#DMW Podcast: Folge 1 mit Digital-Expertin Maren Heltsche

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Die #DMW gibt’s jetzt auch zum Hören! In unserem neuen Podcast interviewen wir interessante Persönlichkeiten aus der Welt der Digitalisierung. Ihr könnt den #DMW Podcast – ein Format der Digital Media Women überall da anhören, wo ihr Podcasts findet. Einfach „DMW Podcast“ suchen, abonnieren, anhören & weitererzählen.

 

Wir wollen in einer Welt leben, in der Vielfalt herrscht und sehen im digitalen Wandel die Chance, diese Vision zu verwirklichen. Du willst das auch? Dann bist du hier genau richtig. Wir sprechen mit Expert:innen, berichten aus der Praxis, teilen besondere Geschichten, möchten Tipps an die Hand geben und zum Mitmachen motivieren. In jeder Folge stellen Euch Anne Emmelmann und Ariana Sliwa von den Digital Media Women eine spannende Person aus der Welt der Digitalisierung vor und ergründen gemeinsam mit ihr, welche Bedeutung die digitale Transformation für mehr Gleichberechtigung in unserer Welt hat. 

 

Folge 1: Maren Heltsche über geschlechtergerechte Digitalisierung

 

(c) Delia Wöhlert www.deliawoehlert.com info@deliawoehlert.com

 

In der ersten Folge des #DMW Podcasts spricht Anne Emmelmann mit Maren Heltsche. Maren ist Programmiererin bei der Klimaschutzstiftung myclimate und im Deutschen Frauenrat Sonderbeauftragte des Vorstands für das Thema Digitalisierung. Sie engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich bei den #DMW und setzt sich als Mitgründerin von speakerinnen.org für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Technik, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein.

 

Es gibt eine geschlechtsspezifische Lücke beim Zugang und bei der Nutzung von digitalen Technologien.

Maren Heltsche, Sonderbeauftragte für Digitalisierung im Deutschen Frauenrat

 

Für den Deutschen Frauenrat spricht Maren unter anderem mit Parlamentarier*innen und Minister*innen, um die Bedeutung von geschlechtergerechter digitaler Transformation auf der politischen Agenda zu platzieren. Die geschlechtsspezifische Lücke beim Zugang und der Nutzung von digitalen Technologien zeige sich schon früh. „Frauen und Technik – das passt nicht zusammen“ – mit solchen Stereotypen sind Mädchen oft von klein auf konfrontiert. Gendergerechte digitale Transformation muss deshalb schon im Kindergarten und in der Schule anfangen – und sich im Arbeitsleben fortsetzen. Durch Veränderungen bei der Führungs- und Unternehmenskultur müssen die Voraussetzungen für Chancengleichheit geschaffen werden. Auch wenn es wichtig ist, auf dem großen politischen Parkett aktiv zu sein, Veränderungen fangen schon im Kleinen an. Marens Aufforderung an alle technikbegeisterten Frauen lautet deshalb: Zeigt ganz offen, wie cool Ihr Technik findet!

 

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Themen und Links aus der Podcast-Folge: 

 

Maren Heltsche: twitter.com/zaziemo

Deutscher Frauenrat: 
www.frauenrat.de 

https://twitter.com/frauenrat

https://www.facebook.com/dfrauenrat/

Positionspapier: https://www.frauenrat.de/unser-neues-positionspapier-zur-digitalen-zukunft/

Caroline Criado-Perez: Unsichtbare Frauen https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Unsichtbare-Frauen/Caroline-Criado-Perez/btb/e561586.rhd 

Enquete Kommission des Deutschen Bundestags zu Künstlicher Intelligenz: https://www.bundestag.de/ausschuesse/weitere_gremien/enquete_ki 

Speakerinnen.org: www.speakerinnen.org

 

Der #DMW Podcast zum Lesen – Transkript der Folge 1 mit Maren Heltsche 

 

Maren: Führungskulturen und überhaupt die Unternehmenskulturen müssen sich auch verändern. Diese alten Kommunikationsstrukturen und zum Beispiel auch dieses Nicht-Hinterfragen von Vorteilen oder von strukturellen Problemen sind ein Problem. Es muss sich auch ändern und hat auf jeden Fall mit Kommunikation zu tun. 

