Was bedeutet Diversity im Alltag? Wie gehen wir als Gesellschaft mit Menschen um, die „anders“ sind? Diese Fragen zeigen, wie wichtig die Auseinandersetzung und der Umgang mit Diversität heute sind. Für uns ein Anlass, dieses Thema am 31.10.2016 bei ThoughtWorks in den Fokus zu rücken und gemeinsam zu diskutieren.
Im Panel haben Kübra Gümüşay, Journalistin und Vordenkerin für Diversity in Deutschland, Laura Gehlhaar, Coach und Autorin für Sozialhelden e.V., und Dr. Caroline Harth, Kommunikationsstrategin bei forever clean, ihre persönlichen Erfahrungen geteilt und so Diversity für das Publikum greifbar gemacht. Moderiert wurde die Diskussionsrunde von #DMW-Quartiersleiterin Christiane Brandes-Visbeck. Mehr Details zu den Speakerinnen gibt es im Vorbericht zu diesem Themenabend.
Schnell wurde deutlich, dass Rassismus im Alltag allgegenwärtig ist. Genauso zeigte sich, dass wegschauen und Ignoranz typische Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft sind, wenn jemand selbst nicht betroffen ist.
https://twitter.com/redenatelier/status/793182791454355456
Warum Nuancen entscheidend sind
Die Idee zu dem Themenabend haben #DMW Quartiersleiterin Christiane Brandes-Visbeck und Katharina Kiéck, Account Executive bei Twitter, gemeinsam mit Kübra Gümüsay entwickelt. Der Fokus auf „Nuancen für einen neuen Blick auf Diversity“ sollte dem Publikum einen Impuls geben, dass eigene Denken und Handeln zu prüfen, um so unbewussten Stereotypen selbst auf die Schliche zu kommen.
Dieses Ziel verfolgt auch Twitter mit der Einführung des Unconscious Bias Trainings in diesem Jahr, berichtete Katharina Kiéck im Panel. Jede Person habe Vorurteile, es sei entscheidend, sich darüber bewusst zu werden und aktiv dagegen anzugehen. Es sind also Nuancen, die ein Umdenken anstoßen und einen Unterschied im Umgang mit der Vielfalt machen können.
Auch unsere Gastgeber Verena Traub und Christoph Hassler von ThoughtWorks erklärten, dass der positive Umgang mit Unconscious Bias in ihrer Unternehmenskultur eine wichtige Rolle spielt.
Wer nicht spricht, wird nicht wahrgenommen
„Können Menschen mit Migrationshintergrund, die mit ihrer Arbeit nur die Lücken in einer Gesellschaft füllen, überhaupt ein gleichberechtigtes Leben führen?“
Diese Frage stellte Kübra Gümüşay in den Raum, um zu verdeutlichen, warum ein Umdenken in Deutschland notwendig ist. Dabei sei es essentiell, dass Minderheiten selbst die Stimme erheben um gehört zu werden. Allerdings sei es gerade für Minderheiten schwierig, in einem so unsicheren Berufsfeld wie dem Journalismus Fuß zu fassen.
Die Journalistin und Feministin erklärte, dass Frauen mit Kopftuch beispielsweise häufig nur darüber definiert werden, was andere über sie sagen oder schreiben. Daher sei es von großer Bedeutung, junge Journalist-innen zu fördern, um ihnen selbst eine Stimme zu geben.
„Sprecht für euch selbst. Sonst interpretieren euch andere.“
Kübra Gümüşay
Das alleine würde allerdings noch nicht ausreichen, den Minderheiten in einer Gesellschaft mehr Präsenz zu verleihen. Vielmehr sei entscheidend, dass, wenn Rassismus passiert, jeder einzelne von uns die Stimme erhebt, egal ob man selbst zu einer Minderheit zählt oder nicht.
Diskriminierung im Alltag sichtbar machen
Laura Gehlhaar schilderte, dass sie im Alltag häufig ein Aufstehen für Menschen mit Behinderung vermisse. Würde in einer Warteschlange vor einem Club beispielsweise einer behinderten Person der Zutritt verwehrt, sei ein allgemeines weggucken der umstehenden Personen die wahrscheinlichste Reaktion, erzählte sie. Dabei würde sie sich wünschen, dass die umstehenden Menschen diese Diskriminierung wahrnehmen und sich laut dagegen aussprechen.
