Bericht: NewTV Kongress in Hamburg – einige Eindrücke und viele offene Fragen

Am 18. April 2013 lud Hamburg@Work zum NewTV Kongress ins NDR-Konferenzzentrum ein. Die DMW verlosten im Vorwege Tickets und waren dann vor Ort, um den Sprechern aus der ganzen Welt zu lauschen.

Hier unsere Eindrücke:


Stefanie Aßmann

stefanieassmann_kl„TV on the move – Time for Disruptions“. Das war der Titel des diesjährigen New TVKongress. Wenn man manchen Vorträgen glaubt, sind Neuerungen gar nicht nötig. Dem Fernsehmarkt geht es gut, denn der lineare TV Konsum steigt sogar.

Megan Cunningham, CEO von Magnet Media, beschäftigt sich hingegen mit Webvideos und erklärte, dass sich viele Zuschauer während dem laufenden Fernsehprogramm auch mit anderen Endgeräten und Inhalten befassen. Das bestätigte auch Prof. Dr. Marcus Englert: Dass der Fernseher ein Nebenbeimedium ist, ist für ihn keine neue Erkenntnis. Jetzt sei es nur sichtbar. Solange die Quoten stimmen, werde dieser Nebeneffekt jedoch gerne ignoriert.

Cunningham erzählte zudem, dass neben dem Fernsehprogramm auch die Werbewelt vor Veränderungen steht. Warum, erläuterte sie am Beispiel der Firma Nabisco. Für den Superbowl hatte das Unternehmen eine beträchtliche Summe in den Werbespot für die Marke Oreo gesteckt. Die Ausstrahlung des Werbespots wurde jedoch durch einen technischen Defekt verhindert. Während die Zuschauer im Fernsehen nur einen schwarzen Bildschirm zu sehen bekamen, wendeten sich viele dem Second Screen zu. Mit einem passenden Tweet erzielte Oreo das, was das Unternehmen durch den nicht gesendeten Fernsehspot verpasst hat.

Dieses Bild wurde beim Super Bowl XLVII vielfach geshared.

Oreo sorgte mit diesem Bild sogar für sehr viel mehr Aufmerksamkeit, als es mit dem klassischen Werbespot möglich gewesen wäre. Die Schlussfolgerung von Cunningham: Werbung muss nicht zwangsläufig teuer sein.

Cunningham beschrieb in diesem Zusammenhang auch das Dilema der Fernsehsender. Wo soll und muss man als Sender präsent sein, wo erwarten die Zuschauer Inhalte zum Programm? Für Cunningham steht fest, es gibt nicht die Lösung.

Wie sieht es mit Zusatzprogramm oder Inhalten auf dem Smart TV aus? Hier waren sich die Vortragen uneinig. Keiner nutze Smart TVs, stand für Marcus Englert fest. Seiner Meinung nach ist es zu kompliziert, die Technologie der Geräte zu aktualisieren, was gleichzeitig bedeutet, dass sie schnell altern  Marc Schröder, Geschäftsführer von RTL Interactive, zeigte sich hingegen überzeugt, dass bloß geeignete und ausreichend Formate fehlen. Wenn passende Inhalte vorhanden seien, würden diese auch genutzt.

Dass sich Online-Inhalte und das lineare Programm nicht kannibalisieren, erklärte Frank Beckmann, Programmdirektor beim NDR. Ganz im Gegenteil, insgesamt erreiche der Sender damit eher mehr bzw. andere Zuschauer. Aus diesem Grund gilt beim NDR auch die Devise „Online First“. Sind Formate fertig produziert, werden sie online gestellt. Das geschieht beispielsweise beim „Tatortreiniger“.