 

Intro: Wir wollen in einer Welt leben, in der Vielfalt herrscht und sehen im digitalen Wandel die Chance diese Vision zu verwirklichen. Du willst das auch? Dann bist du hier genau richtig und damit ein herzliches Willkommen beim #DMW Podcast – einem Format der Digital Media Women. 

 

Anne: “Heute sitzen wir hier mit Maren zum Interview zusammen. Maren Heltsche ist Programmiererin bei der Klimaschutzstiftung myclimate und im Deutschen Frauenrat Sonderbeauftragte des Vorstands für das Thema Digitalisierung. Maren engagiert sich ehrenamtlich für uns, für die #DMW, und setzt sich als Mitgründerin von speakerinnen.org für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Technik, Politik, Wirtschaft, und Gesellschaft ein. Maren, ich bin ganz froh, dass wir heute das Interview führen, mit gerade einem solchen Urgestein, fast Mitbegründerin, der #DMW. Ich freu mich, dass du da bist.

 

Maren: “Super, vielen vielen Dank. Schön, dass ich da sein darf.”

 

Anne: “Maren, ich hab’s grad schon gesagt: Du bist Sonderbeauftragte beim Deutschen Frauenrat und jetzt die für mich offensichtlichste Frage zuerst: wer ist das denn und was machen die da?”

 

Maren: “Der Deutsche Frauenrat ist der Dachverband von circa 60 deutschen Frauenorganisationen und ist damit auch Sprachrohr für diese Organisationen auf dem politischen Parkett zu ganz unterschiedlichen Themen. Digitalisierung ist eines solcher Themen, aber Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist anderes und es gibt noch viele andere Themen und es lohnt sich auf jeden Fall mal auf die Website zu gucken, frauenrat.de”

 

Anne: “Die verlinken wir auf jeden Fall in den Shownotes. Jetzt hast du das ganz kurz zusammengefasst, aber was ich ganz spannend fand, ist, dass der Frauenrat ein Positionspapier veröffentlicht hat, wo sehr viele große Themen auch angerissen werden, die super wichtig sind und vielleicht kann du uns einmal einen kurz Einblick geben, worum es denn in diesem Positionspapier geht.” 

 

Maren: “Sehr gerne. Dieses Positionspapier, von dem du sprichst, ist das zur digitalen Transformation. Digitale Transformation geschlechtergerecht steuern. Der Deutsche Frauenrat gibt ganz viele unterschiedliche Positionspapiere raus, aber das ist jetzt quasi ja unser Thema und das Thema, mit dem ich mich auch beschäftige. 

Dieses Positionspapier ist sogar zwei Jahre erarbeitet worden von unterschiedlichen Frauen aus eben ganz unterschiedlichen Mitgliedsverbänden und da geht es darum, Dinge aus dem Kontext digitale Transformation aufzuarbeiten, die einen Geschlechteraspekt haben, die uns in den nächsten Jahren begleiten werden. Chancen und Risiken. Gleichzeitig stehen da Forderungen drin, die wir als Frauenrat an die Politik richten.”

 

Anne: “Du als Sonderbeauftragte beschäftigst dich primär mit diesem Positionspapier. Wenn du sagst, ihr richtet euch an die Politik, wie kann ich mir das vorstellen? Was machst du da?”

 

Maren: „Ich spreche tatsächlich mit unterschiedlichen Akteuren, zum Beispiel mit Parlamentariern und Parlamentarierinnen. Im März, ganz kurz bevor Corona losging, hatten wir ein parlamentarisches Frühstück. Dar hatten wir ganz viele Parlamentarier*innen vor Ort, die sich eben zu dem Thema Frauen und Digitalisierung in ganz unterschiedlichen Kontexten informieren wollten und mit denen wir diskutiert haben. 

