Warum mehr Frauen in Führung gehören

#dmwday_panel

…und warum wir davon noch meilenweit entfernt sind – und was wir trotzdem tun können.

Eine Vielzahl von Studien belegt, dass Vielfalt in der Unternehmensführung direkte positive Auswirkungen auf die Profitabilität und den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen hat. Und dennoch tun sich viele Unternehmen in Deutschland schwer damit, die richtigen kulturellen Weichen dafür zu stellen. Der Anteil von Frauen in Führungspositionen stagniert. Bei weiblichen Vorständen bildet Deutschland im Vergleich zu anderen Industrienationen das Schlusslicht.

Und doch gibt es sie: die Erfolgsgeschichten! Mit der #30mit30-Kampagne suchen die Digital Media Women (#DMW) 30 Unternehmen, die ihre Entwicklung hin zu 30 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen erfolgreich bewältigt haben. Sie untersuchen, was Unternehmen motiviert, welche kulturellen Hürden sich auftun, welche Maßnahmen und Methoden funktionieren und welche positiven Auswirkungen sich abzeichnen. Am #DMWday haben wir aus verschiedenen Perspektiven über die Motivation, Methoden, Hürden und Erfolge des Kulturwandels gesprochen.

Lisa Ringen: Viele Studien belegen, dass es Vorteile hat, eine ausgewogene Führungsriege in die Unternehmen zu bringen. Wirtschaftlicher Erfolg ist einer davon, auch eine bessere Unternehmenskultur. Aktuell sind aber die meisten Unternehmen meilenweit davon entfernt. Unsere Panelteilnehmerinnen werden heute ihre Erfahrungen mit uns teilen.

Dr. Yvonne Bauer ist Doktorin der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und arbeitet als Referentin Innovation, Digitalisierung und Fachkräftesicherung, Freie Hansestadt Bremen, bei der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.
Sie war vorher selbstständig als systemische Beraterin für Unternehmensnachfolge und Teamentwicklung und hat ihre Promotion 2002 über den Einfluss von neuen Technologien auf Körperkonzepte geschrieben.

Maike Gerstmann ist Referentin in der Direktion für Unternehmensentwicklung und Menschen bei Radio Bremen und unter anderem zuständig für Diversity und die Gleichstellung von Frauen. Außerdem ist sie Leiterin der Arbeitsgemeinschaft „Mehr Frauen in Führung“ und vertritt Radio Bremen bei der ARD, wenn es um Diversity-Themen geht. Davor war sie 16 Jahre als Journalistin in verschiedenen Redaktionen tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Bettina Dannheim ist Geschäftsführerein bei Cambio, einem Unternehmen, das wir für die #30mit30-Kampagne interviewen durften. Zu ihren Aufgaben als Geschäftsführerin gehören Marketing, Personal und bis vor kurzem auch der zentrale Einkauf von Fahrzeugen. Sie hat in unserem Vorgespräch gesagt: „Mit etwas mehr als 30 Prozent Frauen in der Führungsriege sind wir bei Cambio schon ganz gut. Aber auf diesem Niveau dürfen wir uns nicht ausruhen. Mehr Frauen im Team und nicht nur in der Führung wären klasse.“

Clever digitalisieren, das ist der Wahlspruch von #DMW-Vorständin Sandra Stamer. Sandra Stamer ist selbstständige Beraterin und Projektleiterin und Expertin für Digitalisierung im Kundenservice. Das betrifft zum Beispiel Response-Management-Systeme, Beschwerdemanagement, die Einführung von SAP oder CRM.

Sandra, unsere These auf diesem Panel ist: Es gehören mehr Frauen in Führungspositionen. Warum denn eigentlich?

Sandra Stamer: Frauen in Führung bedeutet Vielfalt und Vielfalt ist ein Wettbewerbsvorteil für Unternehmen. Mitarbeiter sind zufriedener, Talente können ins Unternehmen gezogen werden, man entwickelt bessere Produkte, weil unterschiedliche Perspektiven einbezogen werden. Vor diesem Hintergrund macht es überhaupt keinen Sinn, zu sagen, dass Vielfalt für Führungsetagen nicht gelten muss. Speziell im Bezug auf die digitale Transformation muss ich als Unternehmen schnell auf Trends und Entwicklungen am Markt reagieren können – dafür brauche ich alle Perspektiven.

