Als Digital Media Women (#DMW) sind wir zwar ständig online unterwegs, die Mitgliederversammlung unseres Vereins findet aber normalerweise offline statt. Ausnahmen gab es
bisher zwei: 2018, da es außerordentliche Entscheidungen der Mitgliederversammlung brauchte und 2020, da wir aufgrund der Corona-Pandemie unser Jahrestreffen absagen mussten. Über Twitter wurden wir gebeten unsere Erfahrungen zu teilen. Dieser Bitte möchten wir gerne nachkommen.
1) Rechtliche Grundlagen sicherstellen
Die Möglichkeit einer Online-Mitgliederversammlung ist idealerweise schon in der Satzung vorgesehen. Bei den Digital Media Women haben wir das als digitalaffiner Verein bereits bei der Vereinsgründung berücksichtigt.
Was kann man als Verein tun, wenn die eigene Satzung diese Möglichkeit nicht vorsieht, jetzt aber aufgrund der Corona-Verbotsregelungen auch keine persönlichen Versammlungen stattfinden können? Anwältin Ludmilla Kuhlen dazu:
„Diese Vereine können trotzdem virtuelle Mitgliederversammlungen durchführen, wenn sie vorher die Zustimmung sämtlicher Mitglieder einholen. Hier sollten die konkreten Abläufe genau beschrieben werden, damit die Mitglieder wissen, wofür sie ihre Zustimmung erteilen.“
Im Kern ist das Einladungsprozedere bei einer virtuellen und einer persönlichen Mitgliederversammlung gleich. Die Einladung muss fristgemäß erfolgen und eine Agenda der Punkte enthalten, über die auf der Mitgliederversammlung abgestimmt wird. Wichtig ist, bereits in der Einladung auf die virtuelle Form der Einberufung hinzuweisen und sicherzustellen, dass der Zugang zur Mitgliederversammlung nur den rechtlich zulässigen Personen zugeht.
2) Gute Vorbereitung
Bei einer virtuellen Mitgliederversammlung ist es noch wichtiger als im persönlichen Miteinander, diszipliniert zu diskutieren und Diskussionen nicht ausufern zu lassen. Darauf sollte die Einladung zu einer virtuellen Mitgliederversammlung zusätzlich hinweisen. Ebenso auf einige zusätzliche Verhaltensregeln verbunden mit technischen Tipps.
Wir haben deshalb im Vorfeld allen Vollmitgliedern gut aufbereitete Informationen zu den Inhalten der Abstimmungen, dem vergangenen und dem geplanten Haushalt und den Kandidat*innen für zu besetzende Ämter zur Verfügung gestellt. Zu wichtigen Satzungsänderungen und zur Vorstandswahl haben wir bereits vorher in unserer internen Facebookgruppe und per E-Mail informiert bzw. wichtige Aspekte diskutiert. Wir haben einen Link zu einem Ordner mit allen wichtigen Dateien angelegt, um vor und während der Veranstaltung einen einfachen Zugriff auf die Inhalte zu ermöglichen.
Es hilft allen, wenn die Mitglieder informiert zur virtuellen Versammlung erscheinen, um fokussierte und prägnante Diskussionen führen zu können, um dann möglichst schnell eine bewusste Entscheidung treffen zu können.
Neben den inhaltlichen Punkten ist es wichtig, alle Zugangsdaten und technischen Abläufe vorher gut zu kommunizieren. Auch zum technischen Einlassprozedere. Dazu später mehr.
3) Moderation und Rollen verteilen
Für eine virtuelle Mitgliederversammlung ist eine arbeitsteilige Moderation unerlässlich. Wir als #DMW Vorstand haben unsere letzte Mitgliederversammlung zu dritt moderiert und inhaltlich gestaltet. Eine war zuständig für die Agenda, das Einhalten der Zeit, die Strukturierung der Diskussion und die Integration der einzelnen Chat- und Wortbeiträge der Teilnehmer*innen. Eine andere war zuständig für die gesamte Abwicklung der Abstimmungen inklusive Technik.
