David Bauers Buch ist zwar „nur“ eine Momentaufnahme der digitalen Gesellschaft aus dem Herbst letzten Jahres – doch darin stecken so einige kluge Interpretationen, die Onliner wie Offline sich zu Herzen nehmen sollten.
Darum geht’s: Die digitale Gesellschaft stellt uns vor neue Herausforderungen, und nicht alle sind ihnen gewachsen. Der Schweizer Journalist David Bauer, der sich selbst als „bestens integrierter digital immigrant“ bezeichnet, reflektiert in „Kurzbefehl“ sein eigenes Verhalten im Netz und mischt Anekdoten darüber mit wissenswerten Fakten über das Web, diejenigen, die es bevölkern und die Konzerne, die es ausmachen. Auch wenn nicht Ratgeber drauf steht, finden sich nicht nur zwischen den Zeilen allerlei Ratschläge, die helfen könnten, die Kluft zwischen den Generationen sowie zwischen Online und Offline wenigstens ein bisschen zu mindern.
Der Autor rät: Vieles, was man mit, im und wegen des Internets machen kann, darf und auch sollte, zum Beispiel sein Date googlen. Zu Themen wie diesem weiß David Bauer ebenso etwas zu sagen wie er über die Zen-Meister unter den Netizens philosophiert, die „dem digitalen Wahnsinn“ (S. 41) zu entfliehen wissen. Viele, oftmals sehr subjektive Tipps zu Netzthemen wie Passwortschutz oder Benimmregeln im Web machen „Kurzbefehl“ beinahe zu einem Alleskönner. Kleiner Bonus: das Psychoquiz „Was für ein Homo digitalis bin ich?“, bei dem man von Fragen wie „Glauben Sie, dass Technologie die Welt besser macht?“ über „Nehmen Sie das Handy ab, wenn es während dem Sex klingelt?“ bis „Geben Sie mehr Geld für Technik aus als für Essen?“ zur Auswertung kommt. In meinem Fall ist das sehr trefflich die Kategorie (Internet-)“Gläubiger“. (S. 60/61)
DMW-Themen: Das Web in all seinen schönen und weniger schönen Facetten, die bei Erscheinen im Herbst 2010 gerade aktuell waren. David Bauer schrieb das Buch „im vollen Bewusstsein darüber …, dass das eine oder andere Detail rasch veralten oder zur ungewollten Pointe verkommen wird“, sagte er mir. So ist freilich Google+ noch kein Thema. Aber dem Schweizer geht es ohnehin um „das große Ganze“: „Was macht die Digitalisierung mit uns Menschen?“ Und das zeigt er in seinem Zeitdokument „Kurzbefehl“ sehr schön. Hier, hier und hier setzt Bauer die Gedanken aus dem Buch zu aktuellem Geschehen fort.
Pageturner oder Sleeptimer? „Kurzbefehl“ bietet für den erfahrenen Netizen nichts Neues, aber liest sich äußerst kurzweilig und bringt das digitale Lebensgefühl gut auf den Punkt. Geeignet vor allem als aufklärendes Geschenk für die Eltern, den unbedarften Offliner-Freund oder welcher Politiker auch immer in dieser Woche gerade mal wieder das Netz zerredet.
Ein charakteristischer Satz: „Die Entwicklung zu bremsen, nur weil sie uns vor gewisse Probleme stellt, wäre fatal. Schließlich versiegeln wir auch nicht den ganzen Boden, nur weil darauf neben Rosen und stolzen Eichen auch Unkraut wächst.“ (S. 72)
David Bauer: „Kurzbefehl: Der Kompass für das digitale Leben“, Echtzeit Verlag, 26 Euro. Und auf kurzbefehl.ch ist das Buch auch komplett online verfügbar.