Ich besuche aber auch zusammen mit anderen Vorstandsdamen aus dem Frauenrat Minister. Ich war schon bei Minister Heil und Minister Altmaier. Wir hatten auch schon ein Gespräch im Bildungsministerium, das heißt, das ist die Arbeit, die ich da mache mit diesem Thema und den Forderungen bei bestimmten Menschen vorzusprechen, die die politische Agenda beeinflussen können. Da gibt’s immer sehr interessante Diskussionen. Manchmal ist man sich einiger, manchmal uneiniger, aber bislang bin ich immer auf offene Ohren gestoßen.”

 

Anne: “Das ist schön zu sehen. Das ist es ein Zeichen, dass sich was bewegt.”

 

Maren: “Auf jeden Fall. Klar, an manchen Stellen wird auch deutlich, dass die Prioritäten ganz andere sind. Man versteht sich rein vom Inhalt und intellektuell, aber es ist auch klar, dass die Agenda vielleicht gerade anders gestrickt ist. Ich denke, dass ist unser tägliches Brot, für mehr Akzeptanz zu werben und vielleicht eben auch so die Themen auf der Agenda höher zu bringen.”

 

Anne: “Lass uns mal reinschauen in das Positionspapier zum Thema digitale Transformation. Das habt ihr in drei Themen unterteilt: Bildung, Arbeit und Kommunikation im digitalen Raum. Ich würde gerne einmal ein Gefühl dafür bekommen oder ein Gefühl an unsere Zuhörer*innen vermitteln, worum es in den einzelnen Punkten geht. Direkt zu Beginn fand ich ganz ein ganz schönes Wording “digital gender gap”, dass das reguläre  gender gap genauer auf die Digitalisierung überträgt. Für mich schien der Begriff offensichtlich, aber ich fand es trotzdem tricky, als ich mehr darüber gelesen habe. Deswegen fände ich es schön, wenn du mal kurz beschreiben könntest, worum es geht und was das mit dem ganzen Konstrukt Bildung zu tun hat.

 

Maren: “Es geht im Grunde darum, dass es eine geschlechtsspezifische Lücke gibt. Eine geschlechtsspezifische Lücke beim Zugang und bei der Nutzung von digitalen Technologien. Da gibt’s eine umfangreiche Studie von der Initiative D21 dazu. Diese wird auch immer wiederholt. Dabei werden unterschiedliche Menschen befragt, welchen Zugang sie zu bestimmten Geräten haben, wie häufig sie die benutzen, wie die Einstellung zu digitalen Technologien ist, wie offen die Leute sind, wie sie ihre Kompetenzen selber einschätzen, usw. 

Auf diesen Studien beruht die Erkenntnis, dass Frauen im Moment deutlich schlechter gestellt sind als Männer. Das ist ein bisschen traurig, vor allem vor dem Hintergrund, dass die digitale Transformation alle Geschlechter betrifft und dass Frauen demnach auch etwas schlechtere Voraussetzungen haben, um in dieser Veränderung möglichst die Chancen zu nutzen und möglichst den Risiken aus dem Weg zu gehen.

 

Anne: “Kann man das an etwas festmachen, warum Frauen geringeren oder schlechteren Zugang zur digitalen Bildung haben?”

 

Maren: “Ich glaube, das hat ganz unterschiedliche Gründe. Einerseits hat es viel mit Stereotypen zu tun, die man von klein auf lernt. Zum Beispiel: Frauen und Technik ist nichts, was in unserer Kultur so genuin zusammen gehört und es zieht sich natürlich auch durch das ganzes Leben von einer Frau. So ist man dann geprägt und hat dann vielleicht auch nicht so viel Offenheit oder traut sich selber nicht so viel zu. Da kommt das grundsätzliche Thema dazu, dass sich Frauen bei gleicher Qualifikation in ihrer Kompetenz schlechter einschätzen als Männer das tun. Von daher gibt es ganz viele unterschiedliche Erklärungsmuster. Fakt ist, Männer stehen offensichtlich besser da als Frauen.”