Ich freue mich schon auf die ganz junge Generation, für die Chancengleichheit nicht mehr verhandelbar ist. In einer Studie von Ernst & Young wurden junge Leute gefragt, wofür sie sich als Beschäftigter im Unternehmen engagieren würden – die meisten haben Chancengleichheit angegeben. Damit sind wir bei Frauen in Führung und bei Vielfalt.

Lisa Ringen: Warum sind wir davon denn dann noch meilenweit entfernt?

Sandra Stamer: Der aktuelle Women-on-Board-Index hat gezeigt, dass das Wohlwollen der Unternehmen nicht hilfreich ist, sondern dass wir die Quote brauchen. Wir sind bei Aufsichtsräten bei einer Quote von ungefähr 33 Prozent und bei Vorständen und in Unternehmen bei 14 Prozent Frauen.

Viele Medien haben darüber sehr positiv berichtet, so in die Richtung: „Geil, die Quote in Vorständen ist so hoch wie nie.“ Und dann lese ich den Untertitel und  denke: „14 Prozent?!“ Von daher sind wir noch meilenweit entfernt, aber immerhin  quotenträchtig.

Lisa Ringen: Bettina, dein Unternehmen Cambio Carsharing hat von Anfang an Wert auf einen ausgewogenen Führungsverhältnis gelegt. Wie erhaltet ihr das aufrecht?

Bettina Dannheim: Cambio entstand in den 90er Jahren aus der Stadentwicklung. Daran waren viele Vereine mit hohem Frauenanteil beteiligt – Architektinnen, Stadtentwicklungsplanerinnen – , weshalb unser Frauenanteil von Anfang an hoch war. Diese Frauen haben dafür gesorgt, dass sich in ihrem Umfeld andere Frauen entwickeln und aufsteigen konnten.

Allerdings müssen wir ein Auge darauf haben, dass das so bleibt. Denn aktuell wachsen wir sehr stark in den Bereichen Fuhrpark, IT und Software-Entwicklung und in diesen Bereichen bekommen wir sehr wenige Bewerbungen von Frauen. Das heißt, der prozentuale Anteil an Männern, die wir einstellen, ist in diesen Bereichen exorbitant hoch und das macht es schwer, dort Frauen in Führung zu bringen. Je nachdem, wie sich das Unternehmen in Zukunft entwickelt, könnte es also schwer sein, die 30 Prozent Frauenanteil in Führungspositionen zu halten. Dabei brauchen wir diese Vielfalt, wir brauchen diese Diversität, denn nur dadurch können wir  Dienstleistungen und Produkte im Interesse aller entwickeln und nicht nur der Männer.

Abgesehen davon hat mangelnde Vielfalt einen Einfluss auf die Atmosphäre. Im Beratungsgremium waren wir mal drei Männer und drei Frauen. Aktuell bin ich die einzige und das ist definitiv anders. In Bundesvorstand der Carsharing-Organisation war ich lange die einzige Frau mit fünf Männern, jetzt sind wir zu zweit. Auch die Männer können eine tolle Atmosphäre machen, das ist gar kein Thema, aber irgendwie ist es anders, wenn du die einzige Frau in so einer Runde bist.

Lisa Ringen: Maike, bei Radio Bremen als Landesrundfunkanstalt gelten ja, anders als für die Unternehmen, strengere gesetzliche Auflagen in Bezug auf Diversity. Macht es das leichter, eine gemischte Führung zu etablieren?

Maike Gerstmann: Ob es leichter ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich seit 20 Jahren bei Radio Bremen bin – ich habe keinen Vergleich. Es hilft aber in der Argumentation, dass wir an das Bremische Landesgleichstellungsgesetz gebunden sind, das eine Gleichstellung von Mann und Frau, also 50/50, vorsieht. Gleichzeitig haben wir den öffentlich-rechtlichen Auftrag und müssen auch zusehen, dass wir in unserer Belegschaft die Gesellschaft widerspiegeln. Trotzdem ist es nicht immer leicht im Haus, das durchzusetzen, denn auch wir haben immer noch eine männlich geprägte Führungskultur. Wir haben inzwischen eine Intendantin, aber es dauert, bis sich die Unternehmenskultur ändert.

