#DMWkaffee mit Heidi Schiller über Plan C wie Crowdfunding

Heidi Schiller (rechts) und Maren Martschenko (Foto: privat)
Heidi Schiller (rechts) und Maren Martschenko (Foto: privat)

In der Reihe #DMWKaffee mit … gehen Autorinnen dieses Blogs mit spannenden Frauen aus der Digitalbranche einen Kaffee trinken. Für diese Folge hat sich Maren Martschenko aus dem Münchner Quartier mit Social Entrepreneurin Heidi Schiller auf einen Kaffee verabredet. Derzeit läuft ihre Crowdfunding Kampagne #sentypha, deren Ziel es ist, Typha, ein Schilfrohr aus Afrika, als Ökobaustoff zu ernten und auf den Markt zu bringen. Das würde Arbeitsplätze vor Ort und damit eine Alternative zur Flucht nach Europa schaffen. Wir sprechen darüber, welche Chancen und Herausforderungen sich beim Crowdfunding ergeben.

#DMW: Vor fast 10 Jahren hast du KAITO gegründet, ein Solarunternehmen im Senegal. Wie habt ihr euch damals finanziert?

Heidi: Über Aktionäre, rein aus dem Eigenkapital, mit 100% Verlustrisiko. Da machen nur Leute mit, die wirklich daran glauben. Dazu zählten eines der heute etabliertesten Solarunternehmen und ein Münchner Bauunternehmer, der über einen Zeitungsartikel zu uns gekommen ist. Dann hatten wir ein paar Leute aus dem „family and friends“-Umfeld, und wir selber natürlich.

#DMW: Bei eurem neuen Projekt SENtypha habt ihr euch für eine Finanzierung über Crowdfunding entschieden. Warum? Warum nicht der gleiche Weg wie damals?

Heidi: Wir haben die letzten zwei Jahre diesen Baustoff mitentwickelt. Das wurde finanziert aus Entwicklungshilfegeldern. Innerhalb dieses Projektes haben wir herausgefunden, das hat super Potential, da freuen sich alle. Nun stellen sich alle die Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Ich habe einfach keine Lust darauf zu warten, bis sich der Ozeandampfer „staatliche Entwicklungshilfe“ bewegt. Da bewege ich mich lieber selbst. Für die Gründung einer Firma ist es aber definitiv zu früh. Wir sprächen hier von drei bis fünf Millionen Euro Investitionssumme. Das möchte ich nicht mehr ohne Netz und doppelten Boden machen.

Deswegen möchte ich in einem ersten Schritt diesen Plan, wie so was funktionieren kann, über Crowdfunding finanzieren. Die Idee wird ganz gut geteilt, das finden eigentlich alle klasse. „He, na klar, Schilf, das kann was werden, coole Idee, da mach ich mit“, ist die Rückmeldung von denen, die im Crowdfunding jetzt schon dabei sind. Meine lieben „early birds“ – hoch leben sie!

#DMW: Crowdfunding ist eine digitale Form der Finanzierung. Was siehst du die Chancen im Vergleich zur klassischen Finanzierung über Banken zum Beispiel?

Heidi: Der große Unterschied ist, keine Bankgespräche mit einer einzigen Person zu haben, die über „hop oder drop“ entscheidet. Im Digitalen gibst du deine Idee in einen breiten Raum und dann kann jeder einzelne User entscheiden, ob das etwas für ihn ist oder nicht. Diese Kommunikation ist auch viel einfacher. Du brauchst keinen Termin bei einer Bank. Mit den richtigen Hashtags und Accounts, die man bei Twitter zitiert, experimentiere ich jetzt frisch und fröhlich und ziemlich frech durch die Gegend, um Leute auf mich und meine Kampagne aufmerksam zu machen.

#DMW: Wo siehst du die größte Herausforderung im Vergleich zu den anderen Wegen, die du bisher beschritten hast?

Heidi: Wir sind ein klassisches B2B-Unternehmen, schon immer gewesen. Crowdfunding ist ganz häufig ein B2C-Thema, z.B. ich finanziere ein Buch oder einen Film vor, den ich hinterher auf Video kriege. Das Schwierigste ist zu vermitteln, was unser Produkt ist. Dankeschöns wie eine schöne CD oder ein Sprachlernbuch für den Senegal allein rocken nicht die Kampagne. Es hat ein bisschen Hirnschmalz gekostet, wie wir das hinkriegen, Privatleute in einem B2B-Umfeld anzusprechen und klar zu machen, warum wir sie dafür brauchen.

