren braucht die Community Unterstützung. Aber Wikipedia braucht auch Menschen, die fotografieren und – ganz wichtig – diskutieren. Über so gut wie alle Entscheidungen werden Meinungsbilder erstellt und da ist es maßgeblich, dass möglichst viele Perspektiven mit eingebracht werden. Übrigens wird Wikipedia nicht von den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wikimedia Deutschlands redaktionell erstellt, sondern von einer Freiwilligen-Community. Wikipedia kann jeder und jede mitgestalten. Ich finde, dass die Digital Media Women besonders prädestiniert sind an Wikipedia mitzuarbeiten, da viele von euch ja schon aus ihrem beruflichen Umfeld die Fähigkeit zu kommunizieren und diskutieren mitbringen.
Was sind die fünf wichtigsten Punkte, die man beachten muss, wenn man in Wikipedia mitschreiben möchte?
1) Am Anfang ist es wichtig die Regeln zu lernen! Relevanzkriterien, neutraler Standpunkt, Belegbarkeit etc.
2) Man sollte zumindest am Anfang nichts machen, wo man einen eigenen Interessenkonflikt hat, wenn man beispielsweise für den eigenen Arbeitgeber schreibt. Wenn das doch sein muss, dann seine Position offen zugeben. Vielleicht sollte man dann noch separat ein privates Konto führen.
3) Und ganz wichtig: in Wikipedia hat jede und jeder das Recht auf Anonymität, Wikipedianer werden nicht geoutet.
4) Neutral und verständlich schreiben. Wikipedia ist für Laien und kein Fachlexikon. Außerdem auch keine Werbeplattform, deshalb bitte auch kein Marketingsprech verwenden und alles über Sekundärquellen belegen.
5) Die Urheberrechte beachten. Fotos oder Texte dürfen nicht kopiert werden, auch nicht von der eigenen Website.
Wenn man an einem Workshop bei euch teilgenommen hat, wie geht es dann weiter?
Wer Online-Hilfe beim Artikel schreiben sucht, kann sich an das Mentorenprogramm wenden, dort bieten sehr erfahrene Wikipedianer ihre Unterstützung an und können zum Beispiel eure Artikel vor dem Veröffentlichen gegenlesen. Eine tolle Möglichkeit, gemeinsam mit anderen zu schreiben ist das Offene Editieren, das regelmäßig in der Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland angeboten wird – einfach mal vorbei kommen und die „alten Hasen“ (zu erkennen an rosa Plüsch-Ohren am Laptop) mit Fragen löchern. Außerdem bieten wir in Berlin und demnächst auch in anderen Städten regelmäßige „Women edit“-Treffen für alle Frauen mit Interesse an Wikipedia an, dazu sind die Digital Media Women natürlich immer herzlich eingeladen!
Danke, Silvia für den interessanten Workshop und das Interview.
Und übrigens, das Projekt Wikipedia ist komplett spendenfinanziert. Wer also mal etwas zurück geben will für den täglichen kostenlosen Zugriff auf das Weltwissen kann das hier tun.