Und was sagen die jüngeren Zuschauer? Am Ende des Kongresses wurden vier Teenager auf die Bühne gebeten, um über ihr Mediennutzungsverhalten zu sprechen. Die Aussage der Jugendlichen war eindeutig: Sie schauen kein Fernsehen mehr und können Stunden auf YouTube verbringen; ein Jugendkanal interessiert sie nicht. Ganz einfach aus dem Grund, dass sie sich ihre Inhalte schon selbst im Internet zusammensuchen (u.a. in den Mediatheken der Sender) und ein Jugendsender sowieso nicht die heterogenen Interessen dieser Zielgruppe abbilden kann. Den „Sender“ Mediakraft kennen sie hingegen auch nicht, dabei steht doch dieses Netzwerk aus YouTube Kanälen für diese Zielgruppe. Hätte man sie nach Y-Titty gefragt, wäre die Antwort vielleicht anders ausgefallen. Aber auch Mediakraft setzt nicht mehr ausschließlich auf YouTube, sondern kooperiert neuerdings auch mit Clipfish, dem Videoportal von RTL.

Insgesamt gab es auf dem NewTV Kongress nicht wirklich viel Neues zu berichten und nach dem einen oder anderen Vortrag ist auch fraglich, ob sich in den nächsten Monaten etwas ändert.


Sonja Königsberg

Sonja_Koenigsberg_Portrait_klWir werden gerade Zeuge eines großen Umbruchs, wie Menschen heute und in Zukunft fernsehen. Als Ergebnis des newTV Kongresses wurde mir sehr deutlich, dass es sich dabei erstens um einen Kohorteneffekt handelt und dass zweitens keiner der Anwesenden eine zufriedenstellende Lösung im Sinne der Werbeindustrie bzw. der Finanzierung gefunden hat.

Es ist eine Frage der Generation

Da sitzen der NDR und RTL, so ungleich sie sein mögen, auf einmal in einem Boot mit demselben Dilemma: Während die Alten noch ganz klassisch TV sehen (im Sinne von Fernseher an und sich berieseln lassen), sitzen die etwas jüngeren surfend und twitternd vor der Flimmerkiste („Second Screen“). Und die ganz jungen? Die gehen in die Videothek. Spaß beiseite – so umschrieben die Jugendlichen auf dem Panel den Umstand, dass sie sich die Inhalte, sie sie interessieren, einfach illegal im Netz laden. Völlig werbefrei natürlich.Wie lässt sich also zukünftig ein Fensehprogramm finanzieren, bei dem eigentlich nur noch die Alten zuschauen, die anderen ihre Aufmerksamkeit einem anderen Gerät widmen und die ganz Jungen völlig wegschauen? Gerade perspektivisch muss man sich diese Frage erst recht stellen, da die Teenager auf dem Panel ganz logisch kommentierten: „Wenn mich RTL jetzt nicht interessiert, dann wird RTL mich auch nicht in zehn Jahren interessieren.“ Denn nur, weil sie älter werden, heißt es eben nicht, dass sie deshalb automatisch in die Fernseh-Verhaltensmuster ihrer Eltern fallen. Eine Antwort darauf blieben uns die Fernsehsender schuldig, und so bin ich gespannt, welche Ideen hier in den nächsten Jahren auf den Tisch kommen.

Das Jahr des Videos war 2012, aber auch 2013

Die gute Nachricht war: Filme/ Videos/ Bewegtbild/ nennt es, wie ihr mögt, sind nach wie vor beliebt, angesagt und erfolgreich. Niedrige Markteintrittsbarrieren durch neue technische Möglichkeiten ermöglichen es fast Jedermann, Inhalte zu produzieren und zu broadcasten. Oder wie Dr. Carsten Brosda von der Hamburger Senatskanzlei anmerkte: „In der alten Welt hatten wir Redaktionen, die für uns Inhalte aufbereitet haben und diese für uns kuratiert haben. Heute ist der einzelne Rezipient Kurator und entscheidet, wo er welche Inhalte sieht und weiterverbreitet.“ Durch die gleichzeitig zu langsamen Veränderungen und Impulse der großen TV-Stationen bietet dieser Umstand unendliche Möglichkeiten für neue Marktteilnehmer, sich jetzt mit neuen Ideen, Mut und dem richtigen Know-how in Stellung zu bringen. Wie das geht, zeigte zum Beispiel Megan Cunningham von Magnet Media, einer in New York ansässigen Produktionsfirma für Contentproduktion.

