Seit letztem Jahr wissen wir, dass das alte Sprichwort „Der Blitz schlägt niemals an der gleichen Stelle zweimal ein“ nicht stimmt. 2014 debütierten die #DMW mit den Lightning Talks auf der re:publica – kurzen Impulsen von unterschiedlichen Speakerinnen. Auch in diesem Jahr entlud sich geballte #DMW Energie auf der Bühne: Ute Blindert, Frederike Kaltheuner und Anastasie Umrik sprachen über ihre Arbeit, ihre Passion und ihren Weg.
Los ging es um 18:45 Uhr mit der Begrüßung durch #DMW Co-Gründerin Sanja Stankovic. Auf fünf Jahre blicken die #DMW jetzt bereits zurück*. Initialzündung war damals die niedrige Referentinnenquote auf der NEXT Berlin.
Dass die re:publica dieses Jahr 43% weibliche Speakerinnen hat und dies in der Eröffnungskeynote auch stolz thematisiert wurde, ist sicherlich ein Erfolg, an dem unsere Hamburger Gründerinnen und die mittlerweile fünf Quartiere einen Anteil haben.
Unter donnerndem Applaus (kein Wortspiel, ehrlich!) kündigte Sanja die Speakerinnen des Tages an.
1. Frederike Kaltheuner: Vielfalt in die Algorithmen
Mit Frederike Kaltheuner machte eine Frau mit einem ungewöhnlichen Titel den Anfang. Die Wissenschaftlerin ist „Master of Internet“ und forscht am „Centre for Internet and Human Rights“ zur Ethik von Algorithmen. Algorithmen sortieren Daten und begegnen uns in allen Lebensbereichen; sei es im Facebook-Newsfeed, in der Onlinewerbung oder den Netflix-Empfehlungen. Wer sich erinnert: Letztes Jahr wurde bekannt, dass Facebook für eine Studie den Newsfeed von tausenden Nutzern manipuliert hat. Damit sollte erforscht werden, wie sich positive und negative Emotionen in Netzwerken ausbreiten.
Dass ein Algorithmus kein Spielzeug ist, thematisierte auch Frederieke und zitierte die Wissenschaftlerin Kate Crawford, die 2015 zum „Jahr der großen Algorithmus-Panik“ ausgerufen hat. Frederike stellte drei Kriterien für problematische Algorithmen vor:
a) Komplexität, denn die führt schnell zu Intransparenz.
b) Gatekeeper-Funktionalitäten, denn diese greifen zu stark in die Gestaltung von Öffentlichkeit ein.
c) Subjektivität in der Bewertung von Relevanz und Vertrauenswürdigkeit von Inhalten.
Problematische Algorithmen können schnell eine sehr manipulative Dynamik bekommen. Eine Studie zeigte, dass US-Bürger mit afroamerikanischen Vornamen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, Werbung für Resozialisierungsprogramme zu sehen. Das hat niemand programmiert, sondern basiert letztlich nur auf Inhaftierungsstatistiken, die wiederum Ausdruck einer ungleichen Gesellschaft sind. Frederike erforscht, wie wir uns in Zukunft unsere Algorithmen selbst gestalten können. Ihre Haltung: Vielfalt ist nicht nur wichtig auf Bühnen, sondern auch in der Programmierung.
2. Anastasia Umrik: Inklusion ist, wenn keiner darüber spricht
Anastasia gehört zu den Lieblingsbloggerinnen vieler #DMW. Sie ist Gründerin von anderStark und Initiatorin des Foto- und Modeprojekts anderFashion, das Frauen mit Muskelerkrankungen außergewöhnlich in Szene setzt. Ihr „Baby“ hat sie vor vier Jahren gegründet. Was zunächst unter dem Motto „Stärke braucht keine Muskeln“ als kleines Projekt begann, ist mittlerweile so groß geworden, dass sie damit über die Grenzen von Deutschland hinaus getourt ist.
