Im Rahmen der #30mit30-Kampagne suchen die Digital Media Women 30 Unternehmen in Deutschland, die einen Frauenanteil von über 30 Prozent in ihren ersten drei Führungsebenen haben. Im Medienunternehmen news aktuell sind in den drei ersten Führungsebenen insgesamt 40 Prozent der Positionen mit Frauen besetzt. #DMW Nadine Bütow hat die Geschäftsführerin Edith Stier-Thompson und Janina von Jhering, stellvertretende Leiterin Konzernkommunikation der dpa-Gruppe und verantwortlich für die Kommunikation bei news aktuell interviewt – und dabei unter anderem herausgefunden, warum es bei news aktuell keine Förderprogramme für Frauen gibt.
Nadine Bütow: Können Sie news aktuell bitte kurz vorstellen?
Edith Stier-Thompson: Kurz gesagt sind wir Dienstleister für die PR-Branche. Wir sind zwar eine hundertprozentige Tochter der dpa, agieren aber völlig unabhängig. Unsere Kunden sind Marketing- und PR-Kommunikatoren, denen wir mit Produkten wie ots und zimpel einen effektiven Zugang zu Medien und Verbrauchern verschaffen und die Reichweite ihrer Themen bei Google, in den sozialen Medien und unter Journalisten erhöhen. Dabei sind wir seit 30 Jahren Marktführer in Deutschland auf diesem Gebiet und haben 140 Beschäftigte, die an fünf Standorten tätig sind.
Nadine Bütow: Wie hoch ist denn der Anteil an weiblichen Führungskräften in den oberen drei Führungsebenen, und was sind deren Aufgaben?
Janina von Jhering: Die ersten drei Führungsebenen sind bei uns 15 Personen, davon sechs Frauen, damit liegt die Quote bei 40 Prozent. Neben Edith und mir gibt es noch vier Teamleiterinnen, unter anderem im Sales-Bereich. Übrigens liegt der Frauenanteil insgesamt bei news aktuell bei 57 Prozent. Worauf wir besonders stolz sind: Die Betriebszugehörigkeit liegt im Durchschnitt bei 15 Jahren pro MitarbeiterIn.
VORGELEBTE FLEXIBILITÄT AUF ALLEN EBENEN – FÜR FRAUEN UND MÄNNER GLEICHERMASSEN
Nadine Bütow: Wie haben Sie diese Quote erreicht? Gibt es eine Diversity-Strategie bei news aktuell?
Edith Stier-Thompson: Eine solche Strategie gibt es bei uns nicht. Im Kern hat sich dieser Stand über die Jahre entwickelt. Ich bin seit 2014 bei news aktuell und allein in dieser Zeit hat sich sehr viel verändert. Was news aktuell auszeichnet, ist vor allem die Flexibilität der Arbeitszeiten. Wir versuchen möglichst immer, uns den jeweiligen Bedürfnissen unserer KollegInnen anzupassen. Zum Beispiel mit der Vertrauensarbeitszeit: Wenn man Vollzeit tätig ist, muss man sechs Stunden am Tag arbeiten und kann sich den Rest aufteilen. Führungskräfte können ihre Arbeitszeit reduzieren und behalten trotzdem ihre Position. Unsere KollegInnen haben die Möglichkeit, sich auch über Abteilungen hinweg weiter zu entwickeln, zum Beispiel nach einer Babypause. Drei Tage im Monat darf außerdem mobil gearbeitet werden. Diese Maßnahmen haben wir nach und nach umgesetzt. Die Signale dazu kamen aus der Belegschaft. Diese Flexibilität wird hier tatsächlich gelebt, und das schlägt sich eben auch im weiblichen Anteil nieder.
Nadine Bütow: Gilt diese Flexibilität ebenso für Männer?
Edith Stier-Thompson: Ja, auf jeden Fall. Wir haben hier beispielsweise einen Kollegen, der speziell für mich ein echtes Role-Model ist. Er ist Vertriebsleiter und hat zwei Monate Elternzeit genommen, obwohl er ein großes Team verantwortet. Das war gar kein Problem. Und im Moment geht er regelmäßig einmal die Woche früher, weil er mit seinem jüngsten Kind beim Babykurs ist. Die Stunden holt er dann nach. Wenn jemand hier so was macht, wird er nicht schief angeguckt, sondern ist eher ein Vorbild, um andere zu ermutigen. Wir haben auch Fälle, in denen Väter nur noch vier Tage arbeiten möchten. Das räumen wir alles ein, denn wenn man so etwas heute ablehnt, entsteht eine hohe Frustration. Der Mensch ist so: Die Familie steht eben an erster Stelle, und deshalb gehen wir das alles gern mit.