 

Anne: “Was rät jetzt der Deutsche Frauenrat? Was sind konkrete Beispiele, damit ich mir das besser vorstellen kann. Klar, auf meiner Ebene kann ich dafür sorgen, dass ich jede Frau, die ich kennenlerne, fördere, wenn ich merke, dass da ein technisches Gap ist, aber wie kann man denn dann großflächiger rangehen?”

 

Maren: “Das muss am besten ganz früh anfangen. So, dass sich im Kindergarten oder auch in der Schule solche Stereotype gar nicht erst verfestigen. Mädchen sind nicht schlechter in Technik als Jungs, aber durch die Stereotype kommt irgendwann der Punkt, an dem sie selber denken, sie seien es. Oder es kommt der Punkt, an dem sie in einem bestimmten Bereich nicht mehr gefördert werden. Das muss aufhören. Das hilft uns erst in 10 oder 20 Jahren, aber das gilt natürlich auch für die Bildung im Job. Wir müssen uns lebenslang weiterbilden und dafür in der Arbeit und auch im Privatleben uns gegenseitig unterstützen. Da gibt es viele Möglichkeiten wie strukturiert unterstützt werden kann. Es gibt ganz tolle Initiativen. Das ist nichts, was der Frauenrat empfiehlt, aber da bin ich unter anderem auch über den Frauenrat institutionalisiert im Beirat der Stiftung Digitale Chancen. Da gibt’s beispielsweise super coole Programme für Kinder und Jugendliche mit dem Zugang zu Technik, aber auch für Seniorinnen und Senioren. Das ist ja auch spannend. Denn das sind Menschen, die bei der digitalen Transformation auch mitgenommen werden müssen, auch wenn sie nicht mehr im Arbeitsleben weitergebildet werden. 

 

Anne: “Das ist ein sehr wichtiges Thema, was du da ansprichst. Aus dem Privaten kann ich sagen, dass meine Oma Whatsapp nutzt, weil sie zu uns Kontakt haben möchte.”

 

Maren: “Ich glaube auch, dass das ein Trigger für Ältere ist, die dann mit ihren Enkelkindern oder so skypen müssen. Ich glaube, dass Corona bei allen Nachteilen, die es für uns mit sich bringt, einen Digitalisierungsschub bringt, weil viele Leute, die vorher vielleicht Zugangsbarrieren hatten, jetzt noch mehr gezwungen sind, diese Technologien einfach mal auszuprobieren, weil sie sonst gar keinen Kontakt haben zu ihrer Familie oder zu Freunden.” 

 

Anne: “Du hast schon angesprochen, dass Corona viel verändert hat. Unter anderem natürlich Homeoffice. Im Positionspapier zur digitalen Information gibt es den Punkt Arbeit und Arbeit wird ganz oft mit dem Thema Homeoffice gleichgesetzt, wobei das natürlich nicht alles ist. Wie reißt der deutsche Frauenrat das Thema Arbeit an?” 

 

Maren: “Homeoffice ist insofern ein wichtiger Punkt, weil man aufpassen muss, dass dieses Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gleichzeitig bearbeitet wird. Denn was Corona auch gezeigt hat, aber vorher schon ein Problem beim Homeoffice war, ist, dass Homeoffice nicht heißen kann, dass die Frau sich noch mehr um die Care-Arbeit kümmert, wenn sie eh schon zu Hause arbeitet. Wir haben auch gelernt, dass Arbeiten und Homeschooling bzw. die ganze Care Arbeit gleichzeitig zu machen, auch nicht funktioniert. Gleichzeitig ist wichtig, dass zu Homeoffice alle gleichermaßen Zugang haben. In vielen Firmen ist es immer noch so, dass nur Menschen in höheren Positionen, die dann tendenziell eher Männer sind, die technische Ausstattung haben, um überhaupt im Homeoffice zu arbeiten.

