#DMWkaffee mit Frederike Probert über die Frauenquote beim BVDW: „Ich bin kein Freund davon, eine Frau nur deshalb in die erste Reihe zu schieben, weil sie eine Frau ist“

In der Reihe „Ein #DMWKaffee mit…“ gehen Autorinnen dieses Blogs mit inspirierenden Frauen aus der Digitalbranche einen Kaffee trinken.

Dieses Mal spricht Maren Martschenko, Vorsitzende der Digital Media Women, mit Frederike Probert, Vize-Präsidentin des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) über die Beweggründe und konkrete Maßnahmen des Verbandes, einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent auf Bühnen der Digitalwirtschaft einzuführen und was sich seit dem verändert hat.

 

 

Maren Martschenko: Was hat euch als Verband getriggert, um zu dieser Entscheidung zu kommen und um diese 30 Prozent weibliche Sprecher zu erreichen? Und: Hat sich in der Wahrnehmung etwas verändert?

 

Frederike Probert: Letztendlich war tatsächlich die DMEXCO 2017 der Auslöser der Initiative. Dort ist uns negativ aufgefallen, dass es viel zu wenig Frauen gibt auf den Bühnen. Es gab ein paar Veranstaltungen, die „All-Male-Panels“ waren, also keinerlei weibliche Beteiligung aufwiesen. Das ist aus unserer Sicht einfach nicht akzeptabel. Das kann man nicht mit einer schlechten Planung begründen, da muss man an die Wurzeln ran -das haben wir innerhalb des Präsidiums erkannt.

Ich glaube, da ward ihr als Digital Media Women auch recht aktiv und habt das – zu Recht – kritisiert. Das ist uns natürlich nicht entgangen. Und dementsprechend haben wir einen Krisentreffen gehabt. Dann ging‘s los.

 

 

Maren: Wie genau warst oder bist du involviert?

 

Frederike: Ich bin jetzt seit Juni 2017 beim BVDW im Präsidium tätig und habe dieses Thema natürlich dementsprechend auch aktiv angesprochen. Das hat sehr, sehr großen Anklang bei meinen Kollegen innerhalb des Präsidiums gefunden. So haben mein Präsidiumskollege Stephan Noller und ich uns diesem Thema gemeinsam federführend angenommen.

Unser Ziel ist, nicht mehr in einem negativen Radar zu sein, insbesondere auch bei Euch, den Digital Media Women. Uns ist bewusst, dass es in der Vergangenheit so war: Frauen waren einfach unterrepräsentiert innerhalb des BVDW. Das betrifft die Arbeitsgruppen, die Gremien und die Führungsebene. Die Vorsitze der jeweiligen Gremien war sehr, sehr Männer lastig, aber auch die Events spiegelten das wider. Das inkludierte auch die DMEXCO-Seminare des BVDW. Das brauchen wir nicht schönreden. Das haben wir erkannt. Und wir packen es an.

In 2018 haben wir eine Satzungsänderung initiiert und umgesetzt – damit ist man schon sehr politisch innerhalb eines Vereins – die ganz explizit sagt, dass es unser gemeinsames Ziel ist, die Sichtbarkeit von Frauen in der Digitalen Wirtschaft deutlich zu erhöhen. Dazu zählt auch, dass in jedem Gremienvorsitz mindestens eine Frau sitzen sollte und alle Events mit mindestens einem Drittel Frauen zu besetzen. Das ist das Ziel für 2018.

 

Fotocredits: BVDW e.V.

 

Maren: Wie seid ihr konkret vorgegangen?

 

Frederike: Innerhalb des Präsidiums haben wir einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, wie wir es schaffen, mehr Frauen innerhalb des BVDW zu aktivieren und auch den BVDW als eine attraktive Plattform zu gestalten. Denn da geht es schon los. Wir können natürlich sagen: „Wir haben jetzt ein Ziel: Mindestens 30 oder 50 Prozent Frauen sollen jetzt auf den Bühnen und in die Gremien des BVDW.“ Aber: Wie schafft man es als Verein attraktiv zu sein, so dass Frauen auch wirklich mitmachen wollen? Das ist die große Frage! Natürlich kann man viele Aktionen machen, man kann viel akquirieren, man kann viele Gespräche führen, aber man muss die Grundarbeit erstmal leisten und das ist: Spannend zu sein für Frauen! Genau daran arbeiten wir gerade.

