Premiere: Zur re:publica 2014 gab es auch zum ersten Mal die Media Convention

Die Medien und das Internet. Das war zwar nicht zum ersten Mal ein Thema bei der re:publica, aber erstmals gab es dazu eine eigene Veranstaltung. Sie überzeugte mit einer Mischung aus kritischer Analyse, neuen Formen und altbewährten journalistischen Tugenden.

„Irgendwas muss verdammt richtig gelaufen sein“, stellte Elmar Giglinger, Geschäftsführer des Medienboard, mit Blick auf den voll besetzen Saal bei der Eröffnung der achten re:publica fest. 8000 Besucher lautet seine vorsichtige Schätzung. Viermal so viel wie vor drei Jahren. Neu war in diesem Jahr, dass es mit der Media Convention eine Parallelveranstaltung am selben Ort mit extra Eintritt gab.

Deutsche sind froh, wenn sie Zugang zum Internet haben

Die erste eigene Session der Media Convention war schon mal hochkarätig besetzt: 100 Prozent Frauen auf dem Podium. Zur Diskussion stand die Digitale Agenda für Deutschland. Selbst Kenner wissen nicht, was da gerade genau der Stand ist, meinte Moderatorin Katharina Borchert. Dorothee Bär, parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, erklärte dass erst mal Informationen aus den verschiedenen Ressorts zusammengetragen werden müssten. Vor der Sommerpause soll es einen Beschluss geben, der eine flächendeckende Versorgung mit einem Internet von mindestens 50 MBit/s bis 2018 vorsieht. „Damit was drin steht“, sagt Bär. Was ein bisschen so klingt, als würde sie selbst nicht daran glauben.

Digitale Agenda
Annette Mühlberg (ver.di), Brigitte Zypries (BMWI), Moderatorin Katharina Borchert (Spiegel Online) und Dorothee Bär (BMVi) diskutieren die Umsetzung der Digitalen Agenda für Deutschland. Copyright: mediaconvention

Vertrauensverlust? Mangelnde Datensicherheit? Brigitte Zypries, parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie, merkt in ihrem Wahlkreis nichts davon. Bär spricht von einem Feinschmeckerthema. „Die meisten sind froh, wenn sie überhaupt Zugang zum Internet haben“, erklärte Bär. Können sie auch. Deutschland ist beim Netzausbau gerade mal Mittelfeld in Europa. Annette Mühlberg, Leiterin des Referats eGovernment von ver.di mahnte mehr Engagement bei den Politikerinnen an. Man dürfe die bestehende Machtkonzentration von google & Co nicht noch weiter fördern.

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Ach, haben nicht längst die Algorithmen die Macht übernommen? Gibt es bald nur noch das auf die Ohren, was der Anbieter deines Vertrauens für dich ausgewählt hat? Glaubt man der Diskussionsrunde zu den Plattformen ist es noch nicht so weit: „Wir sind Musiknerds und wir wissen was wir hören wollen“, sagte Stefan Zilch von Spotify über sich und die Hälfte seiner Hörer. Der anderen Hälfte, die nicht genau wissen, was sie hören wollen gezielt Musik vorzuschlagen, die sie mögen, ist immer noch eine riesige Herausforderung. Skeptisch zeigt sich Manuel Uhlitzsch von My Video gegenüber dem automatischen Berater: „Ich kenne keine Maschine, die beurteilen kann, ob ein Song schlecht oder gut ist“. Seine Kunden können auf Facebook nicht sehen, welchen Film sich ihre Freunde grade angucken. Einfach, weil sich damit kein Geld verdienen lässt. Laut Timm Richter, CPO bei Xing, finden seine Kunden die von Xing dargebotene Kombination aus gezielter Nutzung und programmierter Inspiration sogar so gut, dass sie freiwillig dafür bezahlen. Die von Moderatorin Nora Hespers angefragten Bewerbungsvideos wird es aber wohl so schnell nicht geben, die Deutschen seien zu zurückhaltend, für so etwas, meint Richter.

An Glaubwürdigkeit gewinnen

Am zweiten Tag hieß es früh aufstehen. Der Journalist und Internetaktivist Jacob Appelbaum diskutierte mit Ole Reißmann die Reaktion der Presse in USA und Deutschland auf die Überwachung. Im Hintergrundbild flackerte so etwas wie ein Kamin, aber heimelige Stimmung kam trotzdem nicht auf, als Appelbaum über die Einschüchterung von Journalisten in den USA und die Machenschaften von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden berichtete. Appelbaum, der entdeckte, dass Merkels Handy abgehört wurde, ist sich bewusst, dass immer neue Enthüllungen bei vielen Bürgern nur noch Erschöpfungssymptome hervorrufen. Die Menschen sind es leid, jeden Tag zu hören, dass ein weiterer Dienst, den sie benutzen, nicht sicher ist. Trotzdem wird Appelbaum weiter machen. Sein Credo: Journalisten sollten Stellung beziehen und nicht nur Fakten zusammentragen.