Außerdem muss man natürlich aufpassen, dass man diese Entgrenzung nicht so sehr vorantreibt. Das ist tatsächlich auch eine Forderung vom Frauenrat, dass da gesetzliche Regelung geschaffen werden. Und es sieht tatsächlich danach aus, dass wir auf einem guten Weg sind. Gleichzeitig ist auch wichtig zu betrachten, wie sich unsere Arbeitswelt verändert. Es gibt einfach ganz neue Berufsfelder, andere Berufe werden substituiert, die Beschäftigungsverhältnisse werden unterschiedliche. Es gibt natürlich immer noch Jobs, wo man festangestellt ist, aber Selbstständigkeit spielt eine größere Rolle, Plattform-Ökonomien. Das heißt, an dieser Stelle ist total wichtig zu gucken, inwiefern gibt es Risiken, besonders für Frauen zum Beispiel, oder auch Chancen besonders für Frauen und wie kann man die gut austarieren. Da kann man super viel selber machen. Die #DMW sind ja auch ein gutes Beispiel dafür, wie man sich gegenseitig empowert oder auch unterstützt und Wege aufzeigt, gegenseitiges Mentoring betreibt, wie man sich selber entwickeln kann in solchen Bereichen. Aber vieles muss auch in einem größeren Stil gedacht werden. Wie kann Weiterbildung innerhalb von Betrieben organisiert werden? Wie kann man darauf achten, dass Frauen gleichermaßen wie Männer davon profitieren können und es nicht beispielsweise an Arbeitszeiten gebunden ist? ln dem Sinne, dass nur Leute, die Vollzeit arbeiten, auch Weiterbildungen haben dürfen.

Das trifft dann wieder ein strukturelles Problem, da Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten usw.  Gerade dieser Bereich Arbeit ist ein unglaublich breiter Bereich, weil da direkt viel passiert. Wenn man über Bildung spricht, dann spricht man über die Ausbildung von Menschen, die in 10 oder 20 Jahren vielleicht auf dem Arbeitsmarkt sind. Arbeit betrifft jetzt das, was gerade im Moment passiert. Wir brauchen eine diverse Besetzungen von IT oder überhaupt von allen Bereichen, wo digitale Produkte geschaffen werden, damit auch diverse und gute digitale Produkte geschaffen werden. Deswegen brauchen wir da auch jetzt Leute. Das heißt, dass da die Dringlichkeit nicht unbedingt größer, aber vielleicht zeitlich näher ist.

 

Anne: “Ich glaube, es sind einfach mehr Menschen direkt davon betroffen, die sich aktiv für Veränderung einsetzen können. Beim Thema Bildung, um den Vergleich zu halten, hast du Jugendliche, für die vielleicht noch nicht so klar ist, dass sich die Bildung verändern muss. Die sind vielleicht nicht zufrieden, aber sie wissen nicht, wo sie anfassen sollen und können. Das ist bei der Arbeit schon noch mal ein anderes Gleichgewicht, was die Forderungen angeht.” 

 

Maren: “Wobei das natürlich alles ineinander spielt. Also Bildung und Arbeit und gerade am Übergang, also der Berufsberatung, da ist es superwichtig, dass da auch vielleicht schnell etwas verändert wird. Da sind so viele Stereotype vorhanden und es begeben sich viele gut ausgebildete Mädchen nicht in die MINT-Fächer zum Beispiel, obwohl da die Berufschancen viel größer sind als in anderen Bereichen. Da muss auch was passieren. Ich finde, dass Bildung und Arbeit ineinander fließen, wobei Bildung nicht nur für die Arbeit sein sollte.”