Als Inspiration empfehle ich abschließend das von Megan Cunningham gezeigte Video:

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Rieka Anscheit

Rieka-03-2013-klquardDie Idee, junge Leute „aus der relevanten Zielgruppe 14-49“ mit einzuladen und nach den vorangegangenen Präsentationen der Vertreter der Medienlandschaft zu ihrem Medienverhalten zu befragen, fand bei mir großen Beifall. Noch schöner wäre es gewesen, die vier (zwei knapp unter, zwei knapp über Zwanzig-Jährigen) zusammen mit den Speakern auf das Sofa zu setzen und vor allem mehr Zeit für Fragen den Raum zu geben.

Mit zwei Punkten gehe ich absolut konform:

  1. Content is King.
  2. Der Hauptgemeinschaftsspaß ist und bleibt das Fernsehgerät für die Familie und Freunde als neuzeitliches Lagerfeuer

Trotzdem habe ich den newTVKongress mit einem Haufen Fragen verlassen:

  • Wenn der User der neuen Medien seine Inhalte selber bestimmt:  Sollten da Werbeinhalte nicht einen neuen Weg gehen; Stichwort: Entertainment?
  • Fühlt sich die Zielgruppe wirklich an Sender gebunden, nicht eher an Sendeformate?
  • Reichweite Internet? Welche Zahlen liegen da wirklich zugrunde? Wer teilt gerne seine Zugriffsdaten?

Und abschließend: Wieso ist die „relevante“ Zielgruppe so eingeengt? Haben nicht ältere Zielgruppen, die immer mehr in die neuen Medien einsteigt, eine höhere Kaufkraft als jüngere (Stichwort: Generation Praktikum, Nachhaltigkeit)?

Zugegebernermaßen ist dieses Thema sehr komplex und kann gar nicht abschließend behandelt werden, aber wer wirklich die Kommunikation mit den Nutzern der neuen Medien pflegt – und zwar in Gesprächen face to face und nicht in anonymen Studien -, wird auch das neue Nutzungsverhalten besser verstehen und neue Ideen für relevanten Content finden.


Inken Meyer

Inken Meyer, Foto: Rieka AnscheitIch starte mal mit einem Bekenntnis: Ich schaue gar kein TV!

Natürlich sehe ich Serien oder Filme, die mich interessieren, und natürlich sehe ich Videos auf YouTube an. Ich habe noch nie viel ferngesehen und schon immer mein Programm gern selbst bestimmt. So sind für mich die Dinge, die im „NewTV“ interessant sind und im Kommen, genau mein Ding. Ich möchte Netflix. Ich finde bewegte Inhalte großartig.

Besonders gut hat mir die  Keynote von Megan Cunningham gefallen. Sie zeigte sie u.a. ein Video, dass ich euch nicht vorenthalten möchten:

Ein paar kurze Eindrücke:

Prof. Dr. Englert zeigte in einer Studie auf, dass online Video und Kino immer mehr genutzt werden. Von Sean Besser (GetGlue) lernten wir: „Je kleiner das Device, umso persönlicher“ – wer möchte schon seinen persönliches Facebookprofil auf einem riesigen Screen sehen? Frank Beckmann berichtete von neuen Formaten, die sie beim NDR ausprobieren, wie den Tag der Norddeutschen oder die Recherche bei Offshore-Leaks, und er führte eine Liveübertragung direkt per iPhone vor. Marc Schröder von RTL interactive rief alle Sender auf, ein gemeinsames Angebot für „Second Screen“ zu schaffen. Von Nabil Moghib erfuhren wir, dass nur 28 Prozent Frauen Spiegel.tv sehen.

Insgesamt hörte ich viele Zahlen über unterschiedliche Nutzungen in diversen Ländern, um dann am Ende Teeanger auf der Bühne sitzen zu haben, die alle Thesen wieder umwarfen.

Häufig steckt ein Wort wie New die Erwartungen sehr hoch, so sind es meist Tendenzen, neue Ideen oder Perspektiven und kein neu erfundenes Rad.

Insgesamt hat es mir gut gefallen, und ich bin gespannt, wo die Reise hingeht. 


Weiterführende Links zum NewTV Kongress:

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