Unter dem Motto „Strategien für die digitale Zivilgesellschaft“ fand Ende März zum sechsten Mal die reCampaign statt, DIE Konferenz für Online-Campaignerinnen und -Campaigner aus dem NGO-Umfeld. Zwei Tage lang gab es ein sehenswertes Programm und viel Raum für persönlichen Austausch. Der erste Konferenztag bot ein kuratiertes Programm mit zahlreichen Workshops. Der zweite Tag wurde als Barcamp gestaltet – hier war das Engagement und Know-how der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gefragt. Neu hinzugekommen ist 2015 eine Werkstatt für junge Campaignerinnen und Campaigner am Sonntag vor der Konferenz, die sehr gut angenommen wurde.
Amy Sample Ward, CEO von NTEN (The Nonprofit Technology Network), eröffnete die Konferenz mit einer inspirierenden Keynote. Sie sprach darüber, wie Nonprofits mittels effizientem und effektivem Einsatz von Technologien anhaltende Veränderung bewirken können. Dazu zitierte sie aus einer aktuellen internationale Befragung: “The 8th Annual Nonprofit Technology Staffing & Investments Report”, die unter anderem diverse Tech-Benchmarks abfragt. Die Studie ergab, dass in den meisten Bereichen die ohnehin führenden Organisationen vorne liegen, was den sinnvollen und strukturierten Einsatz von Ressourcen und Technologien für Kampagnen angeht. Die Untersuchung läuft derzeit noch hier.
Die zweite Speakerin, Angela Oduor Lungati, bestritt Ihre Keynote zum Thema “People > Tools! How to have an impact with open-source technologies”. Lungati sprach über best practices beim Community Building in Afrika anhand ihres langjährigen Engagements für die Netzplattform Ushahidi und dem von Ihr mit-gegründeten Frauennetzwerk AkiraChix. Ushahidi ist eine kostenfreie Software, mit deren Hilfe man geolokale Informationen bündeln und auf Karten visualisieren kann. Sie wurde u.a. im Projekt Reclaim Naija eingesetzt, um 2011 die Wahlen in Nigeria zu beobachten. Ushahidi wurde mittlerweile in 45 Sprachen übersetzt und dient Communities weltweit dazu, Vorgänge durch die Eingaben Vieler transparent zu machen.
Lungati beschrieb das Verhältnis von Community und Ushahidi prägnant mit „You are 007. We are Q.“ und verstärkte somit die Perspektive, dass (Open Source)-Tools das Empowerment von engagierten und talentierten Menschen für eine Sache entscheidend nach vorne bringen können.
Nach dem anregenden Einstieg hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Weiteren die Qual der Wahl, aus zahlreichen thematisch weit gefächerten Workshops zu wählen: Das Spektrum reichte von inklusivem Campaigning über Möglichkeiten, via Facebook die Politik zu beeinflussen bis hin zum Crowdsourcing für NGOs. So weit gefächert die Themen aber auch waren, letztlich zeichnete sich nach allem Gehörten eine Tendenz ab, die Lungati bereits eingangs postulierte: „It is not about technology!“ – Wichtiger als Technokratie und Instrumente sind „openness and collaboration” im gemeinsamen Miteinander. Mit der Podiumsdiskussion „Digitaler Investitionsstau – Sind wir fit für die Zukunft?” schloss der erste Veranstaltungstag. Vertreter*innen von Attac, WWF und Campact diskutierten die Frage, ob und wie fit wir für die digitale Zukunft sind. Der zweite Tag des Barcamps bewies dann praktisch, dass die Digitalmuskeln hinsichtlich der Online-Kampagnenarbeit doch schon einigermaßen fit sind: Die vielfältigen thematischen Vorschläge boten – aus dem Know-how der Anwesenden gespeist – spannende Perspektiven und vermittelten hautnah weitere Best Practice-Beispiele. So verriet Jona Hölderle seine 5 wichtigsten Einsichten beim Relaunch der NABU-Website, und Nicolai Miron berichtete von einem Pilot-Versuch, Engagierte im Kontext einer BUND-Demo per WhatsApp zu mobilisieren.
Im Weiteren gab es auch nützliche reine Austauschformate wie das von Katharina Philipps (Welthungerhilfe) initiierte Panel, in denen sich die Akteur*Innen schlicht darüber austauschten, wie und welche Social Media Tools sie in ihrem Kampagnenalltag verwenden. Dieser Workshop spiegelte den Geist, den die gesamte Veranstaltung atmete: Ein freundliches und kollegiales Miteinander mit großer Offenheit innerhalb der Szene(n) und die spürbare Bereitschaft, sein Wissen miteinander zu teilen und voneinander zu profitieren. Angela Lungatis Schlussresümee ihrer Keynote lässt sich daher gut als Gesamt-Fazit der Konferenz festhalten: “Alone you go faster but together you go further”. Weitere DMW-Stimmen zur Konferenz:
Melanie Gömmel, Social Media-Redakteurin beim WWF: „Die Keynote von Amy Ward war ein echter „Eye Opener“ für mich. Die CEO von NTenOrg ist der Meinung: „Technologien sind nur unsere Werkzeuge, – die Menschen sind es, die Häuser mit ihnen bauen und Wissen & Zeit investieren müssen, um sie effizient einzusetzen.“ Und: Die Diskussion um Chat-Apps hat erneut gezeigt: Ein „echtes Best Practice“-Beispiel (mit einem guten ROI) gibt es bislang noch nicht. Wir dürfen gespannt sein, was die Zukunft bringt! Extra erwähnt sein sollte: Die Auswahl der SpeakerInnen (auch in Hinblick auf den Speakerinnen-Anteil) war mal wieder sensationell. Dafür: Ein dreifaches HOCH an die VeranstalterInnen!“
Ilona Schäkel, freie PR-Beraterin: „Für mich war die rc15 wieder genau nach meinem Geschmack: Groß genug, um viele interessante Menschen aus dem NGO-Umfeld zu treffen und jede Menge Anregungen für die praktische Kampagnenarbeit mitzunehmen. Überschaubar genug, um in beinahe familärer Atmosphäre zu diskutieren und sich auszutauschen. Auch nicht unwichtig: In der Heinrich-Böll-Stiftung hat die Konferenz eine großzügige, lichtdurchflutete neue Heimat gefunden. Sogar mit stabilem WLAN – Freifunk sei Dank.“
Maren Heltsche, freiberufliche Datenanalystin: „Ich war zum ersten Mal auf der reCAMPAIGN und ich bin begeistert. Ich hatte viele inspirierende Gespräche und Momente. Ganz herausragend waren die beiden Keynote-Speakerinnen! Überhaupt sehr cool, wie selbstverständlich hier ein ausgeglichenes Speakerverhältnis herrscht. Für mich beruflich eine sehr spannende Erfahrung: ich habe auf der Konferenz einen Auftrag über Twitter akquiriert.“