#DMW: Ein Ernteplan für den Ökobaustoff Typha ist extrem erklärungsbedürftig. Nehmen wir zum Beispiel Franziska von Hardenberg von Bloomy Days, die vor ein paar Jahren über Crowdfunding sehr erfolgreich ihr Startup finanzierte. Sie hatte innerhalb von 93 Minuten 100.000 Euro. Auf die Frage, warum das so erfolgreich war, hat sie gesagt: „Naja, die Idee war so einfach zu verstehen – Blumen, Abo, Online.“ Und was sind eure drei Stichwörter?

Heidi: Ernten, trocknen, bauen.

#DMW: Das ist ein völlig unbekanntes Feld für die meisten Leute. Das macht es doch sicher schwierig, oder?

Typha als Ökobaustoff (Foto: HeidiSchiller)
Typha als Ökobaustoff (Foto: HeidiSchiller)

Heidi: Es ist vor allen Dingen weit weg und nichts, was ich hinterher nach Hause hole. Nicht jeder baut hier jetzt ein Haus aus Strohplatten.

Aber mit dem Begriff Entwicklungshilfe kann jeder etwas anfangen. Wir hatten jetzt eine Debatte über Fluchtursachen bekämpfen. Gib den Leuten einen Job, das ist ein Grund weniger zu fliehen. Unser Projekt ist eine Chance dafür. Die Tweets in die Richtung laufen gerade ganz gut, das kann man also gut verstärken.

Wenn wir jetzt die Menschen dazu kriegen, unsere Kritik an der klassischen Entwicklungshilfe nachzuvollziehen und sich dem anzuschließen, dann sind wir wieder in dem Bereich, in dem Privatpersonen etwas damit anfangen können. Wenn jeder einzelne einen Beitrag leisten kann, dass Amadu einen Job bekommt, oder Maimula eine Ausbildung – das kriegt man vermittelt.

#DMW: Warum habt ihr euch für Startnext entschieden und nicht für eine der anderen Plattformen wie Kickstarter, Indiegogo oder VisionBakery?

Heidi: Kickstarter war uns in dem Moment, wo wir uns entschieden haben, ein bisschen zu techniklastig. Ob ich das im nächsten Schritt wieder so sagen würde, bin ich mir gar nicht so sicher. Bei Startnext war ausschlaggebend, dass die viel Social Business und eine Umweltkategorie dabei hatten. Die Kombi passt einfach. Auch im Crowdfunding steht und fällt noch viel mit Menschen. Markus Sauerhammer ist ein toller Typ, der alle ansteckt mit seinem Elan. Wir haben uns einfach gut verstanden, es hat gepasst, und irgendwann mussten wir die Entscheidung auch treffen.

#DMW: Was macht ihr, wenn der Plan C wie Crowdfunding nicht funktioniert? Habt ihr einen Plan B?

Heidi: Crowdfunding hat zwei Ebenen. Das eine ist, dass man darüber Geld einsammelt natürlich, das tun wir auch. Der zweite Punkt aber, der, glaube ich, viel entscheidender ist, ist die Kommunikation. Also C wie Communication. Ich hatte mal einen sehr spannenden Abend beim Social Media Club mit Dirk von Gehlen von der SZ, der die Langstrecke über Crowdfunding gepusht hatte. Er sagte ein paar sehr schlaue Sachen: Crowdfunding und ein Crowdfunding-Account auf einer passenden Plattform wird ein nächster Social-Media-Kanal sein. Es wird mit Facebook und Twitter und Instagram und wie sie alle heißen ein Kommunikationskanal zu Kunden für die Produktentwicklung, für das Marketing, für Market Research. Viele reduzieren die Botschaft auf „Ich brauche Geld, um zu starten“. Ja natürlich, aber das ist so ein kleiner Teil vom Ganzen.

#DMW: Ich habe gelesen, dass bei Startnext etwa 50% der Projekte ihre anvisierte Schwelle erreichen, 50% nicht. Scheitern ist also möglich. Was ist denn deine Haltung, um an eine Crowdfunding-Kampagne heranzugehen?

Heidi Schiller im Senegal vor einer Hütte aus Typha (Foto: Heidi Schiller)
Heidi Schiller im Senegal vor einer Hütte aus Typha (Foto: Heidi Schiller)

Heidi: Abwarten können, was passiert. Es muss nicht immer an dem Projekt selbst liegen, wenn es nicht klappt. Crowdfunding ist ein Weg, etwas zu erreichen. Wenn dieser eine Weg schiefgeht, heißt es nicht, dass das Projekt nichts taugt. Das heißt vielleicht nur, dass man es auf diese Art und Weise nicht vermitteln kann. Aber deshalb glaube ich doch nach wie vor an das Potential dieses Baustoffes. Kampagnen machen mir Spaß. Ich habe einfach Lust darauf, auszuprobieren, wie weit ich da komme. Vielleicht ist das mein Job: der Szene zu zeigen, dass Entwicklungshilfe auch mal ganz anders geht.

#DMW: Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für deine Kampagne.

 

 

 

 

 

 

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