Unser Maßnahmenkatalog beinhaltet insgesamt fünf Punkte. Zum einen die aktive, individuelle Ansprache von Frauen. Es ist meine persönliche Erfahrung, dass man Frauen direkt ansprechen und mehr Informationen zu den Aufgaben, zu den Verantwortlichkeiten innerhalb der Rolle, die sie vielleicht übernehmen möchten, geben muss. Wir haben tatsächlich eine bessere Erfolgsquote, wenn Frauen mit Frauen sprechen.

Zum anderen versuchen wir, unter unseren Mitgliedern aktiv die Herren zu motivieren, ihre Kolleginnen zu empfehlen. Häufig ist es so, dass Männer in den Vorsitzen der Gremien gesessen haben oder – wie gesagt – auf den Bühnen. „Gerne auch mal freiwillig den Platz räumen und aktiv eine kompetente Kollegin vorschlagen“, ist mein Appell.

 

 

Maren: Und wie klappt das?

 

Frederike: Also viele der Männer sind sehr aufgeschlossen und müssen auch da so ein bisschen getriggert werden, sonst wären sie selbst vielleicht gar nicht auf die Idee gekommen. Sie finden es aber gut, unterstützen das total. Das klappt ganz also ganz gut.

Dann erleben wir tatsächlich Reaktionen wie „Ach, Mensch, hast ja recht und meine Kollegin kann das ja genauso gut wie ich. Ich spreche mal mit ihr.“ Meistens braucht es dann noch einmal ein bisschen Überzeugungsarbeit von weiteren Kolleginnen, sie müssen da ein bisschen Überzeugungsarbeit bei den empfohlenen Frauen leisten und dann klappt das ganz gut.

Wir wollen einfach mal aktiv die Frage stellen, ob es nicht auch Kolleginnen gibt, die genauso qualifiziert sind wie die männlichen Kollegen, und dementsprechend dazu beitragen können, die Inhalte des BVDW mitzugestalten.

 

Fotocredits: BVDW e.V.

 

Maren: Nachgefragt: Du sagst „genauso qualifiziert wie männliche Kollegen“ – woran macht ihr diese Qualifikation fest?

 

Frederike: Wir sind ein Fachverband, wir arbeiten sehr spezifisch in den jeweiligen Arbeitsgruppen und Gremien und da müssen wir natürlich eine Qualifikation bei allen Vorsitzenden und allen Arbeitsgruppenmitgliedern voraussetzen. Wir ziehen viele Parameter heran, wie z.B. Führungserfahrung, wie lange man in einem Bereich tätig ist, oder wie viele Jahre Berufserfahrung jemand einbringt. Wir legen, mal bildlich gesprochen, die Lebensläufe nebeneinander.

Ich bin kein Freund davon, eine Frau nur deshalb in die erste Reihe zu schieben, weil sie eine Frau ist. Bisher haben wir aber kein Problem damit, geeignete Frauen zu finden. Wir haben so viele Mitglieder, die seit vielen, vielen Jahren ihre Kernkompetenzen in den jeweiligen Bereichen mitbringen, dass es gar keine Frage der fehlenden Kompetenz ist, sondern tatsächlich eher das, was wir vorhin schon besprochen haben: Es braucht nochmal diese zusätzlichen Motivation.

Zum Verständnis, wie wir organisiert sind: Die KandidatInnen für den Vorsitz haben in aller Regel zwei bis fünf Jahre operativ aktiv innerhalb dieser Gruppe in einem Fachbereich mitgearbeitet. Alle zwei Jahre stehen Wahlen an, und dann wird je nach Arbeitsbereichen ein Vorsitz mit ein bis fünf Vorsitzenden gewählt. Da stellen sich letztendlich die Personen zur Wahl, die auch mehr Führungsaufgaben wollen. Das ist dann dieser Motivationsaspekt, wo die Frauen manchmal so einen kleinen Stupser brauchen.

 

 

Maren: Frauen in Führungspositionen, insbesondere im Tech-Bereich sind in den Unternehmen noch in der Minderheit. Wie sieht das bei euch aus?

Frederike: Frauen in Führungspositionen sind bei uns momentan noch unterrepräsentiert. Wir sehen aber, dass gerade diese Gremienarbeit innerhalb des Vorsitzes für Frauen auch ein tolles Sprungbrett sein kann, weil sie ihre Führungsqualitäten unter Beweis stellen können. Genau das wollen wir natürlich fördern.

 

Maren: Habt ihr schon so Best-Cases, also Beispiele wo das funktioniert hat.