BÜNDEL VON VERSCHIEDENEN MASSNAHMEN STATT DIVERSITY STRATEGIE
Nadine Bütow: Welche besonderen Maßnahmen gibt es noch bei news aktuell?
Janina von Jhering: Es gibt einen Familienservice, an den man sich anonym rund um die Uhr wenden kann, wenn man psychologische Unterstützung braucht, etwa im Trauerfall. Und es gibt auch eine so genannte Nothilfe-Mama – falls das Kind krank ist, steht hier ein Babysitter für eine gewisse Anzahl an Stunden bereit.
Besonders zu erwähnen ist auch unser Intranet, das wir Social Intranet nennen, weil man viel selbst einstellen und liken kann. Auch negative Kommentare sind völlig in Ordnung. Die Inhalte sind via App auf dem Smartphone auch unterwegs einsehbar und jeder kann auch eigene Themen promoten, zum Beispiel Spendenaktionen. Viele KollegInnen gehen in Elternzeit und wollen ihren Login behalten, um weiter auf dem Laufenden zu bleiben. Am Tag der Fremdsprachen haben wir im Intranet einen Aufruf gemacht und einmal mehr gemerkt, wie divers wir auch in Bezug auf Nationalitäten und Sprachen sind. Unsere Konferenzräume sind nach einer Abstimmung im Intranet nach Hamburger Musikbands benannt. Und unser Bürohund ist dort natürlich auch vertreten. Sie sehen, es macht eben auch Spaß, sich mit dem Intranet zu beschäftigen.
Nadine Bütow: Wie erklären Sie sich die langjährige Betriebszugehörigkeit unter Ihren Mitarbeitern?
Janina von Jhering: Aus meiner Sicht stehen wir in der Unternehmenskultur für Glaubwürdigkeit und Vertrauen, genau wie mit unseren Produkten. Uns ist es gelungen, die Menschen immer mitzunehmen, wenn sich der Markt gedreht hat. Sie fühlen sich hier offenbar sehr wohl, auch weil sie von all den genannten Maßnahmen und der flexiblen Arbeitszeit und den Entwicklungsmöglichkeiten über die Abteilungen hinweg profitieren.
Edith Stier-Thompson: Dazu trägt sicher auch unsere Informationspolitik bei. Wir sind sehr transparent, was Umsatz, Strategie und Entwicklung angeht. Viermal im Jahr haben wir eine so genannte Vollversammlung, die wir auch in die Außenbüros streamen. Die flachen Hierarchien und unsere ‚Du-Kultur’ erleichtern den Austausch und die gemeinsame Arbeit an neuen Ideen ebenfalls. Und: Wir beteiligen auch alle KollegInnen am Unternehmensbonus, wenn wir unsere Ziele erreichen, es gibt Geburtstagsgeschenke etc. – das alles stärkt unsere Unternehmenskultur.
MIT VERÄNDERUNGEN EXPERIMENTIEREN
Nadine Bütow: So eine starke Unternehmenskultur entsteht ja nicht von heute auf morgen. Welche Rolle hat die Geschäftsführung da gespielt?
Edith Stier-Thompson: Es ist schon wichtig, dass die Geschäftsführung alle Veränderungen mitträgt und ein Vorbild ist. Meine Bürotür steht immer offen und ich arbeite zum Beispiel auch mobil, das hätte ich mir früher überhaupt nicht vorstellen können. Denn eigentlich komme ich aus einem ‚nine-to-five’-Umfeld und ertappe mich immer wieder dabei, in dieses Mindset zurück zu fallen. Es ist wichtig, die Veränderungen selbst anzugehen, bei sich selbst zu beginnen – nur so funktioniert es. Das Unternehmen war aber schon sehr weit in dieser Hinsicht, als ich hier ankam. Die flexiblen Arbeitszeiten, etwa, gab es bereits.
Janina von Jhering: Dabei haben wir uns keine konkrete „Diversity Strategie“ auferlegt, bei uns ist das fester Teil der organischen Entwicklung und den sich verändernden Bedürfnissen der Gesellschaft und damit der Mitarbeiter. Die Unternehmenskultur konnte und kann damit gesund wachsen und erstarken. Wir tasten uns immer peu à peu an Neues heran und experimentieren.
Nadine Bütow: Wie lief das konkret?
