Plötzlich war sie da, die Coronakrise. Ein Virus stellt uns vor ungeahnte Herausforderungen: gesundheitlich, wirtschaftlich, psychisch, gesellschaftlich. Eines ist klar: Gesundheit ist unser höchstes Gut. Doch wer körperlich nicht von COVID-19 betroffen ist, hat schnell gemerkt, dass das Virus auch anderswo angreift. Die Krise legt schonungslos Missstände offen, zum Beispiel verpasste Digitalisierung oder fehlende Infrastrukturen. Sie fördert auch den Rückfall in alte Rollenbilder. In vielen Haushalten bleibt mehreren Umfragen zufolge der Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung an den Frauen hängen.
Wir haben uns am 9. Juni 2020 zum #DMW Remote Lunch Break getroffen, um persönliche Erfahrungen auszutauschen und zu diskutieren: Wie nehmen wir die Frauenrolle in der Coronakrise individuell wahr und wie können wir negativen Entwicklungen gegensteuern?
Gerade mit Kindern fühlen sich viele alleingelassen
Vor allem Paare mit Kindern wurden durch die Pandemie vor riesige Herausforderungen gestellt. Teilweise unverständliche Regelungen oder schlechte, lokale Kommunikation erschweren das Ganze. Zwischen Vollzeitjob im Homeoffice müssen sie noch den Haushalt schmeißen, sich ins oftmals schlecht organisierte Homeschooling einarbeiten (verschlafene Digitalisierung) oder ihren Nachwuchs sonst irgendwie bespaßen. Alleinerziehende haben natürlich die doppelte „A-Karte“. Aber warum übernimmt auch bei Paaren oft die Frau den größeren Anteil an Hausarbeit und Kinderbetreuung trotz gleicher beruflicher Belastung wie der Partner?
Die Krise ist nicht Ursache, sondern Katalysator
In unserer Diskussionsrunde haben wir festgestellt: Die Krise mag das Verfallen in alte Rollenbilder begünstigen, doch vorhanden waren sie natürlich vorher schon. Eine Partnerschaft, die vor Corona zu 100 Prozent gleichberechtigt war, entwickelt nicht plötzlich eine völlig neue Dynamik. Ist man trotz Partner zum Großteil allein mit Hausarbeit und Kinderbespaßung beschäftigt, hat man zuvor nur eine Illusion von Gleichberechtigung gelebt. Die Krise ist nicht Ursache, sondern Katalysator für eine ungerechte und rückständige Frauenrolle in der Coronakrise. Die Frauen springen (wie so oft) ein: als Retterin, die Verantwortung und Pflichten übernimmt. Eine Rolle, die wir kennen und in die wir selbst dann oft schlüpfen, wenn wir es gar nicht wollen. Weil uns vermeintlich keine andere Wahl bleibt.
Klare Worte statt Gefälligkeit
Viele Frauen lernen früh, diese Funktion der Retterin, Organisatorin und des „Mädchens für alles“ anzunehmen. Empathie, soziale und emotionale Intelligenz und eine „Anpack-Mentalität“ sind hier Fluch und Segen. Bevor wir uns aber in einer Rolle wiederfinden, die uns mit Haut und Haaren zu verschlingen droht, müssen wir die Notbremse ziehen. Öfter ohne schlechtes Gewissen Nein sagen und offen kommunzieren, was wir uns (von unserem Partner) wünschen. Klare Worte statt Gefälligkeit! Es geht nicht um Schuld, sondern um ein Bewusstsein für uns, für das sensible Gefüge der Partnerschaft und wie wir für uns einstehen.
Zum Glück gibt es auch viele Paare, die die Krise und ihren Alltag im Teamwork meistern. Fragen nach der Rollenverteilung stellen sich gar nicht, weil Gleichberechtigung selbstverständlich ist. Für den Rest müssen wir etwas tun und bestimmt sein – in den eigenen vier Wänden und bei der Politik. Mit den #DMW arbeiten wir daran, jede einzeln und im Kollektiv.
Wie sind eure persönlichen Erfahrungen mit Corona? Wir freuen uns über euer Feedback und eure Kommentare.
Titelbild: Oberholster Venita auf Pixabay
Autorin: Jessica Wittmann-Naun
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