Gestern in einem Loft in der Schanze: Zwei Agenturen, das Hamburger Stadtmarketing, Otto und Sparda bespaßen 64 Blogger und Social-Media-Gäste. Das Ziel: Stimmung machen für die neue SM-WG in HH. SM? Tja, Social Media natürlich…
Wer ist die Schönste im ganzen Land? Hamburg, natürlich! Alle, die hier wohnen, die wissen das schon. Und alle, die zu Besuch kommen, lassen sich an Alster, Elbe und Co schnell überzeugen: D’accord! Was auch alle wissen, die hier schon wohnen, ist, dass es verdammt schwierig ist, eine bezahlbare Bleibe in einem coolen Stadtteil zu ergattern. Telefonnummern von Vermietern leerer Wohnungen werden hierzulande vertraulich weitergeflüstert wie anderswo Muttis Knödelrezept.
Daher stieß der Titel der gestrigen Veranstaltung „Die Hamburg WG“ erstmal auf eine Menge Skepsis unter den geladenen „Social Media Experten“, siehe #hh_wg. Denn: Das Stadtmarketing Hamburg mit den Partnern Otto, Sparda und Radio Hamburg hat ein paar Milliönchen Euronen (jeder wohl so einen niedrigen sechstelligen Betrag, vermutet man) in die Hand genommen und richtet ein schnuckeliges Loft in einem Hamburger In-Stadtteil für vier Neu-Hamburger her. Neue Macbooks, technische Infrastruktur, Taschengeld für Ausflüge und vier Jobs inklusive: je eine Social-Media-Stelle bei Sparda und Otto, eine Volo-Stelle bei Radio-Hamburg (in der „Social Media Redaktion“ – aha… ) und eine Wildcard (sachsuselberwassumachenwillst). Das Ganze gibt’s natürlich nicht umsonst. Nein, die WG-Kumpels müssen das machen, was sie wahrscheinlich sowieso den ganzen Tag machen würden: live aus Hamburg twittern, bloggen und posten. Ein Traum? Jepp. Für viele zwischen 18 und 30 wahrscheinlich schon. Big Brother gibt’s nicht, keine Dauer-Kameras in der Nobelhütte, sondern selbst gewählte Outputs.
Was soll das denn?
Hinter der Social-Media-WG im MTV-Real-World-Style steht natürlich ein Ziel: Hamburg soll eine Image-Kampagne bekommen, die auch die jungen Menschen in die Hanse zieht – und mit ihnen möglichst einen Haufen Investoren, Steuergelder, Touristen und einen guten Ruf, der sich weltweit über Social Media viral verbreitet. Vorbilder: Amsterdam und Barcelona. Dabei haben sich die Initiatoren laut Stadmarketing-Geschäftsführer Thorsten Kausch ganz bewusst für die jungen Erwachsenen entschieden und nicht für die Silver Surfer, da diese noch eine „Landungsbrücke“ (so der Arbeitstitel des Projekts) suchen, von der sie in eine lebenslange Karriere starten. Hintergund: Die sozio-demografische Pyramide steht Kopf – und es wär doch nicht schlecht, die jungen Trendsetter lokal rund um Elbe und Alster zu locken. Klar, da ja viele Hanseaten für immer in Hamburg bleiben wollen, bleiben die Silver Surfer vielleicht eh hier – dann brauchen wir Hamburger on top die Youngsters.
Jetzt kann man sich an den Kopf fassen und sagen: Die spinnen doch, die Marketer! Jetzt haben wir eh schon so wenig Wohnraum und dann schleusen die noch mehr Leute in den Wohnungsmarkt. Das dachte ich jedenfalls, als ich die Einladung las. Nach vielen kritischen Nachfragen und Gesprächen mit den Initiatoren änderte der Gedanke die Richtung: Sie haben Recht. Wir leben nun mal (Gott sei Dank) nicht in einer Planwirtschaft.
Die Stadt kann also nicht loslegen, in den Szene-Stadtteilen alle Häuser aufstocken und die Veddel und Wilhelmsburg schick machen (oder auch trendiger/ sicherer/ …), und dann erst den „Pull“ erzeugen. Es muss wohl andersum laufen, damit wir alle in Hamburg gut wohnen können. Vielleicht ist das hier die große Chance, den Wohnungsfrust trotz Hamburg-Lust mal ganz authentisch zu sharen und so eine Änderung herbeizubloggen. Oder was meint ihr? Die „hh-wg“ will jedenfalls soweit möglich bei Vermittlungen helfen/ sie auf ihrer Plattform darstellen, bindet aber keine eigene Datenbank oder andere Tools an.
Alle Fakten zur Bewerbung auf die vier Traum-Lebens-Arbeits-WG-Plätze gibt’s hier. Die Vorauswahl erfolgt durch die Unternehmen, unter der Feinauswahl der Bewerber gibt’s ein Online-Voting. Ob die Bewerber mit den meisten Followern die besten Chancen haben, blieb unklar.
Agentur-Schnick-Schnack und ein neuer Umgang
Was wirklich interessant war an der Veranstaltung, war, zu sehen, mit welchem Respekt die gestandenen Marketer und PR-Officer die anwesende Social-Media-Truppe um ihre Meinung bat. Es gab feinstes Asia-Essen und Fingerfood, Astra und Prosecco (plus obligatorisch-hamburgische Rhabarberschorle). All das, um eine Atmo zu erzeugen, in der das Projekt möglichst wohlwollend von den Bloggern und Twitterern aufgenommen wird. Manipulativ? Nö. Es war ein Umfeld, wie es oft bei gut gemachten Pressekonferenzen und Produktpräsentationen von Agenturen kredenzt wird. Etwas Plaste-Elaste fühlten sich zwar die Hostessen und Hosts (oder wie heißen männliche Promoter?) an, die leere Umzugskisten durch die Gegend schleppten und ohne Farbe „Wände streichen“ simulierten. Aber im Großen und Ganzen spiegelte das Event vor allem eins wieder: Die Leader aus den Unternehmen wissen, dass sie bei Social Media mitmachen müssen – und sie beobachten fasziniert, dass keiner Kontrolle über die Kommunikation hat, die daraus entstehen kann, wenn jeder schreiben kann, was er denkt. Und: Sie brauchen dringend Personal, dass sich mit dem Thema auskennt. Um den Anwesenden einen medialen Vorsprung zu verschaffen, wurde die Pressemitteilung erst ca. zwölf Stunden später verschickt – nach der virtuellen Live-Grundsteinlegung der Website. Respekt!
Jetzt bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen, an der so manche WG gescheitert ist: Wer putzt? Eine Putzfrau ist in dem Nobel-Konzept nämlich bislang nicht inklusive. Willkommen im Leben, liebe Hamburg WG. Mach was, damit deine Nachbarn auch gut wohnen können, wir verlassen uns drauf.
Fotos Aufmacher und Artikelbild: revolutions. Und übrigens: Es waren auch leitende Frauen von Otto anwesend, leider kein Bild parat – aber es waren nicht nur Herren unter den Initiatoren!
Mehr Infos: bei webzweipunktnull