Seit zwölf Jahren hatte sie ihr persönliches Profil unter ihrem bekannten Web-Namen „El Maira“, dabei acht Administratoren-Rollen, u.a. für ihr eigenes Unternehmen green-boxx und verschiedene Gruppen der Digital Media Women: Von einem Tag auf den anderen hatte unsere 1. Vorsitzende Samira Djidjeh keinen Zugriff mehr auf ihr Facebook-Konto sowie ihren Instagram-Account und keine Möglichkeit zur direkten Kunden-Kommunikation. Eine Warnung in Zeiten, in denen viele von uns wertvolles Branding auf den Plattformen aufgebaut haben.
Wie und wann hast Du gemerkt, dass etwas mit Deinem Facebook-Profil nicht stimmt?
Samira: Ich war mitten in einer Videokonferenz und hatte – wie eigentlich immer – mein Profil nebenher offen. Während des Gesprächs habe ich gesehen, wie ich ausgeloggt wurde. Danach konnte ich mich nicht mehr anmelden. Stattdessen erhielt ich ein Pop-up, dass ich mein Alter nachweisen soll, indem ich meinen Ausweis hochlade.
Wie hast Du reagiert?
Samira: Erstmal perplex, was ich meiner Kollegin in der Videokonferenz auch direkt mitgeteilt habe. Meine Kollegin ist zufälligerweise Expertin für Cybersecurity und hat mir sofort ein paar Fragen gestellt, um zu checken, ob ich vielleicht gehackt worden bin oder das Ganze ein Fake ist.
Nachdem wir uns sicher waren, dass das echt ist, habe ich nach dem Gespräch weiter recherchiert, um Kontakt zu Facebook aufzunehmen oder eine Lösung zu finden. Dabei habe ich festgestellt, dass es tatsächlich schwierig bis unmöglich ist, als normale:r User:in in persönlichen Kontakt mit Facebook zu kommen.
Gab es denn irgendeine Begründung?
Samira: Die Begründung lag im Alter – das Mindestalter auf Facebook ist meines Wissens 13 Jahre, ich bin seit zwölf Jahren Mitglied – rein logisch macht das gar keinen Sinn.
Dann sollte man ja annehmen, dass sich so ein Missverständnis aufklären lässt?
Samira: Eigentlich schon. Aber es gibt keine Chance auf einen echten Austausch, einen persönlichen Kontakt. Dabei ist so eine Kontosperrung ja wirklich eine ernste Angelegenheit.
Viele, die eh nicht viel von Facebook halten oder sich gar nicht auf Social Media Plattformen bewegen werden sagen, warum ist das so dramatisch?
Samira: Für mich ist das auf mehreren Ebenen sehr einschneidend. Als Unternehmerin fehlt mir jetzt der Zugriff auf unser Profil, zum Glück hat mein Geschäftspartner noch Zugriff. Als Vorsitzende der Digital Media Women kann ich zu meinen zahlreichen Kontakten keine Verbindung mehr halten und meiner Rolle als Administratorin in mehr als acht Gruppen nicht mehr nachkommen. Auch andere ehrenamtliche Tätigkeiten wurden damit gekappt. Aber vor allem sind es Freunde und Familie in anderen Ländern und Städten, mit denen ich über gemeinsame Gruppen, Messenger und Beiträge verbunden und auf dem Laufenden bleibe. Gerade in diesen Zeiten also ein besonders bitterer Verlust der Infrastruktur für mich und andere mir nahestehende Menschen.
Warum hast Du dann Deinen Ausweis nicht einfach hochgeladen?
Samira: Es wirkt so wie eine Kleinigkeit, zack, mal eben schnell den Ausweis rausgeben und alles ist gut. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unsere Daten für die Unternehmen äußerst wertvoll sind. Die Nutzung der Plattformen bezahlen wir freiwillig mit unseren Daten und Informationen, die wiederum Algorithmen verbessern und zu noch mehr Macht der Plattformbetreiber beitragen. Mir ist der Wert meiner Daten für Facebook & Co. also sehr bewusst. Und ich finde, das sollte nicht bagatellisiert werden, schon gar nicht, wenn man auf der anderen Seite als Nutzer:in keine gute Kommunikation und Support durch die Unternehmen bekommt.
„Es wird immer klarer, dass sich etwas ändern muss“
Du hast Dich dann an die Süddeutsche Zeitung gewandt. Gab es daraufhin eine Reaktion des Unternehmens?
Samira: Ich habe einen Kontakt zur Pressestelle von Facebook bekommen und mit zwei Mitarbeitern per E-Mail gesprochen. Auch diese beriefen sich auf „Richtlinien zum Altersnachweis“. Nachdem der Redakteur dann ebenfalls nachgehakt hat, haben beide Mitarbeiter mit ihm telefoniert und versucht, die Relevanz seines Berichts herunterzuspielen. Dabei geht es in dem Artikel ja nicht hauptsächlich um mich, sondern um den Umgang der Plattformen mit ihren Nutzer:innen, an meinem Beispiel. An meiner Kontosperrung hat sich seitdem nichts geändert (Stand 29. April). Nur mein Instagram-Profil ist inzwischen wieder freigegeben.
Welche Tipps kannst Du Leser:innen aus dieser Erfahrung heraus geben?
- Seid auf mehreren Plattformen vertreten, streut das Risiko. Ihr müsst leider immer auf eine plötzliche Sperrung gefasst sein.
- Sorgt dafür, dass Ihr immer mindestens zwei Admins für eine Seite habt, gerade in großen Netzwerken oder im Business.
- Versucht, Eure Daten zu sichern, wo immer es geht. Denn auch bei Google oder anderen Plattformen kommen Sperrungen inzwischen vor.
Was ist Deine Forderung, bzw. Dein Wunsch an die Plattformen?
Samira: Für solche Fälle muss eine Kommunikation möglich sein. Wir reden inzwischen über Business-Relevanz und eine selbstverständliche Nutzung digitaler Plattformen als nahezu lebensnotwendiger Infrastruktur. Diese muss ermöglicht werden, wenn offensichtlich keine Straftaten vorliegen.
Wirst Du rechtliche Schritte einleiten?
Samira: Ich denke tatsächlich darüber nach, denn es wird immer klarer, dass sich etwas ändern muss für die Plattformen, die ihre Macht so willkürlich gegen ihre Kund:innen einsetzen können.
Vor allem ist es mir aber wichtig, mit anderen Leuten über Medien- und Datenkompetenz nachzudenken, und dazu gehört auch der Umgang mit persönlichen Daten im Netz. Ich bin der Meinung, wir sollten den Institutionen vertrauen können, mit denen wir persönliche Daten und Dokumente teilen, um zweckfremden Missbrauch zu vermeiden. Andersrum gefragt: Wie groß ist wohl mein Vertrauen in ein Unternehmen, das nicht mit mir sprechen möchte – nein, vielmehr alles dafür tut, um von mir als Nutzer:in nicht persönlich kontaktiert zu werden?
Beitragsfoto: Henny Radicke