Jacob Appelbaum diskutierte mit Ole Reißmann. Copyright: Alle Rechte vorbehalten von mediaconvention.

Vielleicht könnte darin sogar eine Chance liegen, Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Die Journalisten Jessica BinschOle Reißmann und Hakan Tanriverdi sind jedenfalls überzeugt: Das Vertrauen in uns wird noch zunehmen. Es ist eine ihrer 23 Thesen für die Zukunft der Medien, die so gar nicht düster klingen, wie man das bei diesem Thema gewohnt ist. Wenn Upworthy es schafft für soziale Themen Aufmerksamkeit zu wecken, warum sollten klassische Medien das nicht können? Manchmal muss man neue Möglichkeiten einfach nur nutzen, zum Beispiel eine Fotostrecke, um die komplizierte Lage in Syrien oder der Ukraine in mehr als 8000 Zeichen zu erklären. Multimedia Arien à la Snowfall sollte man sich dagegen besser für die richtig rockigen Geschichten aufheben. Und jetzt bitte tapfer sein, liebe Journalisten: Eure lustigen Tweets werden gar nicht so richtig gewürdigt!, weiß Jessica Binsch aus einer Studie. Deshalb sollten Journalisten sich lieber auf das konzentrieren, worin sie kompetent sind. Dafür hatte Tanriverdi eine gute Nachricht mitgebracht: Fleiß lohnt sich! Tatsächlich lässt sich eine Korrelation feststellen zwischen der Arbeit, die in einen Artikel gesteckt wurde und der Häufigkeit, mit der er gelesen wird. Nicht zuletzt forderte Reißmann: Geht dort hin, wo die Nutzer sind! Die Vertriebskanäle haben sich so dermaßen erweitert, nie war es spannender als jetzt in den verschiedensten Kanälen zu publizieren. Da wären Journalisten ja schön blöd, wenn sie nicht mitmachen wollten.

Es lebt sich gar nicht schlecht im Paralleluniversum

Die Vertreter des Kapuzen-Journalismus haben das begriffen, auch wenn sie auf dem Podium der Media Convention mehr mehrheitlich Blazer und Anzugjacke trugen. 
Katharina Borchert, Geschäftsführerin von Spiegel Online, Jochen Wegner, Chefredakteur von Zeit Online und Anita Zielina, stellvertretende Chefredakteurin von Stern sind nur auf ihrer eigenen Website Herr im Haus. Auf Facebook und anderen sozialen Netzwerkmedien gelten auch für sie die Gesetze der Algorithmen. Dass sich die Reichweite von Zeit Online auf Facebook im letzten halben Jahr vervierfacht hat, findet Wegner nicht nur gut. Es macht ihm auch ein bisschen Angst. Jeder weiß, dass Facebook Zeitungen und Zeitschriften gerade privilegiert, um Twitter Konkurrenz zu machen. Doch kann die Gunst auch schnell wieder entzogen werden, wenn sie nicht mehr in ins Geschäftsmodell passt.

Man ist ja schnell bei Geschäftsmodellen, wenn es um Online-Journalismus geht, so war es auch in dieser Runde. Wegner schielte auf Borchert, die angeblich ein Konzept in der Schublade hat. Borchert verwies auf die Süddeutsche, die jetzt mit Paid Content einsteigen will. „Die Printversion des Spiegels ist ein Paralleluniversum, das mit unserer Welt des Sharings nichts zu tun hat. Es wäre falsch, ihn eins zu eins bei Spiegel Online abzukippen“, ließ sich Borchert sich immerhin entlocken und gab zu, dabei über Paid Content nachzudenken.

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Eigentlich ganz guter Dinge: Katharina Borchert, Anita Zielina und Jochen Wegner. Foto: Christine Plaß

Ist der Versuch, eine alte Welt an eine neue anzudocken, nicht ohnehin zum Scheitern verurteilt? Bei der Zeit lebt es sich offensichtlich nicht schlecht in parallelen Universen. Jedes Medium folgt seinen eigenen Regeln, dabei ist online nicht einmal zwangsläufig agiler als Print. „Ein Relaunch ist bei uns viel aufwändiger, weil wir immer unser Archiv mitschleifen“, gab Wegner zu. Und sagte mit Blick auf die New York Times, die bei Paid Content schon viel weiter ist: „Wären wir mehr unter Druck, würden wir vielleicht schneller agieren“.

Für pure Zeit- und Energieverschwendung hielten alle drei die nicht enden wollende Diskussion: Print versus Online. Die Leser interessieren sich dafür eh nicht. „Wenn man Studenten fragt, ob sie Spiegel lesen, sagen die na klar. Aber natürlich meinen die dann nicht das Magazin sondern Spiegel Online“, sagte Borchert. Auch beim Stern unterscheiden die Leser nicht zwischen Online und Printmarke. Warum auch? „Wenn uns Journalismus heilig ist, dann sollten wir nicht an den Formen kleben, in die er gerade gegossen ist“, schlug Zielina vor. Es war nicht das Schlusswort, aber es wäre ein schönes gewesen.

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