Janina von Jhering: Nehmen wir das mobile Arbeiten. Da haben wir erstmal mit einem Tag angefangen, jetzt sind es schon drei Tage. Der Prozess, mit dem die Tage beantragt werden können, wurde stark vereinfacht. Und wenn die Menschen merken, Edith macht auch mobiles Arbeiten, nehmen sie das viel besser an, als wenn es irgendwo nur geschrieben steht. Seminare für Frauen oder ähnliches führen wir bei uns auch nicht durch. Wenn wir Workshops explizit nur für eine Zielgruppe wie Frauen, andere Nationalitäten oder ‚Junge’ und ‚Alte’ machen würden, würden wir einen Rückschritt machen und alte Rollenbilder eher verstärken.
ZU DEN FÜHRUNGSLEITLINIEN GEHÖRT: ‚LASS DEIN TEAM GLÄNZEN’
Nadine Bütow: Wie würden Sie die Kultur innerhalb der drei Führungsebenen beschreiben?
Edith Stier-Thompson: Wir sind sehr demokratisch aufgestellt und es wird viel diskutiert. Wenn man sich dann am Ende des Tages nicht einig wird, muss die Geschäftsführung entscheiden – das gibt es auch. Aber es ist ein sehr faires Miteinander. Diese E-Mail-Schlachten, in denen man cc gesetzt wird, gibt es kaum, und wenn, dann fordere ich die Leute zum Reden auf. Am Ende muss es immer dem Unternehmen dienen und nicht meinem Ego.
Janina von Jhering: Wir haben auch sehr offene Führungsleitlinien festgelegt, die kurz und knapp formuliert sind. Ein wichtiger Punkt darin ist: ‚Lass Dein Team glänzen’. Auch hier geht es wieder um Vorbilder. Edith macht das regelmäßig vor und lobt tolle Idee von Mitarbeitern in großen und kleinen Meetings.
Nadine Bütow: Welche Vorteile ergeben sich denn für das Unternehmen aus kultureller und ökonomischer Sicht durch einen hohen Anteil von Frauen und Frauen in Führung?
Janina von Jhering: Ich würde da gern eher die Diversity insgesamt nennen, nicht nur den Frauenanteil – und dann liegt es klar auf der Hand. Es ist bereits mehrfach offiziell belegt worden, dass Unternehmen, die Diversity Management betreiben und eine vielfältige Mitarbeiterstruktur haben, auch erfolgreicher sind. Zudem spiegelt sich eine offene Unternehmenskultur am Ende des Tages auch im Profit wider.
Nadine Bütow: Welche Hürden oder Herausforderungen kann eine offene Unternehmenskultur wie Ihre mitbringen?
Edith Stier-Thompson: Es ist zum Beispiel häufig nicht so einfach für die Abteilungsleiter, mit den flexiblen Arbeitszeiten im Team umzugehen. Manchmal müssen sie wahnsinnig jonglieren – aber wir machen und schaffen es trotzdem.
Janina von Jhering: Es sind auch nicht alle sofort begeistert vom Social Intranet. Für einige ist es ein Overflow: Nicht alle kennen die Mechanik aus dem privaten Umfeld und fühlen sich vereinzelt auch etwas überfordert. Das hat ein bisschen gedauert, bis wir das herausgefunden haben. Sogar jetzt, ein Jahr nach der Einführung, machen wir noch mal ein Webinar, wo wir Mitarbeiter an die Hand nehmen und durch die Funktionen des neuen Intranet führen.
Nadine Bütow: Fühlen sich Männer im Unternehmen durch die offene Kultur in ihrer Rolle oder Position bedroht?
Edith Stier-Thompson: Bei news aktuell gab es diese Situation bisher noch nicht. Das könnte zum einen an unserer Branche liegen, in der per se viele Frauen tätig sind, und zum anderen an unserer lockeren und aufgeschlossenen Unternehmenskultur. Darüber hinaus haben wir bei news aktuell sehr flache Hierarchien. Angestellte und Führungskräfte begegnen sich im Grunde ständig und arbeiten in agilen Projektgruppen abteilungsübergreifend zusammen. Und bei news aktuell duzt man sich. Das schafft Nähe, stärkt die Teamarbeit und lässt grundsätzliche Grenzen und Ungleichgewichte – wie auch zwischen Geschlechtern – gar nicht erst entstehen.
„STELLE DICH UND DEIN EIGENES VERHALTEN IN FRAGE“
Nadine Bütow: Welche Tipps können Sie anderen Unternehmen geben?
Edith Stier-Thompson: Fange bei Dir selbst an. Stelle Dich selbst und Dein eigenes Verhalten in Frage. Ich habe ja beschrieben, dass ich vor zehn Jahren noch ganz anders agiert habe. Sich selbst zu verändern bringt auch ein Unternehmen nach vorn. Ganz ehrlich – wenn ich bei mir selbst anfange und mich verändere, bekomme ich ja auch zurückgespielt, wie das fruchtet – dann ist es ja auch für mich als Managerin befriedigend. Das gilt übrigens auch für Männer, auch sie stecken in ihren Rollen fest und suchen Vorbilder, die es anders machen.