Von technischer Seite ist es nötig, dass die Moderator*innen Sonderrechte in der Meetingverwaltung bekommen können, beispielsweise zum Einlassen und Ausschließen der Teilnehmenden, zum Stummschalten und Aktivieren einzelner oder zum Starten und Beenden von Umfragen.
Eine weitere war für die inhaltliche Gestaltung einzelner Agendapunkte – wie die Vorstellung des Rechenschaftsberichts und des Haushaltsplans – zuständig. Zusätzlich zum Moderator*innenteam gab es eine Protokollantin.
Auch wenn im Vorfeld die Rollen im Moderationsteam genau abgesprochen und verteilt wurden, ist es hilfreich, sich gegenseitig zu unterstützen. Wenn man gerade spricht, kann man nur schwer parallel den Chat verfolgen und übersieht mitunter Handzeichen oder wichtige Meldungen.
4) Zeitplanung
Die gute Vorbereitung ist bei virtuellen Mitgliederversammlung noch wichtiger als bei analogen. Zum einen für die oben beschriebenen inhaltlichen Aspekte im Vorfeld, zum anderen für die Versammlung selbst.
Virtuelle Mitgliederversammlungen dauern deutlich länger als analoge. Wir haben vom ersten Login der Moderatorinnen über den Einlass der einzelnen Mitglieder bis zum Logout der letzten Teilnehmerin fünf Stunden gebraucht. Bei persönlichen Mitgliederversammlungen brauchten wir dafür bislang 2,5 bis 3 Stunden.
Wir empfehlen, für virtuelle Mitgliederversammlungen viel mehr Zeit einzuplanen. Gleichzeitig ist es noch wichtiger als bei einem persönlichen Treffen, alle regelmäßig in der Timeline zu verorten, um Orientierung zu bieten, sonst schwindet die Konzentration schnell.
5) Stimmberechtigung feststellen und korrekte Abstimmung organisieren
Vor der Mitgliederversammlung muss geklärt werden, wer grundsätzlich stimmberechtigt ist und zusätzlich, wer bei der Mitgliederversammlung persönlich abstimmt und wer seine Stimme überträgt. Tatsächlich stellte sich dieser Punkt am kompliziertesten bzw. am zeitintensivsten heraus.
Wir haben die Teilnehmer*innen gebeten, bereits 15 Minuten vor dem offiziellen Beginn im virtuellen Meetingraum zu erscheinen, damit wir die Anwesenheit, die Stimmberechtigung und die übertragenen Stimmen fürs Protokoll festhalten konnten. Die Teilnehmer*innen kamen automatisch in einen virtuellen Warteraum und wurden einzeln eingelassen. Obwohl wir bereits im Vorfeld entsprechende Wahllisten erstellt hatten, hat der Einlassprozess für 55 Teilnehmer*innen 45 Minuten gedauert.
Für die Abstimmungen haben wir das Umfragemodul unseres Konferenztools genutzt. Dieses ermöglicht eine anonyme Abstimmung und garantiert, dass jede Person nur eine Stimme abgeben kann. Für jede Abstimmung wurde im Vorfeld eine eigene Umfrage angelegt. Beim entsprechenden Agendapunkt wird die jeweilige Umfrage von einer Moderator*in aktiviert, nach Abschluss der Abstimmung geschlossen und die Ergebnisse für alle publiziert.
Etwas komplizierter wird es mit den übertragenen Stimmen. Da das Umfragetool nur einmalige Stimmabgaben zulässt, haben wir analog zu den Umfragen eine separate Tabelle auf Google Drive angelegt. Pro Umfrage ein Reiter, pro übertragener Stimme eine Zeile, in den Spalten jeweils die Abstimmungsoptionen (s. Abbildung). Damit auch hier die Abstimmung anonym möglich ist, sind die übertragenen Stimmen mit Nummern gekennzeichnet. Die entsprechenden Nummern werden denjenigen, denen die Stimmen übertragen wurden, beim Einlass ins Meeting per Chat mitgeteilt.
Nach jeder Abstimmung wurden die Ergebnisse der Umfragen und der Tabelle mit den übertragenen Stimmen zusammengezählt.