 

Anne: “Ein weiteres Thema, das mir auch immer wieder begegnet, ist Gleichberechtigung im Zusammenhang mit neuer Arbeit. Da läuft Mann oder Frau relativ schnell Gefahr, abgestempelt zu werden. Sobald ich mich persönlich dafür einsetze, dass Frauen gleichberechtigt behandelt werden, ist das Risiko sehr hoch, dass mir gar nicht mehr zugehört wird, weil es heißt: “Komm, die Frau sieht nur ihre eigenen Probleme”, oder was auch immer. Jetzt sind wir wieder beim Thema Stereotypen. Das ist schwierig in der Kommunikation. Jetzt habt ihr auch das Thema Kommunikation im digitalen Raum explizit mit aufgenommen. Da geht’s wahrscheinlich nicht primär darum, was ich gerade geschildert hab, aber ich kann mir vorstellen, da geht es auch um Kommunikation als solches. Ich kann mir vorstellen, dass es total kritisch ist, wenn man diese beiden Themen zusammenbringt.”

 

Maren: “Die Führungskulturen und die Kulturen überhaupt in Unternehmen müssen sich auch verändern. Diese alten Kommunikationsstrukturen und dieses Nicht-Hinterfragen von Vorteilen zum Beispiel oder von strukturellen Problemen, die bestehen, ist ein Problem und das muss sich auch ändern. Das hat auch mit Kommunikation zu tun. Diese Kommunikation im digitalen Raum, die wir in dem Positionspapier betrachten, geht vor allen Dingen um die Kommunikation in Social Media. Das heißt, wir haben super viele Chancen. Wir können uns virtuell austauschen, wirklich jeder und jede kann ihre Meinung sagen. Allerdings wirken auch da Geschlechterstereotype, Algorithmen in bestimmten Kontexten, also auch Plattformen funktionieren auch so, dass bestimmte Stereotype und Diskriminierungen gefördert werden. Es gibt Studien dazu, wie junge Frauen zum Beispiel inzwischen mehr sichtbar sind, aber eher in diesen typisch weiblichen Themen: Gesundheit und Aussehen und Schminken usw., aber nicht mit eher männlich besetzten Themen. Das sind natürlich auch diese Algorithmen, die das befördern. Da fordern wir beispielsweise von Seiten des Deutschen Frauenrates, dass diese Algorithmen nachprüfbar sein müssen und idealerweise diese Diskriminierungsformen nicht reproduzieren. 

Außerdem ist es natürlich so, dass Frauen im Netz häufiger angegriffen werden. Das heißt, wenn es sichtbar ist, dass es sich beispielsweise um eine Fraueninitiative handelt oder dass eine Frau irgendetwas kommuniziert, sind diese Frauen häufiger Zielscheibe von Hass und auch Gewalt im Netz. Viele Politikerinnen oder Journalistinnen schreiben auch offen darüber oder sprechen darüber. Das sind natürlich Mechanismen, die dazu führen, Frauen mehr und mehr mundtot zu machen. Das muss sich ändern. Auch Formen von partnerschaftlicher Gewalt können sich im digitalen Raum ausdehnen, zum Beispiel was Überwachung angeht. Das sind natürlich Dinge, die man ändern muss. Es gibt schon viele Strukturen, die Frauen unterstützen und es gibt auch Gesetze gegen Rufschädigung usw. Die werden aber in Teilen nicht so konsequent auf den digitalen Raum angewendet und da muss noch Einiges passieren.”

 

Anne: “Das ist ein extrem schwieriges Thema. Wie kommt man denn dazu, dass sich die Algorithmen verändern? Es ist ja der Mensch, der den Algorithmus programmiert, der dieses System kreiert. Dann landen wir wieder bei der Bildung: Denn wie ist die Verteilung der Geschlechter in den MINT-Fächern? Wer gibt Anforderungen rein? Wer geht denn tatsächlich in diese Berufe, die die Algorithmen programmieren, sind diese eben von Männern dominiert? Da gibt es ein ganz gutes Buch dazu, “Unsichtbare Frauen”, das das Thema sehr stark beleuchtet.