Das Wichtigste ist, wenn man die Argumente auf seiner Seite hat und die Geschäftsleitung dies unterstützt. Wir haben eine Frauenbeauftragte bei Radio Bremen – keine Gleichstellungsbeauftragte, denn Bremen hat ja auch eine Frauenbeauftragte – und wir haben die AG „Mehr Frauen in Führung“, die ich seit April leite. Das ist ein Mentoring-Programm, mit dem wir inzwischen drei Durchgänge gemacht und dort auch tatsächlich tolle Talente im Haus gefunden haben, die mittlerweile in Führungspositionen gegangen sind. Was es vielleicht für uns leichter macht: Wir sind kein wirtschaftliches Unternehmen. Natürlich haben wir auch einen gewissen Druck, aber anders als ein Unternehmen, das rein wirtschaftlich denken muss.

Lisa Ringen: Maike, was waren aus deiner Sicht wirkliche Erfolgserlebnisse?

Maike Gerstmann: Also das Mentoring-Programm habe ich ja schon erwähnt. Lustigerweise habe ich mit – bevor ich in der AG „Mehr Frauen in Führung“ war – für die Pilotrunde des Mentoring-Programms beworben, wurde aber nicht aufgenommen. Aber allein die Bewerbung hat mir mehr Sichtbarkeit bei Radio Bremen gegeben und mir geholfen, beruflich weiterzukommen.

Auch unsere Business Lunches funktionieren gut. Dabei geht eine Führungsfrau von Radio Bremen mit einigen Mitarbeiterinnen Essen und man kann sich anderthalb Stunden locker austauschen, welche Skills auf der Führungsebene nötig sind. Vielen Frauen nimmt das die Angst, einer Führungsaufgabe nicht gewachsen zu sein. Auch zum Netzwerken im Haus ist das prima.

Darüber hinaus organisieren wir Gesprächsreihen, zum Beispiel letztes Jahr zum Thema Topsharing, also das Aufteilen von Führungspositionen zwischen zwei Personen. Dieses Jahr haben wir rund um den Diversity-Tag Ende Mai eine Woche „Sieben Tage, sieben Dimensionen“ veranstaltet, in der wir jeden Tag eine Vielfaltsdimension thematisiert haben.

Lisa Ringen: Bettina, ist es deine Erfahrung, dass dieses Ansprechbarsein auf Augenhöhe für andere Frauen ein Türöffner sein kann?

Bettina Dannheim: Auf jeden Fall. In letzter Zeit haben wir im Unternehmen verstärkt auf Teilzeit mit bis zu 70-prozentigem Homeoffice-Anteil gesetzt, um auch Frauen mit Kindern in Führung zu bringen. Wir ermöglichen mehr Flexibilität innerhalb der Teams, die sich untereinander absprechen, wer wann zu Hause ist und wer im Office. Das ist eine wichtige Erkenntnis aus der Coronazeit: Homeoffice funktioniert. Präsenz muss auch sein, aber 70/30, also 70 Prozent Homeoffice, schafft für Frauen ganz andere Chancen. Führung ist auch mit 24 Stunden pro Woche möglich.

Lisa Ringen: Yvonne, Transformation, Veränderung: Ist das, was jetzt Maike und Bettina beschrieben haben, Zeitgeist? Passt das zur Transformation des Arbeitsmarktes?

Dr. Yvonne Bauer: Ich hoffe, dass es noch mehr Zeitgeist wird. Aber die Frage ist auch, wie es denn eigentlich mit unserer Zukunft, mit unserer Gesellschaft, mit unserer Wirtschaft weitergeht. Ich bin ja in der Abteilung Industrie, Innovation, Digitalisierung und als ich da angefangen habe, habe ich mich schon auch gefragt, was Innovation denn eigentlich ist und wie sie entsteht, vor allem, weil wir in vielen Branchen gesehen haben, dass bestimmte Entwicklungen an Grenzen gekommen sind – Stichwort Verbrennungsmotor.

Es lohnt sich also, zu fragen, welche Rahmenbedingungen Innovation braucht. Viele Unternehmen zeigen, dass Diversität andere Produkte, andere Technologien hervorbringt und Frauen in Führung sind ein Teil davon.

