Die Emanzipierung und Gleichstellung der Frau stellt viele Unternehmen vor Herausforderungen, die es aus vielen Gründen lohnt anzugehen. Einen möchte ich heute in den Vordergrund stellen: Geld. Mit zunehmender Gleichberechtigung und mit Führungsjobs steigt das Einkommen der Frauen. Das Nettoeinkommen weiblicher Arbeitnehmer ist seit 1974 doppelt so stark gestiegen wie das von Männern, hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) im Auftrag von WELT ONLINE im Jahr 2010 herausgefunden. Und was machen Frauen mit Geld? Ausgeben.
Frauen entscheiden schon lange über 80 Prozent der Konsumausgaben im Haushalt. Die Werbung und die Produkte orientieren sich jedoch eher an männlichen Kaufkriterien. Bei steigendem Haushaltseinkommen durch Doppelverdiener könnte die Konsumgüterindustrie ihren Umsatz also mal schlapp verfünffachen, wenn sie wüssten, wie man Frauen als Kundinnen gewinnt und behält.
„Shrink it and pink it“ funktioniert in jedem Fall nicht, außer man will einen Shitstorm auslösen. Ich sage nur „Überraschungsei für Mädchen“.
Wie könnte also erfolgreiches Gender Marketing jenseits der Klischees aussehen? Das möchte ich anhand von drei Beispielen zeigen.
Erfülle die Erwartungen der Frauen und du übertriffst die der Männer
Bei erfolgreichen Marken bilden die Bedürfnisse und Wünsche der Kundinnen und Kunden die Basis ihres Handelns. Das beginnt bei der Produktentwicklung, geht über die Kommunikation bis hin zum Point-of-Sale. Customer Centricity ist hier das neudeutsche Stichwort.
Michael Silverstein von der Boston Consulting Group empfiehlt Unternehmen sogar, 80 Prozent ihrer Forschungs- und Marketingmittel dafür auszugeben, weibliche Bedürfnisse zu erkennen. Warum? Wenn du die Erwartungen der Frauen erfüllst übertriffst du die der Männer.
Der Werkzeughersteller Bosch hat genau das getan: Er entwickelte für die weibliche Kundschaft den Akkuschrauber Ixo: klein, funktionell und ohne viele Extras. Er ist mit 15 Millionen verkauften Exemplaren inzwischen das erfolgreichste Elektrowerkzeug der Welt und wird zur Hälfte von Männern gekauft.
eCommerce Beraterin Diana Versteege zeigt in dieser Grafik anschaulich, was Kundinnen speziell im Onlinehandel glücklich macht:
Persönliche Empfehlung schlägt Werbung
In Deutschland lassen sich Käuferinnen am liebsten von Freunden und Bekannten über Produktneuheiten informieren, ergab die Nielsen-Studie „Women of Tomorrow“. Sie lesen Online-Bewertungen und tauschen sich über Social Media Kanäle aus. Wer Frauen binden will, muss sie im Alltag erreichen – und zwar möglichst stressfrei.
Der US-Händler Wal-Mart gründete mit seinen „Moms“ eine Internetgemeinde von kaufkräftigen Müttern, die bloggen und Einkaufstipps geben und setzt damit ganz gezielt auf Mund-zu-Mund-Propaganda.
Das bestätigt auch noch einmal die These von Michael Silverstein, weniger auf Werbebudgets zu setzen, denn auf das genaue Beachten der weiblichen Bedürfnisse bei Kaufentscheidungen.
Umparken im Kopf
Die Wirtschaft wird immer weiblicher, das erfordert ein Umdenken an den entscheidenden Stellen. Ein Beispiel: Fast jedes dritte Auto auf deutschen Straßen hat einen weiblichen Halter. In den nächsten 20 Jahren wird sich laut einer Shell-Studie der Anteil auf 50 Prozent erhöhen. Opel hat als einer der wenigen deutschen Automobilhersteller erkannt, dass es für den Turnaround der eigenen Marke die Frauen braucht und mit der Kampagne #umparkenimkopf und dem Opel Adam die entscheidenden Schritte eingeleitet. Verantwortlich dafür zeichnet Marketingchefin Tina Müller, die geholt wurde, um die Wende einzuleiten.
Auch das scheint ein wichtiger Erfolgsfaktor, um die Zielgruppe Frauen zu erreichen: Frauen sitzen an den entscheidenden Stellen. Eigentlich logisch: Frauen wissen, wie Frauen kaufen.
Wer sich intensiver mit dem Thema „Gezielte Ansprache der weiblichen Zielgruppe“ beschäftigen möchte, kann in dieser Linksammlung stöbern und sich für die #beef4brands am 2. Juni 2016 in München anmelden. Dort diskutiere ich das Thema mit vier ExpertInnen ganz nach dem Motto: „Die BEEF4BRANDS kommt zur Sache. Kein Buzzword-Bingo. Keine oberflächlichen Digitalisierungs-Theorien. Uns geht es um Substanz. Konkret. Praktisch. Bissfest.“ Sehen wir uns?