 

Maren: “Das ist ein Buch, das man gelesen haben muss. Gerade mit diesem Gap in allem – von Informationen über unterschiedliche Geschlechterverhältnis – in eigentlich allen Bereichen. Algorithmen sind ja nur eine Sache. In Sachen Algorithmen ist übrigens spannend, dazu ist ja Anfang November der Bericht der Enquete-Kommission “Künstliche Intelligenz” veröffentlicht worden. Dieser Bericht ist 800 Seiten lang. Ich hab mir gestern die Stellen angeguckt, wo es um Frauen oder andere Gruppen geht, die potenziell diskriminiert werden können. Die gute Nachricht ist, die Enquete-Kommission hat sich ausführlich mit dem Thema beschäftigt. Wie können Algorithmen und künstliche Intelligenz bestehende Ungleichheiten noch verstärken und wie können wir dagegen angehen? Da gibt’s wirklich einige Punkte dazu. Natürlich, wie das immer so ist, bleibt es noch recht schwammig, wie die konkreten Ideen dann hinterher umgesetzt werden und wie das durchgesetzt wird.

Weil, wie du schon gesagt hast, die Menschen, die künstliche Intelligenz und damit auch Algorithmen programmieren, sind im wesentlichen junge weiße Männer und das heißt, viele Perspektiven werden nicht einbezogen. Gleichzeitig sind die Daten, die benutzt werden, um diese KIs zu trainieren, ja oft Daten, die aus unserer realen Welt irgendwie entspringen. Damit lernen die Systeme eben auch die Ungleichheiten, die es schon gibt. Diese KI ist im Zweifel nicht unfairer als wir selber, aber es ist dann halt eingebacken in einen Algorithmus, der am Ende auch noch eine Blackbox ist, wo nämlich meistens auch die Programmierer hinterher nicht mehr verstehen, was da eigentlich genau passiert. 

Da gibt’s tatsächlich einige Möglichkeiten, die aufwendig sind, aufzubrechen, das Ganze transparenter zu machen und da muss auch jetzt im Zuge dessen, dass KI immer stärker gefördert wird, sehr viel passieren.”

 

Anne: “Find ich cool, dass du das Thema noch angeschnitten hast. Allein das Thema KI ist wirklich eine Blackbox und wenn dann nicht einmal Programmierer nachvollziehen können, was da passiert, ist das sehr kritisch. Da sind wir wieder beim Thema Stereotype. Am Ende läuft vieles auf die persönliche Entwicklung und das Interesse von jedem und jeder einzelnen hinaus, was verändern zu wollen.”

 

Maren: “Genau, aber auch die Akzeptanz wirken zu dürfen. Es ist ja leider nicht damit getan, dass man selber Interesse dafür aufbringt und sich in dem Bereich engagiert. Man muss auch in diese Bereiche hineingelassen werden. Da gibt’s auch einige Beispiele von Frauen, die den Weg in Tech gegangen sind, die meinetwegen Informatik studiert haben, die dann wieder gehen. Die einfach nach ein paar Jahren wieder gehen oder die totale Schwierigkeiten haben trotz mehrfacher Qualifikation einen Job zu finden. Da stößt man dann auch wieder auf Vorurteile, die einem dann die Wege auch versperren. Es ist leider nicht nur damit getan, den richtigen Weg einzuschlagen, sondern man muss schon auch diese Kulturen verändern oder an die richtigen Leute geraten. Das muss man auch sagen. Ich hatte in meinem Werdegang super viel Glück gehabt in dieser Bubble, wo ich beispielsweise Programmieren gelernt hab und auch in dem Unternehmen, wo ich jetzt bin, auf Menschen zu treffen, die nicht diesen Stereotypen unterlegen sind, die sich auch aktiv dagegen stellen oder sich damit auseinandersetzen. 