Wenn ich so ein Argument bringe, reagieren Menschen sehr unterschiedlich. Einige sagen dann: Ja, finde ich spannend, lass uns das ausprobieren. Andere sagen: Wieso tun Frauen mehr für Diversität und Männer weniger? Ist das nicht wieder eine Geschlechterzuschreibung, die wir doch hinter uns lassen wollen? Ich glaube, wir werden immer noch als Männer und Frauen erzogen, mit entsprechenden Vorstellungen von Stärken und Kompetenzen. Im Moment würde ich deshalb mehr in Richtung Quote zu gehen – möglichst sogar 50/50 – und dann herauszufinden, welche neuen Technologien entstehen, die uns bei den Herausforderungen im Bereich Energie, im Bereich Gesundheit, im Bereich Mobilität helfen. Und außerdem macht Führung auch verdammt viel Spaß. Oder nicht? Man kann über Geld entscheiden, man kann über Ziele entscheiden, man kann Leute motivieren, man kann sich über Feedback freuen. Ich finde, das ist eine wunderbare Lebensaufgabe.

Lisa Ringen: Sandra, du hast ja auch in den Kundenprojekten, die du managest, Erfahrungen mit Teamzusammensetzung gemacht. Hast du diese Kommunikationshürden oder dieser Kommunikationserleichterung durch Diversität auch schon festgestellt?

Sandra Stamer: Im Kundenservice hat man schon diverse Teams, allerdings nicht auf der Führungsebene. Und wenn es Führungskräfte sind, haben die Frauen meistens keine disziplinarische Verantwortung, sondern sind die fleißigen Bienchen, die den ganzen Job machen, aber nicht entscheiden dürfen. Das Management darüber  ist tatsächlich meist männlich und nicht divers.

In Konzernen habe ich oft erlebt, dass die Führungsstruktur sehr, sehr deutlich männlich ist. Solange ich diese Hürde von 30 Prozent nicht knacke, ändere ich auch nichts in der Struktur, nichts in der Kommunikation. Es gibt Studien dazu, dass Minoritäten mit 30 Prozent besetzt sein müssen. Wenn man in einem Konzern als einzige Frau in einer Besprechung sitzt, wird man automatisch zum Beispiel als verantwortlich für die Raumbuchung gesehen, denn die anderen sind ja Führungskräfte. Das kriegt man nicht aus dem System heraus, indem man eine Frau dazwischensetzt.

Wir hatten damals eine Zielquote: Wir hatten einen Ist-Bestand im Management von null und als dann Zielquoten gemacht werden mussten, haben sie die Zielquote null gesetzt. Da sitzt man dann und denkt sich: Lachen oder Weinen?

Ich habe gekündigt, mich selbstständig gemacht und bin seitdem am Markt gut unterwegs. Man muss sich nicht immer alles gefallen lassen. Das muss nicht jeder machen, aber es lohnt sich hinzugucken und sich nicht in diese Rahmenbedingungen zwängen zu lassen.

Lisa Ringen: Ich habe mal einen ganz tollen Tipp bekommen in einem Führungskräfteseminar für Frauen. Die Trainerin sagte: „Bleiben Sie doch einfach mal sitzen und warten Sie ab, was passiert, wenn der Zucker alle ist oder die Milch. Setzen Sie sich auf Ihre Finger, machen Sie nichts.“ Das fand ich ganz toll. Yvonne, krasser Bruch jetzt: Warum ist es wichtig – nicht nur für Bremen, sondern auch für andere Bundesländer –  den Blick auf die Beschäftigung von Frauen zu richten?

Dr. Yvonne Bauer: Bei uns in Bremen sind Frauen zu wenig in Beschäftigung und zu wenig in Führungspositionen. Wir haben in beiden Bereichen den letzten Platz im Bund. Unsere Führungsquote liegt bei 22 Prozent, in Brandenburg bei 31 Prozent. Das hat sehr viel damit zu tun, dass wir ein Industriestandort sind und waren und deshalb viele Berufszweige, viele Branchen, viele Unternehmen haben, die noch sehr männlich dominierte Arbeitsstrukturen aufweisen. Darum haben wir diese niedrige Quote. Wir müssen also Bedingungen schaffen, die auch für Frauen attraktiv sind.

Wir treffen uns regelmäßig mit Personalverantwortlichen und legen gerade mit kleinen und mittelständischen Unternehmen Best-Practice-Projekte zum Thema Frauen in Führung auf. Auch bei der Kinderbetreuung ist noch viel zu tun.

Lisa Ringen: Vor dem Hintergrund der digitalen Transformation wäre es wichtig, mehr Frauen in die IT zu bringen, um zum Beispiel beim Entwickeln von künstlichen Intelligenzen auch die weiblichen Perspektiven zu berücksichtigen.