Frederike: Ja, haben wir tatsächlich. Gerade wurde der Vorsitz der Fokusgruppe Programmatic Advertising gewählt. Das ist fast ein reiner Tech-Bereich. Seit es diese Gruppe gibt, ich glaube seit acht Jahren, waren nur Männer im Vorsitz. Jetzt sind zwei der sechs Vorsitzenden Frauen, was schon mal ein guter Start ist.

 

 

Maren: Zurück zum Maßnahmenkatalog. Was macht ihr neben der aktiven Ansprache und Empfehlung von Frauen noch dafür, dass das Bild in Gremien und auf Bühnen ausgeglichener wird?

 

Frederike: Wir haben einen SpeakerInnen-/ bzw. DozentInnenpool aufgebaut. Dafür haben wir ein Schreiben an unsere Mitglieder versendet, indem wir darum bitten, besonders auch weibliche Speaker zu registrieren, zu empfehlen. So haben wir schon einen aktiven Pool von mittlerweile 250 Personen aufgebaut. Auf diesen Pool greifen wir zurück, wenn wir in die Eventplanung gehen. Was uns wichtig ist: Wir wollen nicht nur weibliche Speaker haben, sondern wir wollen einen Gesamtpool mit Sprechern aufbauen. Weibliche Speaker werden präferiert empfohlen. Darauf haben die Männer sehr, sehr gut reagiert. Die meisten haben dann sofort geschrieben: „Ich bin dabei, ihr könnt mich einplanen und gut, dass ihr diesen Zusatz mit dabeihattet, denn mir fallen noch die und die Kollegin ein“. Und hat dann haben sie gleich den Kontakt hergestellt.

Der Speakerpool war ein erfolgreiches Projekt, das war super.

 

 

Maren: Habt ihr für die dmexco 2018 bereits aus diesem Pool geschöpft?

 

Frederike: Ja, ja. Haben wir! Und natürlich hast Du mit dem bestehenden Speakerpool dann schon mal einen Vorsprung, was aber nicht heißt, dass es nicht extra Arbeit ist, die Personen gut gemischt für ein Podium zu gewinnen. Du musst mehr Überzeugungsarbeit leisten, du musst mehr Gespräche führen, du musst einfach mehr motivieren, um die Frauen auf die Bühne zu bekommen.

 

 

Maren: Ihr habt die Frauenquote direkt in eurer Satzung verankert. Das fördert eine ganz andere Form von Commitment. Wir habt ihr das intern verkauft? Eine Satzungsänderung muss ja von den Mitgliedern mehrheitlich beschlossen werden. Wie habt ihr diesen Beschluss vorab kommuniziert, wie ist das abgelaufen?

 

Frederike: Wir hatten eine Mitgliederversammlung, im Juni oder Juli, mit 150 bis 180 Teilnehmern und dort haben wir abgestimmt. Also: Wir haben natürlich erstmal die Situation erklärt und warum wir die Situation optimieren wollen und einfach mehr Frauen auch sichtbar haben möchten innerhalb des BVDW und dementsprechend den Maßnahmenkatalog vorgeschlagen und abgestimmt. Es gab drei oder vier Enthaltungen, aber ansonsten die absolute Mehrheit für die Satzungsänderung.

Die Leute, die nicht dafür gestimmt haben, waren nicht dagegen, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen. Ihre Haltung war: „Dass wir sowas bestimmen müssen, ist eigentlich total fehl am Platz, das muss eine Selbstverständlichkeit sein.“ Also das war der Hintergrund, warum es eben nicht 100 % Zustimmung gab.

 

 

Maren: Und jetzt nochmal zu diesem „reason why“, eurer Motivation. Warum sollte es selbstverständlich sein, dass Frauen gleichberechtigt teilhaben?

 

Frederike: Das ist einfach ein Fakt, den man gar nicht in Frage stellen muss. Uns ist einfach aufgefallen, dass Frauen unterrepräsentiert sind oder waren innerhalb des BVDW. Dann haben wir uns zusammengesetzt und uns gesagt: Wie können wir diesen Missstand lösen? Unser Ziel als Verband muss wie auch in der freien Wirtschaft sein, dass wir deutlich mehr Frauenanteil haben.

 

Fotocredits: BVDW e.V.

 

Maren: Ich habe jetzt drei Maßnahmen: direkte Ansprache von Frauen, bewusster Einbeziehung der männlichen Mitglieder und euer Speakerpool. Gibt es weitere Maßnahmen?