Sie verdeutlichte, dass eine Behinderung etwas sehr Persönliches sei und es einen Menschen verletzbar mache. Um dieses Thema an die Öffentlichkeit heranzutragen, sei eine Menge Mut erforderlich. Gerade Menschen mit Behinderung sei häufig ein bestimmter Lebensweg zugeschrieben, angefangen von der Sonderschule im jungen Alter, über die spätere Arbeit in einer Behindertenwerkstatt bis hin zum Leben in einem Wohnheim. Damit befindet sich diese Gruppe bereits am Rande der Gesellschaft, ist damit für die meisten unsichtbar und kann auch nicht gehört werden. Dadurch sei Inklusion ausgeschlossen.
Gelebte Vielfalt in Unternehmen
Mit einem einzigartigen Diversity-Konzept setzt Forever Clean in Deutschland Maßstäbe. Das von Aynur Boldaz-Özdemir gegründete Unternehmen beschäftigt insgesamt 400 Mitarbeiter_innen in Berlin und zwei weiteren Standorten in der Türkei. Dass Inklusion in diesem Unternehmen groß geschrieben wird, beweist der mit 40 Prozent hohe Anteil an Beschäftigen mit Schwerbehinderung. Die Gründerin habe von Anfang an Personen eingestellt, die motiviert waren und in ihrem Unternehmen arbeiten wollten. Im Anschluss hätten sie jeweils nach der passenden Tätigkeit geschaut, erzählt Dr. Caroline Harth über die Philosophie des Unternehmens.
Auch ihre Erfahrungen als Kommunikationsberaterin haben bestätigt, dass die Motivation, sich im Unternehmen mit Diversity auseinanderzusetzen, für die erfolgreiche Umsetzung entscheidend sei. Nur wenn es um ehrliches Engagement ginge, seien Projekte sinnvoll und langfristig erfolgsversprechend.
Unser Gastgeber ThoughtWorks misst vor allem Gender Diversity in seiner Unternehmenskultur eine entscheidende Rolle zu. Rund die Hälfte der weltweit 4000 Mitarbeiter des agilen Software-Beratungshauses sind weiblich, auch rund 25 Prozent der Führungskräfte. Unbewusste Vorurteile im Alltag abzubauen, beispielsweise durch eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema oder durch persönliche Feedbackgespräche, sei nur ein Aspekt ihrer Diversity-Arbeit. Um Vielfalt aktiv zu leben, sei das Sicherstellen der Barrierefreiheit in den Büros genauso relevant wie die Verantwortung des Unternehmens, für einen erfolgreichen Wiedereinstieg nach Krankheit oder der Elternzeit zu sorgen. Für dieses Engagement wurde das Unternehmen aktuell als Top Company vom Anita Borg Institute ausgezeichnet.
Wolf Schlegel, Principal Consultant im Unternehmen, berichtete beim Fishbowl-Panel von einem ehrenamtlichen Projekt in Ratingen, an dem er sich beteiligt, um deutsche und syrische Entwickler_innen zu vernetzen.
„Das einzig zukunftsfähige Mindset ist ein diverses“
Wie wichtig die Auseinandersetzung mit Diversity heute ist, hat dieser Themenabend bewiesen. Es geht nicht um das OB, sondern um das WIE. Um eine Antwort zu finden, wie wir als plurale Gesellschaft in Zukunft zusammenleben wollen, müssen wir Fragen stellen und den Raum finden, um diese Ideen weiterzuentwickeln. Gerade die digitale Revolution bietet eine hervorragende Chance für mehr Diversität im Berufsleben und im Alltag.
Eines wurde besonders deutlich: Die Auseinandersetzung mit unbewussten Vorurteilen ist für das Zusammenleben in einer pluralen Gesellschaft essentiell. Dabei ist Selbstreflexion ein erster Schritt. Die Aussage von Laura Gehlhaar, dass Privilegien oft erst erkannt würden, sobald sich Schranken ergeben, unterstreicht, wie wichtig es ist, dass wir als Gesellschaft einen gemeinsamen Weg für ein gleichberechtigtes Miteinander finden.
Networking bei Fingerfood
Nach der spannenden Paneldiskussion haben wir den Abend mit Eis, gesponsert von Ben und Jerry’s, sowie Kaltgetränken und einem tollen Buffet im brandneuen Eventspace von unserem wunderbaren Gastgeber ThoughtWorks ausklingen lassen.
Dankeschön
Wir bedanken uns bei unseren Panelteilnehmerinnen Kübra Gümüşay, Laura Gehlhaar, Dr. Caroline Harth und als Fishbowl-Gast Katharina Kiéck. Ein extragroßes Dankeschön geht an unsere Gastgeber ThoughtWorks, die den Abend in kurzer Zeit großartig organisiert und die Diskussion mit spannenden Einblicken in ihr Unternehmen bereichert haben. Außerdem bedanken wir uns bei unserer Fotografin Anja Paap, die den Abend für uns in lebendigen Bildern festgehalten hat.
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