Dr. Yvonne Bauer: Genau. Wie gelingt es uns, dass wir diskriminierungsfreie Algorithmen entwickeln und programmieren? Aus der Perspektive der Wirtschaftsförderung müssen wir Anreize für ethische Produkte schaffen und Rahmenbedingung so steuern, dass andere Produkte entstehen können. Da hilft es schon, wenn man Programmierer*innenteams divers aufstellt.

Mir fällt dazu ein Satz ein, den ich letztens gehört habe: Zukunft ist etwas ganz anderes als die Verlängerung der Gegenwart. Wie gelingt es uns also, nicht die Gegenwart zu verlängern mit dem immer Gleichen, sondern wie kriegen wir den Bruch oder das Neue in die Welt? Da kommt es auch sehr stark auf die Männer an, die jetzt im Moment noch in den Unternehmen in den Führungspositionen sind, dass sie sich mit uns gemeinsam auf den Weg machen. Wir haben viele Präsidenten und Vorstände und darunter haben wir ganz oft Frauen, die Geschäftsführung machen, die Assistentinnen sind. Wie wäre es, wenn wir genau diese Hierarchie mal umdrehen und schauen, was daraus in den Unternehmen, in der Unternehmenskultur entsteht.

Lisa Ringen: Zum Schluss noch eine Runde „Wünscht euch was“. Was wäre denn aus eurer Sicht die wirklich wesentliche Rahmenbedingung, um diese Ausgewogenheit herzustellen?

Maike Gerstmann: Der Wandel muss von der Geschäftsführung mitgetragen werden, sondern hilft auch eine Frauenbeauftragte nicht. Und was es auch braucht, ist: Männer. Ganz einfach. Denn um eine Kultur zu verändern, brauchen wir auch die Männer, denn sie sind ja Teil des Unternehmens. Deshalb müssen wir Männern ihr Privilegiertsein bewusst machen und ihnen außerdem klarmachen, was sie davon haben, wenn Frauen in Führung gehen oder wenn wir uns überhaupt diverser aufstellen.

Sandra Stamer: Es gab vor Jahren mal eine Studie, die hat mir die Tränen in die Augen getrieben: Wenn wir es so laufenlassen ist die Gleichberechtigung in 130 Jahren erreicht. Die Coronapandemie hat uns tatsächlich ein, zwei Generationen zurück katapultiert. Ich bin jetzt 47, plus 130 – da komme ich nicht mehr hin. Das heißt, ich bin da sehr motiviert, das auch voranzutreiben. Für mich wäre der größte Schritt tatsächlich die Geschlechterquote. Ich will gar nicht sagen, dass es Frau und Mann sein muss, aber die Geschlechterquote. Ich bin einfach zu ungeduldig, darauf zu warten, dass sich da von alleine was tut. Das heißt, ich werde alles dafür tun, das anzuschieben.

Dr. Yvonne Bauer: Dem schließe ich mich an. Wenn die Quote auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, gibt es den permanenten Konflikt zwischen Frauenbeauftragten, Personalchefs, Unternehmensleitung und Betriebsräten nicht mehr. Dann diskutiert man nicht mehr ob, sondern nur noch wie.

Ansonsten gibt es noch viele andere Rahmenbedingungen, die darauf angelegt sind, Anreize zu schaffen. Es gibt die Landesstrategie für Gendergerechtigkeit und Entgeltgleichheit, die ab Herbst in Kraft treten soll. Unternehmen können steuerlich profitieren oder bestimmte Fördergelder bekommen, wenn eine bestimmte Quote erreicht wird.

Lisa Ringen: Wir haben also Männer als alliierte Chef*innen, die das Ganze im eigenen Unternehmen vorantreiben. Dann haben wir die Quote und Anreize. Bettina?

Bettina Dannheim: Anreize und Förderprogramme helfen sicher vielen Unternehmen. Die Förderung muss tatsächlich schon deutlich früher einsetzen, nämlich so, dass Frauen überhaupt ein Interesse für technische Berufe entwickeln können. Da muss noch einiges getan werden, damit sich nicht immer nur die Mädchen fürs Marketing und die Jungs für den Fuhrpark bewerben. Und vielleicht müssen wir schon in der Schule anfangen. In den Unternehmen brauchen wir mehr Männer, die bereit sind, ihre Komfortzone und ihre gewohnten Strukturen zu verlassen und mit Frauen zusammenzuarbeiten.

Lisa Ringen: Ganz herzlichen Dank an euch vier für dieses tolle Gespräch!

Das Interview wurde gefördert von der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa.

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