Ich glaube, das Problem bei diesen Stereotypen ist, wir lernen die ja alle und die helfen uns ja auch an bestimmten Stellen, aber dann gibt es Punkte, wo man sie hinterfragen und neu lernen muss.”

 

Anne: “Ich habe noch eine letzte Frage: Wir haben jetzt über große Themen gesprochen. Deutscher Frauenrat ist natürlich auf Bundesebene politisch spannend und ich finde, du hast jetzt extrem viele Impulse gesetzt. Was würdest du denn unseren Zuhörer*innen raten: Wie können wir jetzt dieses Gespräch noch mal mitnehmen in unseren Alltag, um uns nicht erschlagen zu lassen von dem großen politischen Geschehen, sondern selbst loslegen zu können?”

 

Maren: “Ich gehe davon aus, die Person, von der wir gerade sprechen, ist schon digital unterwegs. Super cool fände ich, ein bisschen Mentoring zu übernehmen, wenn man Menschen in seinem Umfeld sieht, die sich vielleicht nicht so gut auskennen oder bei Kindern, die in der Schule vielleicht nicht solche Dinge lernen, die wir vielleicht erwarten, die sie lernen würden, wie man sich zum Beispiel im Internet bewegt. Dass man da einfach Unterstützung bietet und auch ein Rolemodel ist. Meinetwegen seine Technikbegeisterung vor sich her trägt, um zu zeigen, dass man eine weiblich identifizierte Person ist und Technik cool findet. Technik ist auch super cool. 

Wenn man arbeitet, kann man vielleicht sein Arbeitsfeld betrachten und sich fragen, ob man gut gerüstet ist. Was passiert eigentlich mit meinem Arbeitsfeld in den nächsten Jahren oder wie wird Digitalisierung vielleicht mein Arbeitsfeld verändern? Oder sich fragen, welcher Job interessiert mich denn eigentlich? Weil es werden so viele neue Jobprofile kreiert, wo man häufiger getriggert wird und irgendwie Lust hat zu wissen, was machen die denn? Wenn man sowas spürt, find ich es gut, sich Verbündete zu suchen und einmal anzurecherchieren, wie man da hinkommen kann und auch seine Eigeninitiative nutzen und um Unterstützung fragen. Netzwerken find ich super wichtig, um Hilfe zu bekommen und um Ideen und Impulse zu bekommen.”

 

Anne: “Und nicht schüchtern zu sein.”

 

Maren: “Und selbst wenn man schüchtern ist, denn es ist okay beim Netzwerken schüchtern zu sein, aber dann kann man sich vielleicht andere Wege suchen, um Leute anzusprechen. Ich krieg beispielsweise häufiger mal Anfragen über LinkedIn von Menschen, die ich nicht wirklich kenne, die sagen: “Ach du hast doch das und das gemacht, finde ich super spannend. Ich mach so was ähnliches. Können wir uns mal eine halbe Stunde zusammen telefonieren oder kann ich dich auf einen Kaffee einladen?” Ich finde, da muss man sich auch nicht scheuen, die Leute anzusprechen. Mir haben so viele Leute geholfen auf diesem ganzen Weg, auch beim Quereinstieg in die Programmierung. Ich will auch gerne etwas zurückgeben. Es geht anderen auch so. Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass die Person nein sagt. Wenn einem die persönliche Ansprache vielleicht bisschen viel ist, dann kann man es auf schriftlichem Weg probieren oder in eine Gruppe gehen, dort zuerst einmal zuhörern. Das geht auch für schüchterne Menschen.

 

Anne: “ Vielen Dank! Wir werden deine Kontaktdaten in die Shownotes setzen und vielleicht meldet sich ja jemand, die eine oder andere. Dann könnt ihr euch gegenseitig befeuern. Auf jeden Fall hast du mich motiviert und befeuert. Vielen Dank für das Interview, Maren.” 

 

Maren: “Sehr gerne. Ich danke dir.” 

 

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