Diese Vorgehensweise hatte mehrere Nachteile: Dieser Einlassprozess dauerte deutlich länger als geplant. Die Teilnehmer*innen im Warteraum konnten sich nicht miteinander austauschen. Als Moderator*innen hätten wir die Möglichkeit gehabt, über einen Chat mit ihnen zu kommunizieren, diese Funktion kannten wir allerdings nicht. Wir nutzten eine Facebook-Gruppe als Backchannel. Allerdings wurden darüber aber nicht alle wartenden Teilnehmer*innen erreicht und waren verunsichert. Zukünftig würden wir einerseits bereits in der Einladung auf mögliche Wartezeiten hinweisen bzw. im gleichen Tool einen Breakoutroom für Wartende einrichten – als Nebenraum der Hauptversammlung. Hier könnten sich die Wartenden miteinander austauschen, bis sie in das Hauptmeeting aufgenommen werden.
Wir sind hier dankbar für alternative Ideen, die schneller sind, aber gleichzeitig eine korrekte Feststellung der anwesenden Stimmen ermöglichen.
Während der Versammlung haben wir außerdem festgestellt, dass wir als Moderator*innen nicht mit abstimmen können. Unsere Stimmabgaben haben wir parallel unter uns (per Messenger-Dienst) geklärt und die Stimmen zu den Ergebnissen der beiden anderen Quellen addiert. Um diesen Prozess zu vereinfachen, könnten die Moderator*innen zukünftig in der gleichen Tabelle wie die übertragenen Stimmen abstimmen.
6) Verhaltensregeln klären
Zum reibungslosen Funktionieren einer virtuellen Zusammenkunft tragen alle mit ihrem Verhalten bei. Erstes Gebot: alle außer der Moderator*in sind gemutet. Am besten per default. So werden störende Hintergrundgeräusche, die häufig die Tonwiedergabe für alle unterbrechen, verhindert. Möchte sich eine Person äußern, gibt sie ein virtuelles Handzeichen und wird von der Moderator*in freigeschaltet. Es spricht jeweils nur eine Person. Für parallele Rückfragen und Anmerkungen kann ein schriftlicher Chat genutzt werden.
Was positiv aufgefallen ist: Wir bei den Digital Media Women verfügen alle über eine gute digitale Routine. Daher gab es hier kaum Probleme. Die Teilnehmer*innen halfen sich gegenseitig per Chat, wenn es Unklarheiten bei der Bedienung gab. Sind die Vereinsmitglieder allerdings weniger geübt mit digitalen Techniken bzw. konkret mit Videokonferenzen, ist ein ausführlicheres technisches Briefing im Vorfeld unerlässlich, z.B. wo finde ich die „Handheb“-Funktion oder was mache ich, wenn meine Internetverbindung zu schwach ist. Nur so ist es möglich, sich innerhalb des Meetings auf die Inhalte zu konzentrieren.
7) Ungeplante Diskussionen managen
In jeder Mitgliederversammlung gibt es Raum für die Besprechung von vorher nicht geplanten Diskussionen. Je komplexer diese Themen sind, desto komplizierter ist es, diese in einer großen Gruppe virtuell zu verhandeln. Hier erforderte es in unserem Fall sehr viel Disziplin und Geduld der Teilnehmer*innen. Folgende Verhaltensregel hat uns geholfen: Wortbeiträge nicht länger als eine Minute. Nur neue Meinungen werden zugelassen. Wenn kein Beschluss der Mitgliederversammlung in der diskutierten Sache nötig ist, kann die Diskussion vertagt werden. Ist das nicht möglich, kann man ein Ausweichen in Breakout-Rooms ausprobieren, um in kleineren Gruppen zu diskutieren. Allerdings würde dieses Vorgehen die Versammlung noch einmal verlängern.
Wenn ihr selbst Erfahrungen mit virtuellen Vereinsversammlungen habt, oder Ideen zu unseren Schmerzpunkten, teilt Euer Wissen gerne in den Kommentaren.
Rahmendaten
Genutzte Tools: Zoom, G-Suite, Facebook
Anzahl der Teilnehmer*innen: 55
Dauer der Versammlung: 5h – geplant: 2,5h
Pause: 10 Minuten
Titelfoto: Kerstin Kitzmann