Janina von Jhering: Das ist auch mein Tipp: Führungskräfte und die Geschäftsführung sollten bei Kulturveränderungen Vorbilder sein. Sie müssen die Initialzündung geben und den Change komplett mittragen. Außerdem ist die Devise ‚Trial and Error’ wichtig – es muss nicht gleich alles perfekt sein mit 25 Maßnahmen auf einmal. Man kann auch erstmal klein anfangen und Dinge ausprobieren in kleinen Schritten. Da nimmt man Menschen viel besser mit.
Nadine Bütow: Was Sind Ihre Wünsche oder Forderungen an die Politik?
Edith Stier-Thompson: Die Augen zu öffnen und endlich ins Handeln zu kommen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland weit zurück; das ist peinlich und nicht zeitgemäß. Schließlich gibt es auch einige positive Beispiele wie z.B. in den skandinavischen Ländern, die ggf. sogar eine Blaupause sein könnten. Der Politik kann bei diesem Thema aber nicht die alleinige Verantwortung zugeschrieben werden. Das ist vergleichbar mit einem Change-Prozess in einem Unternehmen. Natürlich müssen entsprechende Rahmenbedingungen geschaffen werden, aber für den langfristigen Erfolg bzw. ein wirkliches Umdenken in der Gesellschaft müssen „alle“ ihren Beitrag leisten.
Nadine Bütow: Danke für Ihre Zeit und das gute Interview!
FAKTEN ZUM UNTERNEHMEN
Branche: Kommunikation/Medien
Anzahl Mitarbeiter national: 135
Frauenquote (erste drei Führungsebenen): 40%
DAS #30MIT30 TEAM BEI DIESEM INTERVIEW
Interview: Nadine Bütow
Autorin: Simone Fasse
Lektorat: Nadine Bütow
Grafiken: Nadine Bütow
Social Media Kommunikation: Claire Zeidler
Projektleitung: Nadine Bütow
Initiatorin: Maren Martschenko
WAS IST #30MIT30?
#30mit30 ist eine Kampagne der Digital Media Women (#DMW), die wir 2019 gestartet haben. Dabei suchen wir 30 in Deutschland ansässige Unternehmen aus allen Branchen ab einer Größe von 100 Mitarbeitern, die in den ersten drei Führungsebenen einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent vorweisen können. Dieser Anteil muss innerhalb eines Zeitraumes von drei bis fünf Jahren erreicht worden sein.
Wir wollen zeigen, dass und wie es in Unternehmen gelingen kann, den Anteil an Frauen in Führungspositionen auf 30+ Prozent zu erhöhen! Wir wollen den Weg dieser Erfolgsgeschichten sichtbar machen und die Ergebnisse mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft teilen. Unsere Kampagne soll Quelle der Inspiration und Impulsgeber für andere Unternehmen sein, die sich auf den gleichen Weg begeben wollen – aber nicht wissen, wie. #30mit30 schreibt positive Geschichten über die Machbarkeit von Vielfalt in Führungsetagen, ihre Wirksamkeit und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland. Mehr erfahrt Ihr in unserem One-Pager und den FAQs zu #30mit30.
Bewerbungen sind über unsere Website oder per Email an 30mit30@digitalmediawomen.de möglich.
UNSER PARTNER
news aktuell unterstützt #30mit30 Kampagne zusätzlich als Medienpartner. Wir danken dem Unternehmen für das Engagement und die Unterstützung! Wenn du die Kampagne #30mit30 ebenfalls unterstützen möchtest, als Medienpartner oder Firmen-Sponsor, schreibe uns unter 30mit30@digitalmediawomen.de
WIE DU #30MIT30 UNTERSTÜTZEN KANNST
Wir würden uns freuen, wenn Du den Erfolg der Kampagne aktiv gestaltest und begleitest. Das kannst Du folgendermaßen tun:
- Teile die Inhalte und Vorbilder der Kampagne unter dem Hashtag #30mit30 auf Deinen Online-Kanälen und berichte interessierten Menschen und Unternehmen von der Kampagne.
- Blogge oder schreibe als JournalistIn über die Kampagne. Hier geht es zum Pressekontakt.
- Unterstütze die ehrenamtliche Arbeit der Digital Media Women und werde #DMW-Fördermitglied. Unternehmen können uns mit einem #30mit30-Kampagnen-Sponsoring unterstützen.
Bilder: news aktuell