Interaktive Kunst als Brückentechnologie

Vergangene Woche sah ich beim „Young Masters Digital Innovation“-Seminar des Art Directors Club (ADC) fasziniert bestätigt, was ich schon seit längerer Zeit beobachte:

1. Die Kluft zwischen Digital und Analog ist in den meisten Agenturen noch immer sehr groß.
2. Die Maker-Bewegung ist der langersehnte Beschleuniger der digitalen Revolution, die Digital der breiten Masse zugänglich macht, weil sie Digital anfassbar macht.

Der ADC hatte in den Räumlichkeiten von Google in Hamburg zu einem zweitägigem Seminar eingeladen, das sich an Mitarbeiter in Agenturen (Kreativ und Beratung) und Unternehmen richtete. Sie alle waren gekommen, um neue technische Entwicklungen zu erleben und zu analysieren, wie diese kreativ genutzt werden können.

„Wir müssen digitaler werden“

Aus eigener Erfahrung und auch in vielen Gesprächen mit Agenturleuten ist das Thema „digitales Silo“ immer wieder sehr präsent. Aus diesem Grunde nahm ich die Themen bei der Reeperbahn Festival Conference im September 2013 auf die Agenda und die sehr angeregten Diskussionen bestätigten den Redebedarf. Auch beim ADC hörte man in der Vorstellungsrunde häufig den Satz „Wir müssen ja nun auch etwas digitaler werden“ und hätte locker noch ein „Das Internet geht ja nicht mehr weg“ anhängen können.

Im Verlauf des Seminars ging es dann vor allem um Maker-Kultur. Es ist rund drei Jahre her, dass ich mich erstmalig mit dieser Bewegung auseinandersetzte – Moritz Avernarius stellte damals auf einem Event das FabLab St. Pauli vor. Vom ersten Moment an ging eine Faszination von dem Thema aus und auf digitalen Konferenzen werden Maker, das Internet of Things und Weareables immer mehr zum festen Bestandteil.

So wundert es keinesfalls, dass auch bei diesem Seminar Kunst-Projekte mit Microcontrollern, 3D-Druck und Roboter im Vordergrund standen. Es ist wirklich spannend, zu sehen, welche Reaktionen ein 3D-gedrucktes Objekt auslöst. Auch wenn die Teile manchmal wie „billiger Plastikkram“ aussehen, darf man eines nicht vergessen: Die ersten Webseiten sahen am Anfang auch echt schlimm aus! (Danke an Julia Kümmel für dieses grandiosen Vergleich, daran muss ich immer denken, wenn ich die gedruckten Teile sehe.) Die Arduinos und Co. laden förmlich dazu ein, mit ihnen zu spielen, zu experimentieren und Kreativität vollends auszuleben.

Kunst als Brücke

Und nun kommt die Kunst ins Spiel: Künstler waren und sind seit jeher der Motor für kulturelle Entwicklungen und prägen maßgeblich unsere gesellschaftlichen Werte. Sie sind dafür da, Innovationen zu entwicklen, Kritik zu üben und avantgardistische Bewegungen zum Mainstream zu machen, damit sie sich neuen Themen zuwenden können und unsere Kultur und Gesellschaft sich immer weiterentwickelt.

In den letzten Jahren hat sich neben die Künstler eine zweite Gruppe gesellt, die fast täglich unsere Welt und Gesellschaft beeinflusst und maßgeblich verändert: die Entwickler. Was passiert eigentlich, wenn man nun Künstler und Entwickler in einen Topf wirft? Prof. Franziska Hübler von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) macht das mit ihren Kollegen sehr regelmäßig. Studenten aus den Bereichen Informatik und Design arbeiten gemeinsam an Ideen, dort entstehen dann Projekte wie [plusminus] S.P.A.C.E.:

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Tipp: Weitere Ergebnisse kann man auf dieser Seite bestaunen bzw. live am 14. Februar um 19 Uhr in der Fabrik der Künste in Hamburg sehen und anfassen, denn dort werden aktuelle Projekte der HAW-Studierenden für einen Abend ausgestellt.

Eine Lösung für den digitalen Graben

Während neue Technologien bei vielen Menschen häufig erst Skepsis oder auch Angst auslösen, hat die Kunst den entscheidenden Vorteil, dass der Mensch etwas unvoreingenommener an sie herangeht. Das Internet der Dinge macht Technologie anfassbar und dadurch weniger beängstigend; die Kombination aus beidem wird damit scheinbar zu einer Lösung für den digitalen Graben in unserer Gesellschaft. Google hat das erkannt und setzt nun mit DevArt auf das Kunstsponsoring.

Ob das kritisch zu sehen ist? Ja, vielleicht. Vielleicht aber auch nicht, weil ein Unternehmen wie Google eben auch gesellschaftliche Verantwortung hat. Das ist aber eine Diskussion für sich.

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Der Mensch im Fokus

Digitale Kunstprojekte stellen nach meinem Empfinden meist den Menschen und seine Reaktionen bzw. Interaktionen in den Fokus. Die menschlichen Komponenten „Entwickler“ und „Kreative“ beziehen meist den Menschen und sein Handeln ein. Vielleicht ist genau das der Grund dafür, dass sich die Technologie plötzlich so zugänglich anfühlt?

Was das alles mit Kreativen aus Kommunikationsagenturen zu tun hat? Viel! Denn der Blick über den Tellerrand ist entscheidend, denn ohne diesen würden wohl nie so geniale „Marketingprodukte“ wie das Nike Fuel Band entstehen.

Übrigens: Bereits 2012 kam ich mit der Erkenntnis, dass Agenturen der Zukunft „Hacker, Hipster und Hustler“ brauchen, von der South by Southwest zurück.

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