Bleibt alles ratlos

Da ihr dieses Blog lest, geht es euch vermutlich wie mir: Ihr seid sehr internetaffin, besitzt ein Smartphone und verfolgt auf eurem Rechner sowie von unterwegs vor allem online die Nachrichtenlage sowie Blogs und Social Networks. Wenn ihr euch am Wochenende in die Sonne setzt, liegt neben der Kaffeetasse gerne mal eine Wochen- oder Sonntagszeitung, aber täglich lest ihr Gedrucktes eher, wenn ihr beim Arzt seid oder bei der Arbeit zufällig eine Zeitung findet. Was nicht bedeutet, dass ihr Print gänzlich abgeschrieben habt. Für hochwertige, gut gemachte Magazine und natürlich Bücher gebt ihr weiterhin euer Geld aus, seid euch allerdings auch bewusst, dass die Entwicklung auch hier zum Digitalen geht.

Printmedien wird es ergehen wie den Schallplatten: Es wird immer jemanden geben, der sie noch liest, doch ihre Tage als Massenmedium sind gezählt. Diese für euch als „Digitale“ realistische, aber dennoch einige Jahre in der Zukunft angesiedelte These stammt von Sascha Lobo. Geäußert hat er sie in gewohnt provokativer Art auf dem Podium des gestrigen Media Coffee, einer Veranstaltungsreihe von news aktuell, dem PR-Tochterunternehmen der Nachrichtenagentur dpa.

Die Runde beim Media Coffee in Hamburg (Foto: Carolin Neumann)
Die Runde beim Media Coffee in Hamburg (Foto: Carolin Neumann)

Anders als so oft saßen neben ihm jedoch nicht Vertreter der Verlegerzunft, die angesichts dieser potentiellen Entwicklung der Medienwelt in Schockstarre verfallen. Im Gegenteil: Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, erklärte zwar wie „stern“-Chef Thomas Osterkorn seine Liebe für die Gattung Print und unterstrich obendrein die Finanzierungsschwierigkeiten von Onlinemedien, brach aber auch eine Lanze für Innovationswillen und -mut im digitalen Bereich. Man dürfe nicht immer nur in Marketinglücken denken; sprich: Auch wenn Onlinejournalismus in den meisten Fällen nur dank einer starken Printmutter überhaupt überlebt, lohnt er sich. Aber was hätte er auch anderes sagen können, ohne Zeit Online zu diskreditieren.

Zwischen den beiden Herren saß Katharina Borchert, Geschäftsführerin von Spiegel Online* und damit eines Mediums, das oft die richtigen Entscheidungen zur richtigen Zeit getroffen hat, dabei sicherlich auch eine Portion Glück hatte und so auch ohne Stütze des großen „Spiegel“ profitabel ist. Doch auch sie musste zugeben, keine Antwort zu haben auf die alte Frage nach dem neuen Journalismus. Gemäß dem Veranstaltungsmotto „Expedition ins Ungewisse“ waren sich die vier auf dem Podium einig: Alle Verlage suchen nach einem Konzept, aber keiner hat eine Lösung. Mit dem feinen Unterschied, dass die einen sich nicht zurücklehnen und der Dinge harren, bis die fragmentierte Medienwelt sich wieder zu einem Ganzen zusammengefügt hat, sondern versuchen, auf die Entwicklungen angemessen zu reagieren, während andere – aus Angst? – ihre Onlinetochter am langen Arm verhungern lassen.

Bleibt alles anders
Bahnbrechende Erkenntnisse zur Zukunft der Medienbranche hatte wohl keiner der mehreren Hundert Besucher in der Hamburger Bucerius Law School erwartet. Genauso wenig jedoch einen Moderator, der noch orientierungsloser schien als die Runde. Statt des doch recht zielführend klingenden Titels „Welche neue Medienwelt entdecken Verlage, Web und Social Media?“ nahm Thomas Knüwer, ehemals bloggender „Handelsblatt“-Redakteur, jetzt bloggender Berater, das Oberthema „Expedition ins Ungewisse“ etwas zu wörtlich. Ganz so, als hätte er sein Buch aus dem Schrank geholt: „Was ich Borchert, di Lorenzo und Osterkorn schon immer mal fragen wollte“. Keine uninteressanten Fragen, die nur mit dem Thema rein gar nichts zu tun hatten.

„Ein Lehrstück, wie man es nicht machen sollte“, kommentiert ein Zuschauer im offiziellen Fotoalbum bei Facebook. „Zielloses Gelaber“, „inhaltlos“ und „sterbenslangweilig“ hieß es unter anderem bei Twitter – verschuldet hat dies zwar nicht nur, aber vor allem Thomas Knüwer.

Auf das eigentliche Thema musste ihn erst Sascha Lobo schubsen, der keine Twitterwall brauchte, um das Raunen aus dem Publikum zu deuten. Doch auch als es dann endlich ans Eingemachte ging, blieb „ungewöhnlich“ noch die freundlichste Beschreibung dessen, was das Media Coffee bot. Zwar gab es vereinzelt schlagfertige Sticheleien zwischen den Häusern Zeit und Spiegel, Osterkorn fiel vor allem durch eine stark negative Bewertung des Internetjournalismus auf. „Als User würde ich mich verarscht fühlen“, wenn ich den „stern“ am Donnerstag Kiosk am Kiosk kaufe und zwei Tage später Artikel kostenlos auf stern.de finde. Es ist schon verwunderlich, wie der Chefredakteur eines großen Wochenmagazins mit Online-Marke diese Einstellung heute noch halten kann.

Alles in allem jedoch war die Diskussion mehr als harmlos und kam nicht in Schwung.

Oder wie @DaSinister twitterte:

Habe vorher gesagt, dass das Podium Potenzial habe… Dabei es aber leider auch geblieben. #mediacoffee

Mehr Infos:

*Disclaimer: Die Autorin arbeitet u.a. für dieses Medium.

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