Wer will schon einen Chef aus der Hölle?

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Über Medien und Führung im digitalen Wandel

Vier gestandene Journalistinnen und ein „Quotenmann“ – alle mit Führungserfahrung – berichteten aus ihrem digitalen Redaktionsalltag und blickten alles andere als wehmütig zurück in die „gute alte“ Offline-Zeit. Die Hauptveranstaltung der Digital Media Women auf der Social Media Week Hamburg stand ganz im Zeichen von Führung und Digital Leadership in den Medien. Ist das moderne Verständnis von Leadership in den Redaktionen bereits angekommen? Als gelernte Journalistin war ich sehr gespannt auf die PanelistInnen und ihre Erfahrungen mit Führungsstilen – und oft fand ich mich innerlich kopfnickend und ganz bei den Podiumsgästen.

Leadership

Die Innovations-Expertin und Spezialistin für Filmserien, Ulrike Klode  (früher bei stern online) sprach wohl vielen KollegInnen aus dem Herzen: „Gute Journalisten sind nicht automatisch gute Chefs.“

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Ulrike Klode (Foto: M. Klauck)

Andererseits ist der Beruf des Journalisten oder der Journalistin kein Ausschlusskriterium für eine gute Arbeit als Führungspersönlichkeit. Alles richtig gemacht hatte offenbar Barbara Maas, Leiterin des Online-Newsdesk von shz.de in Flensburg und zukünftig Chefin bei der Berliner Zeitung. Als der Jobwechsel publik wurde, bekam sie am Ende ihrer ersten Führungsposition das Kompliment von einer Mitarbeiterin: „Oh, du bist so ein authentischer Leader.“ Solche Feedbacks von Mitarbeitern sind nicht häufig, helfen aber sich zu reflektieren und in die neue Chefrolle besser hineinzuwachsen.

Ulrike Klode meinte, dass Leadership erlernbar und dass ein Führungs-Coaching in jedem Fall sinnvoll sei: „Es bringt auf jeden Fall etwas. Auch wenn es nur die Zeit ist, über den eigenen Führungsstil nachzudenken und festzustellen, dass er richtig ist.“

Kann man Führung lernen? Sind Frauen etwa bessere Chefs? Stephan Dörner, Chefredakteur bei t3n und offiziell als „Quotenmann“ eingeladen, bestand darauf, dies sei geschlechtsunabhängig: „Es kommt aufs Individuum an.“ Er habe aber auch noch nie eine Chefin „so richtig aus der Hölle“ gehabt. Doch manche weiblichen Chefs hätten wohl das Gefühl, besonders streng und dominant auftreten zu müssen, vermutete er.

Nadja Stavenhagen (Foto: M. Klauck)

Ulrike Klode stimmte dem zu. „Ich hatte großartige weibliche Chefs.“ Sie erinnerte sich aber auch an weniger gelungene Exemplare, die eben den Führungsstil für sich übernommen hatten, den sie schon kannten. Gerade deswegen hatte Barbara Maas zunächst wenig Ambitionen, Chefin zu werden: „Ich wollte mich nicht verbiegen. Ich wollte kein Befehl-Gehorsam-Schema.“

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Nadja Stavenhagen, Chefin der Akademie für Publizistik, hat das ebenfalls beobachtet: „Es gibt weniger junge Leute, die Führungsjobs machen wollen.“

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Stephan Dörner ist auch als Chef die Work-Life-Balance wichtig. „Bei uns wird die 40-Stunden-Woche streng eingehalten. Arbeit ist nicht das wichtigste im Leben“, betonte er. Dennoch, machte er deutlich, dass er Lust hat zu gestalten. Wichtig dabei aber: „Ich arbeite mich nicht kaputt in der Position. Ich habe noch ein Leben.“

https://twitter.com/Nisalahe/status/836988201155850240

Christiane Brandes-Visbeck, Quartiersleiterin der #DMW Hamburg und Inhaberin von Ahoi Consulting, die Redaktionsleiterin eines TV-Magazins und Online-Chefredakteurin bei Bertelsmann war, wollte von Anfang an Chefin werden – und ist es relativ schnell geworden. „Zu schnell“, sagte sie rückblickend: „… denn daraufhin hatte ich lange Zeit keine Ziele mehr“.

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Christiane Brandes-Visbeck (Foto: M. Klauck)

Ihren Führungsstil bezeichnete die Chefin des Hamburger Quartiers der #DMW  als ausgleichend. „Ich sehe mich eher als Chefin, die die Umstände an die Mitarbeiter adaptiert, sodass es für die Leute passt.“

„Führung ist auch eine Frage von Integrität und Feedbackkultur“, so Barbara Maas. „Wertschätzung und Lob sind sehr wichtig.“ Dem stimmte Stefan Dörner zu und sprach sich ebenfalls für eine bessere Feedbackkultur aus. Oft sei Feedback nur negativ. „Es wird zu wenig gelobt“, sagte er (als Chef hat er jetzt die Chance, es besser zu machen, hüstel; Anmerkung der Autorin).

Digitale Transformation

Es sind zwei Kulturen, die sich vermischen“, so Barbara Maas über das Verhältnis von Online- zu Print-JournalistInnen bei der shz: „Es sitzen im Newsroom 70 Redakteure – davon zehn Onliner.“

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Barbara Maas (Foto: M. Klauck)

Als Beispiel für die kulturellen Unterschiede führte sie die tägliche Stehkonferenz der shz-Onliner um neun Uhr morgens an: „Alle nehmen teil. Die Printredaktion veranstaltet immer noch wie vor 20 Jahren eine Redaktionskonferenz, wo nur je ein Vertreter aus jedem Ressort dabei ist.“ Und es gibt eine andere Diskussionskultur bei Print und Online: „Es ist erlaubt, was Doofes zu sagen. Das hilft manchmal beim Weiterdenken.“

Ulrike Klode bestätigte, dass die Fehlertoleranz bei den Onlinern größer sei als bei traditionellen Printredaktionen. Dort herrsche noch die alte Hierarchie-Denke. Dies sei sogar bei Kollegen zu beobachten, die gleich alt sind und in den jeweils unterschiedlichen Sparten arbeiteten. „Die Kultur zu verändern, scheint das Schwierigste überhaupt zu sein“, so ihr Eindruck.

Stephan Dörner sah den Unterschied auch in der Beziehung zu den Rezipienten. Die PrintredakteurInnen verstünden sich als „Sprachrohr ohne Echo“, das vom „niederen Volk“ keine Antwort erwarte. Während die Onliner in dieser Hinsicht mehr Demut an den Tag legten, da sie ständig mit der Leserreaktion konfrontiert würden.

Von seinem früheren Arbeitgeber berichtete er:  „Bei der Welt kam die Revolution von oben. Online first, wurde von der Chefetage ausgeben und die altgedienten Redakteure haben sich daran orientiert.“

https://twitter.com/jouvenir/status/836997416754823169

Abschließend stellte Ulrike Klode fest, dass die Krise des Print-Journalismus nicht auf die Digitalisierung allein zurückzuführen sei, sondern eher von einem Führungsproblem herrühre: „Das mittlere Management hat oft Angst vor Statusverlust. Gutes Selbstwertgefühl der Führungsriege ist aber wichtig für Innovation.“  Und auch die mangelnden Diversität in den Redaktionen spiele dabei eine Rolle: „Wir brauchen viel mehr unterschiedliche Leute“.

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