Die Internetbotschafterin der Bundesregierung Dr. Gesche Joost macht sich in Brüssel für Netzneutralität und Netzzugang als Bürgerrecht im Sinne der politischen Teilhabe stark – und brachte mit ihrem Beitrag „Social Design und Politik“ auf der re:publica14 einen der relevantesten, informationsstärksten und berührendsten Vorträge an den Start.
Gesche Joost stellte zwei zentrale, politische Fragen: Zum einen nach dem (technischen) Zugang der Bürger zum Netz und zum anderen nach den Möglichkeiten und den Instrumenten der Teilhabe, da Netzzugang zwar die Voraussetzung, aber eben nicht gleichbedeutend mit Teilhabe ist. Sie erzählte von pragmatischen, inkludierenden Projekten, die die Designerin mit dem Design Research Lab in Berlin entwickelt hat.
Vernetzung leichter machen
Die „Lorm Hand“ versetzt taubblinde Menschen in die Lage, Zugang zum Netz zu erlangen und darin zum Beispiel über die üblichen Social Media Kanäle zu kommunizieren. Ein mit Sensoren gespickter Datenhandschuh ermöglicht das Lormen – eine Sprache, bei der mit einem Fingeralphabet über Berührung der Handflächen kommuniziert wird – auch mit Menschen, die diese Sprache nicht gelernt haben.
Die Vernetzung von nachbarschaftlichen Communities spielt eine wesentliche Rolle, um den Netzzugang als Bürgerrecht wirksam zu machen. Joost betont, dass die analogen Communities Keimzellen von Vernetzung und politischer Teilhabe sind. Ein sehr lebendiges Beispiel dafür ist der Seniorencomputerclub in Berlin, der die Communitymitglieder unter anderem mit den notwendigen Skills ausstatten, um den Zugang zum Netz überhaupt nutzen zu können. Unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten ins Netz seien auch hier der Schlüssel zur Teilhabe, so Joost.
Diese waren nur zwei von vielen Beispielen – neben dem Swatchbook Exchange beim e-textile Summercamp oder der #learn2code – Initiative, die zeigen, wie Inklusion im Netz wirksam wird.
Besserer Zugang und Teilhabe
Insgesamt war ich von den pragmatischen Umsetzungen sehr beeindruckt, öffnen sie doch eine ganz andere Perspektive auf die Bedeutung von Zugang und Teilhabe, als sie der durchschnittliche Netzbenutzer gewohnt ist. Während meiner einer mal eben die nächsten Petition unterschreibt und sich aufregt, warum die mobile Edge-Verbindung wieder mal mit größtmöglicher Gemütlichkeit arbeitet, hat ein Netzzugang für einen taubblinden Menschen eine wahrscheinlich unvorstellbar größere Bedeutung. Die Feststellung Betroffener, Taubblindheit sei wie Isolationshaft, lässt nur ungefähr erahnen, welche Welt sich mit der Lorm Hand eröffnen lässt.
Ich bin froh zu sehen, dass aus Deutschland so große Kompetenz in Sachen Internet nach Brüssel gelangt. Das hätte ich mir derzeit nicht erwartet.
Frau Joost, ich bin Ihr Fan und wünsche Ihnen viel Erfolg in Brüssel!