Die Digitale Transformation verändert die Arbeitswelt. Nicht nur für Unternehmen, sondern insbesondere für die Menschen. Frauen sind besonders betroffen. Ohne Glaskugel aber mit viel Sachverstand ging es in der Veranstaltungsreihe DAS DIGITALE NRW 2030 der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES-Landesbüro NRW) zum Weltfrauentag am 08.03.2016 um die Frage, wie sich Frauen in digitalen Kulturen zukünftig bewegen, wie sie neue Branchen für sich nutzbar machen können und wie die Veränderungen der digitalen Gesellschaft althergebrachte Rollenbilder, aber auch die Arbeitsplätze von Frauen beeinflussen. #dmwK Orgafrau Mona Szyperski kommentierte in illustrer Panel-Runde das von Zukunftsforscherin Cornelia Daheim (Future Impacts Consulting) vorgestellte Szenario „Digitales und Frauen in NRW 2030“ und stellte sich mit ihnen den anschließenden Fragen.
Digitalisierung 2030 zwischen Chancen und Risiken
Digitalisierung ist ein Wachstumstreiber, aber gleichzeitig auch dafür verantwortlich, dass immer mehr menschliche Arbeitskraft ersetzbar geworden ist, so Nadja Lüders, stellv. Vorsitzende SPD-Landtagsfraktion in ihrem Grußwort, während sie gemeinsam mit Petra Wilke (Leiterin Landesbüro NRW der FES) in die Veranstaltung einführte. Bis 2030 werden 50% der Arbeitsplätze wegfallen, insbesondere im Niedriglohnsektor und häufig in von Frauen dominierten Arbeitsbereichen.
Doch neben Risiken bestünden auch Chancen. So richtete Zukunftsforscherin Cornela Daheim ihren Blick auf die Themen Vernetzung & Digitalisierung, Führung und Vereinbarkeit und machte in ihrem Zukunfts-Szenario deutlich, worin für Frauen die Chancen liegen:
- pragmatischer Feminismus der Jüngeren besonders in den digitalen Netzwerken
- radikalere Quoten
- ein Recht auf Homeoffice nach niederländischem Vorbild
- Frauen als Vorbilder der neuen virtuellen Führung
Dabei dürfen wir als Gesellschaft das „Frauenthema nicht ohne Männer denken“, so Daheim. Die Öffnung der Geschlechterrollen steht vorne auf der Agenda.
Digitale Fähigkeiten werden entscheidend sein genauso wie Gender Gaps zu schließen. Für die Vereinbarkeit ist der Übergang von Vollzeit zu Teilzeit sowie die Veränderung von Arbeitsorten auf Homeoffice und Mobile Office unausweichlich. Ebenso sollten Unternehmen und wir als Gesellschaft im Blick haben, dass die nicht-akademische Ausbildung von Frauen gefördert werde.
Insgesamt ein positives, weil aktivierendes Bild, das Daheim zeichnet, denn noch liegen uns so viele Chancen offen, wenn wir denn die Handlungsimpulse richtig nutzen.
Die Kommentare
Sandra Babylon, Managing Director im Beratungsunternehmen Accenture und Leiterin Women Initiative im deutschsprachigen Raum, schilderte den Rahmen innerhalb ihres Unternehmens und verwies darauf, dass Accenture bereits bei internationaler Ausrichtung einen Frauenanteil von 50 Prozent ausweist. So ist auch der IT Bereich bei Frauen im internationalen Bereich viel selbstverständlicher, in Deutschland bestehe noch Nachholbedarf! Auch Equal Pay sei kein Thema. Für Neueinstellungen bis 2017 habe man sich eine Selbstverpflichtung von 40 Prozent Frauenanteil auferlegt (aktuell sind es 37 Prozent), auf Führungsebene 20 Prozent (aktuell 17 Prozent) und 10 Prozent auf Geschäftsführungsebene.
Hemmnisse sieht sie in Deutschland vor allem darin, dass durchsetzungsstarke Frauen oft noch als „Zicken“ gelten, also Gender-Vorurteile bestehen. Auch die Politik müsse noch nachlegen. Szenarien von virtuellen Teams sind für sie bereits Alltag, aber Vernetzung und Digitalisierung sind für Frauen große Chancen.
Ihre Vision:
- Stereotype bekämpfen: Daten + Fakten anschauen hilft um dranzubleiben!
- Digitalisierung als Hebel benutzen und so Chancen ergreifen und nutzen!
Dr. Manuela Maschke, Referatsleiterin der Hans-Böckler-Stiftung mahnt, die Männer stärker einzubinden und wirft provokant ein, warum Digitalisierung an der Geschlechterverteilung etwas ändern solle. Eine digitale Arbeitswelt böte mehr Räume für die Selbstpräsentation und würde Arbeit optimieren helfen, aber an der Verteilung ändere dies nichts. Digitalisierung zerkleinere Arbeitshäppchen, die dann aber meist für geringere Bezahlung stehen.
Ihr Anliegen:
- Teilzeitarbeit, insbesondere hochwertige, sollte möglich und auch von Männern genutzt werden können.
- Dabei müsse aber der Unterschied in der Bezahlung aufgehoben werden, um mehr Gerechtigkeit zu schaffen.
Mona Szypersi, Marketing Manager EMEA bei Pontoon Solutions und Mitbegründerin und Orgafrau der #dmwK stellte heraus, dass eine Gesellschaft nur dann zukunftsfähig sein kann, wenn Bildung und der Umgang mit digitalen Medien, neuen Entwicklungen, Führungsmodellen und New Work-Konzepten durchdacht ist. Dabei müsse man traditionelle Rollenbilder, Berufe, Teamstrukturen und Führungskonzepte hinterfragen und überdenken.
Ihr Anliegen:
- Förderung von Initiativen wie Komm mach MINT um junge Frauen für naturwissenschaftliche Berufe zu interessieren
- Wettbewerbe und Workshops explizit für Gründerinnen, um deren unternehmerisches Potenzial zu fördern
- Fördermittel und Wiedereinstiegsangebote für Frauen
- Berufliche Mentoringprogramme und Netzwerkveranstaltungen explizit für Frauen wie beispielsweise der PANDA-Contest
- Programme für Coaching und Mentoring oder auch Reverse Mentoring, also Generationen und funktionsübergreifendes Lernen vom Gegenüber wie beispielsweise bei IBM
- Frauen sichtbar machen mit ihrer Expertise, wozu die Digital Media Women als Netzwerk von Macherinnen beitragen
Um ein positives Zukunftsszenario im Sinne von Cornelia Daheim Realität werden zu lassen, bedarf es laut Mona Szyperski sicherlich Unternehmergeist, Mut und zukunftsweisende Ideen. Aber noch viel wichtiger: Viele Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus Wirtschaft und Politik.
Tipp: Mehr Diskussion zum Thema demnächst beim Panel „Digitalisierung und Feminisierung“ des DPRG-Zukunftsforums im Juni 2016, moderiert von Mona Szyperski. (Details folgen)
Foto Titel-/Gruppenbild: © FES 2016 (mit bestem Dank); andere: Martina Troyer
Linktipps:
Nachbericht des B.F.B.M (Bundesverband der Frau in Business und Management e.V.)