„Wir versprechen euch, wenn ihr in unser Team kommt, werden wir ein Produkt launchen, für das die Frauen euch lieben werden“, mit diesem Satz knackten die Schwestern Laura Gollers und Sabrina Schönborn am Freitagabend die Herzen der Developer.
54 Stunden später sind sie die Gewinnerinnen des Start-Up-Weekends Hamburg und halten einen symbolischen Scheck über 1000 Euro in den Händen. Wie haben sie das gemacht, bei einem Event, bei dem keine Frau in der Jury saß und unter zwölf Mentoren nur eine Frau Ratschläge gab? Ganz einfach: Sie haben den Jungs Damenunterwäsche verkauft. Unter cupcakes-lingerie.de gibt es mit etwas Glück in Kürze moderne BHs in großen Größen (ab D-Körbchen) – im eigenenen Design und Geschmack der Kundin. Mit diesem „Ooops!-spannenden Thema überzeugten die Gründerinnen zunächst ihr Screendesigner Phil und die Entwickler Michael und Sven, die die ganze Nacht schufteten und in Drupal, PHP und HTML5 codeten, und dann auch die Richter (Edit: Hier noch mal genauer eingefügt, wer was gemacht hat, danke Michael). Sarik Weber von Hanse Ventures fasst die Entscheidung der Jury so zusammen: „Es ist eine sehr originelle Idee, man kann sich vorstellen, dass das Produkt eine echte Problemlösung für die Zielgruppe ist.“
Sabrina und Laura präsentierten das Thema ganz unverfangen mit einem simulierten Telefongespräch unter Freundinnen – der Saal johlte. „Wir wollen, dass Frauen stolz auf ihre Kurven sind und ihre Weiblichkeit zelebrieren“, erklärte Sabrina. Der Pitch gelang: Aus dem vermeintlichen Tabu wurde ein Knüller. Etwas schlüpfrig wurde es dann beim Small Talk im anschließenden Networking: Über dieses Gewinnerprodukt kann man einfach nicht politisch korrekt plauschen.
Den Preis für die innovativste Idee bekam die App kahua, die mit Geo-Locating und To-Do-Listen beispielsweise erinnert: „Du wolltest noch ein Monitorkabel kaufen“, wenn man am Elektroladen vorbeiläuft. Den besten Pitch griff Online-Flirt-Coach und Date-Plattform „Love Wingman“ ab, der Männern helfen will, Frauen anzugraben ohne ein „WTF – What The Fuck“ zu ernten.
Dann der Knaller: Aus den eigenen Portmonnaies stifteten die Juroren spontan einen Ehrenpreis für das Social Start-Up sgamblr, das Spenden mit Games verbinden und so „donation = fun“ und „alle Muttis stolz machen“ will. Alle weiteren Ideen, die es in die finale Runde schafften, findet ihr auf der Seite des Start-Up Weekend Hamburg.
Übrigens: Im 60-Sekunden-Pitch am Freitagabend wurden sage und schreibe 46 Start-Up-Ideen präsentiert. Nach basisdemokratischen Votings wählten die Teilnehmer aus ganz Deutschland, Dänemark, USA und Europa das Projekt, das sie mit ihren Skills unterstützen wollten – und legten los.
Unterstützt wurden die Teams von zwölf MentorInnen aus Venture Capital, Law und Business Consulting. Ich habe Wiebke Passmann von Triangle Venture Capital (die einzige Frau im Bewertungsteam aus Mentoren und Jury) gefragt, was wohl passieren müsste, damit mehr Frauen bei solchen Events den Ton mit angeben – denn dass gemischte Teams erfolgreicher sind, ist allgemein bekannt. Sie vermutet: „Wir Frauen müssen uns noch zielgerichteter vernetzen und Kontakte knüpfen, um für die Organisatoren erreichbar zu sein.“ De facto macht sie die Erfahrung, dass die Herren sich immer sehr über die Anwesenheit von Kolleginnen freuen, Frauen aber in der IT, Finance und Co. bei Start-Up-Events immer noch in der Unterzahl sind. In der eigenen Firma erreichen sie allerdings fast 50 Prozent. Die Beraterin schätzt an frauengetriebenen Start-Ups besonders die ganzheitliche Perspektive, Kommunikations- und Umsetzungsorientierung und Fokussierung.
Übrigens: Beim ersten Start-Up Weekend in Hamburg waren etwa 25 bis 30 Prozent der Teilnehmer Frauen. Erfahrene SW-Besucher schätzen die Frauenpräsenz hier als schön hoch ein – und wünschen sich mehr von dieser Mischung. ((Edit: Danke, für den Hinweis, Cem))
Mein persönliches Lieblingsprojekt: fluidnetwork von Digital-Media-Women-Supporter Jörn Hendrik Ast und Marcus Krause. Bei der Gründung, deren Idee im Betahaus Hamburg entstand, geht es darum, Freelancer zu einem flexiblen und leistungsstarken Netzwerk zu vereinen und so Kunden schlank und nach den neuesten Trends der Web-Branche zu verarzten. Der Vorteil für die Kunden: bestmögliche Umsetzung ohne Overhead-Kosten von den talentiertesten Leuten der Branche. Für die Co-Worker: Auch die Annahme von Riesenaufträgen wird möglich, da das Netzwerk mit allen Skills unterstützt. Pssst, kleiner Tipp: Jörn spricht bei unserem nächsten Event über „Workplaces of the future“ – vielleicht wird der 2.0-Personaler und Change Agent ja auch was zu fluidnetwork erzählen. Hier gibt’s mehr Infos.
Unter den elf Pitches des Finales gab es übrigens zwei Ideen, die von Frauen stammten: neben den Gewinnerinnen auch „Talkbox“, ein Vorleseservice, der Mails in einer selbst gewählten Stimme (von Darth Vader bis zum eigenen Geschnatter soll alles möglich sein) vorträgt und so das typisch weibliche Multi-Tasking möglich macht. Candy aus New York präsentierte die Idee beim #swhh11, nachdem sie ihren Freundinnen davon berichtet hatte und Begeisterung erntete. „I want to be a woman that did a footprint“, erklärte Candy auf die Frage, was sie ins Start-Up- und IT-Umfeld ziehe.
Leidenschaft und der Wille, Spuren zu hinterlassen, trieb wohl die meisten der 110 Teilnehmer an. Einfach erstaunlich, was ein Haufen Developer, Geschäftsleute und Designer an einem Wochenende auf die Beine stellen können. Fazit: Ein Hammer-Event mit internationalem Touch – oder wie Moderator Lasse sagte: „Entrepreneurs are the new rockstars!“