 

Frederike: Eineinhalb Maßnahmen habe ich noch für dich. Und zwar die aktive Zusammenarbeit mit Frauennetzwerken wie mit euch, um einfach auch diesen Netzwerkeffekt nutzen zu können. Also steht für uns auch da wirklich die aktive Zusammenarbeit im Fokus. Wir haben außerdem eine Expertinnen-Workforce aufgebaut. Das sind alles sehr erfolgreiche Frauen von Verbänden, aber auch aus der freien Wirtschaft, die halt schon lange kein Fragezeichen mehr haben, sondern sich aktiv dafür einsetzen, dass mehr Frauen sichtbar sind. Und mit dieser Taskforce treffen wir uns regelmäßig und erarbeiten da auch wieder weitergehende Maßnahmen, die wir dann auch in die Praxis umsetzen, um mehr Frauen mehr Sichtbarkeit im BVDW zu verschaffen.

 

 

Maren: Superspannend. Wir sagen: Es geht ja nicht nur darum, eine Ungerechtigkeit zu beheben, weil solange es als ‚Ungerechtigkeit‘ deklariert wird, habe ich auch immer das Gefühl, bleibt es quasi immer ein Problem von Frauen und kein gemeinschaftliches Interesse von Männern und Frauen sozusagen. Wir vertreten die These, dass diese gute Mischung von Männern und Frauen in Organisationen, in Unternehmen, bei Veranstaltungen zu besserem Outcome führt. Zu mehr Entwicklung und Innovation. Was habt ihr schon an Veränderungen beobachtet neben den rein quantitativen gestiegenen Prozentsätzen? Möglicherweise kulturell, auf Kommunikationsebene, auf Verhaltensebene?

 

Frederike: Zum einen sehen wir es natürlich innerhalb des Präsidiums des BVDW, dadurch dass ich eine der ersten Frauen bin, die im Präsidium auch einen Sitz besetzen darf. Dann sehen wir es auch innerhalb des BVDW. Seit das Thema einfach mal auf den Tisch gebracht wurde, wird es viel bewusster gelebt. Auch bei den männlichen Kollegen.

Wir sehen auch, dass unsere Arbeitsgruppen sehr, sehr produktiv sind. Ich weiß nicht, ob man das jetzt 100%ig auf den Fakt zurückführen kann, dass wir jetzt mehr Diversität haben, aber es ist tatsächlich so, dass mehr Whitepaper herausgebracht werden, mehr Leitfäden veröffentlicht werden. Aber noch mal: Ich mache jetzt nicht 1-1 den Bezug dazu, dass mehr Frauen in den Gruppen sind und wir deswegen mehr Leitfäden haben. Aber es ist natürlich ein Outcome. Dafür, dass die Satzungsänderung erst im Sommer dieses Jahrs war, finde ich, wir können schon sehr stolz darauf sein, was wir in den wenigen Monaten erreicht haben.

Letztendlich hatten wir seit der Satzungsänderung, also dem offiziellen Startschuss, bis zur DMEXCO drei Monate Zeit und insofern denke ich, ist es ein sehr, sehr gutes Ergebnis, jetzt auch schon mal sichtbar, einfach eine Verdopplung von Frauen in den BVDW-Veranstaltungen von 14 auf 36 Prozent erreicht zu haben. Vor allem eine ganz starke Reduzierung der All-Male-Panels, die ja der Stein des Anstoßes waren, werte ich als Erfolg. Wir hatten 2017 13 All-Male-Panels des BVDW auf der DMEXCO und 2018 nur noch zwei. Das müssen 2019 null sein, gar keine Frage. Aber das ist schon mal ein super Erfolg für letztendlich drei, vier Monate aktive Arbeit, wie ich finde.

 

 

Maren: Absolut. Wie geht es weiter?

 

Frederike: Das gesteckte quantitative Ziel ist, zum Jahresende ein Drittel Frauen auf letztendlich allen Ebenen innerhalb des BVDWs zu haben – mindestens. Und das sollte 2019 auf 50 % steigern.

Bei den jeweiligen Hierarchiegruppen, von Geschäftsführung, Präsidium zu BVDW-Mitarbeitern, Arbeitsgruppenleitern musst du auch unterschiedlich arbeiten: Noch eine Frau ins Präsidium zu bekommen wird mit Sicherheit mehr Arbeit sein, als noch einen Gremienvorsitz für den Bereich Social Media zu gewinnen. Das wissen wir und sind auch bereit, dementsprechend die Zeit und den Aufwand zu investieren, um das gesteckte Ziel zu erreichen.

 

 

Maren: Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Fotocredits: BVDW e.V.

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