Anastasia sagte ganz zu Beginn ihres Talks einen wichtigen Satz: „Ich mache sehr viele Dinge aus Spaß“. Spaß hat sie an gutem Design und nicht zuletzt deshalb ist es die Idee von anderStark, zu zeigen, dass Frauen im Rollstuhl oder mit Amputationen ganz normal Spaß an Mode haben. Dass Models mit Behinderungen auf dem Laufsteg keine Seltenheit mehr sind – Designer Patrick Mohr schickte auf der Berliner FashionWeek auch Models in Rollstühlen auf den Catwalk – ist übrigens nicht gleichzeitig ein Grund, zufrieden zu sein. „Mich langweilt das“, sagt Anastasia, denn in diesen Shows gehe es in der Regel nur darum, zu schockieren und zu provozieren.
AnderStark und die Modenschau AnderFashion hingegen sorgen dafür, dass Behinderung als Teil unserer Gesellschaft wahrgenommen wird und dass Jungdesigner lernen, für Menschen jenseits von ‚Größe 36 – stehend‘ zu schneidern. Ihr Fazit: Inklusion ist, wenn wir nicht mehr drüber sprechen“.
Anastasia organisiert derzeit die 2015er Ausgabe von AnderFashion. Dazu benötigt sie noch Unterstützung. Auf nordstarter.org/anderfashion2015 könnt ihr euren Beitrag zur Realisierung dieses Projektes leisten.
3. Ute Blindert: Herzensprojekt Buch
Ute Blindert ist Mitglied im Vorstand der #DMW. Zudem ist die Unternehmerin und Expertin für Karrierethemen Gründungsmitglied der Kölner #DMW. Seit 1999 beschäftigt sie sich mit Karrierethemen; seit 2006 als Selbständige mit eigenem Unternehmen. 2015 wird mit einem besonderen Eintrag in die Analen von Utes Karriere eingehen: Am 5. März erschien ihr erstes Buch „Per Netzwerk zum Job“ im Campus Verlag.
Nicht jeder kann von soviel Glück träumen, überhaupt ein Herzensprojekt – wie das Schreiben eines Buches – für sich gefunden zu haben, geschweige denn vom Herzensverlag gefragt zu werden, eines zu schreiben. Allerdings ist Ute nicht nur vom Glück geküsst, sondern hat hart für ihren Erfolg gearbeitet.
„Ich will das machen“, bleibt als Satz in Erinnerung, denn genau das hat sie jedem Kontakt, jedem Kollegen, allen Freunden und Bekannten immer wieder erzählt. „Herzensprojekte brauchen Zeit“, sagt sie, „und keinen Druck“. Ihrer Erfahrung nach ist es viel wichtiger, sich immer wieder mit dem Thema zu beschäftigen, als ein 150%iges Konzept in der Schublade zu haben.
Auf der re:publica 2014 hatte Ute bereits ihren Buchvertrag in der Tasche. Gleich danach ging es los ans Schreiben, denn in nur 3,5 Monaten musste das Manuskript stehen. Bei diesem Tempo dürfen wir gespannt sein, was sie auf der re:publica 2016 im Gepäck haben wird. Ihr Wissen teilte Ute mit den Zuschauern in Form von „10 Netzwerktipps To Go“ (PDF zum Download). An dieser Stelle sei nochmal ihr persönlichster und wichtigster Tipp wiederholt: „Sei dir bewusst, wer du bist ist und was du willst und überlege dann, wie du am besten netzwerken kannst. Schüchterne Typen ticken nunmal anders als Rampensäue.“
Vielfalt auf Die Bühnen, in den Code & in die Köpfe!
Sei es in Algorithmen, in der Mode oder beim Netzwerken. Alle drei Speakerinnen plädierten für mehr Vielfalt im Leben und in der Arbeit. Eine wunderbare Aussage, die toll zu einer Konferenz wie der re:publica passt, auf der Astronauten neben Foodbloggern von ihrer Arbeit berichten und Eltern mit ihren Babys neben Social Media Managern, Onlinejournalisten und Developern Legotürme bauen (können). Wir freuen uns auf das nächste Jahr.
Übrigens: Die Lightning Talks wurden, wie die meisten anderen Veranstaltungen der re:publica, aufgezeichnet. Ihr könnt die Talks hier nochmal auf Youtube ansehen.
*ein kleiner Tipp am Rande: Schaut in den kommenden Wochen öfter mal hier im Blog vorbei für Neuigkeiten zu den #DMW-Geburtstagsfeierlichkeiten im Juni/Juli 🙂