Im Rahmen der #30mit30-Kampagne suchen die Digital Media Women 30 Unternehmen in Deutschland, die einen Frauenanteil von über 30 Prozent in ihren ersten drei Führungsebenen haben. Dieses Mal sind wir beim Kölner Energieanbieter Yello. #DMW Katja Vaterspricht mit Claudia Tillmann, Leiterin Brand Performance & Experience Design, und Lisa Jaborek, Personalreferentin.
Katja Vater: Möchten Sie sich und das Unternehmen kurz vorstellen?
Lisa Jaborek: Mein Name ist Lisa Jaborek. Ich bin seit 2011 bei Yello und verantworte die Rekrutierung. Als HR-Business-Partner bin ich außerdem verantwortlich für alle personalwirtschaftlichen Themen.
Claudia Tillmann:Ich bin Claudia Tillmann und seit 2001 im Unternehmen – und somit ein Yello-Urgestein. Ursprünglich habe ich Jura studiert und war eine Zeitlang als Rechtsanwältin tätig. Bei Yello hatte ich im Laufe der Zeit ganz verschiedene Führungspositionen inne und verantworte im Moment den Bereich Brand Performance & Experience Design.
Yello feiert dieses Jahr seinen 20. Geburtstag und war 1999 somit einer der ersten nationalen Energieanbieter, die nach der Liberalisierung des Strommarktes gestartet sind. Wir sind eine Tochter der Energie Baden-Württemberg (EnBW) und haben circa hundert Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Standort Köln. Wir vermarkten bundesweit Strom und Gas und sind seit einigen Jahren auch in weiteren Geschäftsfeldern tätig. So bieten wir heute ebenso digitale Services und energienahe Dienstleistungen an. Kundenzentrierung wird bei uns großgeschrieben und damit auch Mitarbeiterzentrierung. Mit 56 Prozent haben wir einen sehr hohen Frauenanteil und seit Anfang des Jahres auch eine Geschäftsführerin.
Rahmenbedingungen schaffen, die Chancengleichheit ermöglichen
Katja Vater: Was haben Sie unternommen, um diesen hohen Frauenanteil zu erreichen?
Claudia Tillmann:Grundsätzlich sind wir sehr stark im Sales und Marketing aufgestellt. In diesem Bereich ist der Frauenanteil generell höher. Vielfalt war für uns jedoch schon immer ein wichtiger Aspekt. So haben wir auch auf Führungsebene bereits lange einen relativ hohen Frauenanteil.
Lisa Jaborek:Gerade im Rekrutierungsprozess geht es darum, den oder die Beste zu finden. Geschlecht oder kultureller Hintergrund spielen dabei keine Rolle. So ist bei Yello automatisch eine kunterbunte Mischung entstanden. Ich bin kein großer Fan von Quoten, sondern eher davon, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Gleichstellung ermöglichen. Yello ist darin sehr stark und das führt automatisch zu einem höheren Anteil von Frauen im Unternehmen, auch auf Führungsebene.
Katja Vater: Können Sie konkret sagen, was Sie den Mitarbeitern anbieten, um die entsprechenden Bedingungen zu schaffen?
Lisa Jaborek:Wir haben Vertrauensarbeitszeit. Das heißt, unsere 40-Stunden-Woche basiert auf flexiblen Arbeitszeiten. Wir machen keine Vorgaben zur Anwesenheit, sondern achten stark darauf, dass sich der Beruf mit dem Privatleben vereinbaren lässt. Wir gehen weg von Work-Life-Balance, hin zu Work-Life-Integration. Wir haben deshalb auch immer mehr Männer, die Elternzeit und flexible Arbeitszeiten nutzen.
Frauenförderung muss über die klassischen Rollenbilder hinausgehen
Claudia Tillmann:Wir bieten Kinderbetreuung und haben viele Teilzeitmöglichkeiten. Natürlich muss Frauenförderung über diese klassischen Rollenbilder hinausgehen. Ein richtiger Wandel wird erst stattfinden, wenn auch Männer diese Möglichkeiten wahrnehmen. Ich bin zum Beispiel in eine Führungsposition gekommen, als ich noch keine Kinder hatte. Nach der Elternzeit habe ich mich zunächst für Teilzeit entschieden. Natürlich bin ich da an Grenzen gestoßen. Aber mein damaliger Chef hat gesagt: „Nein, du bist gut. Ich möchte dich im Führungsteam nicht verlieren, also muss ich den Rahmen schaffen“. Das ging dann auch. Am Anfang war ich die einzige Frau, die in einer Führungsfunktion Teilzeit gearbeitet hat. Da braucht man schon mal ein breites Kreuz, aber irgendwie ist mir das gelungen. Und es muss von der Unternehmensleitung unterstützt werden, sonst funktioniert es nicht.
Katja Vater: Sie haben gerade gesagt, dass Sie von Ihrem Vorgesetzten damals Unterstützung bekommen haben. Wie hat er Sie unterstützt?
Claudia Tillmann:Ich musste damals oft verreisen, da unsere Konzernmutter in Baden-Württemberg sitzt. Mit meiner kleinen Tochter hatte ich das Gefühl, ich kann alldem nicht gerecht werden. Als ich dann dem damaligen Geschäftsführer sagte, ich wolle die Rolle abgeben, antwortete er: „Es ist ein Armutszeugnis für unser Unternehmen, wenn wir das nicht hinbekommen. Sie müssen nicht zu jedem Termin fahren. Geben Sie das Thema Ihrem Kollegen mit.“
Lisa Jaborek:Es geht einfach darum, jemandem Mut zuzusprechen und auch Vertrauen auszudrücken. Das gibt den Mitarbeitern sehr viel, und darin ist Yello ebenfalls stark.
Katja Vater: Welche Tipps würden Sie Kolleginnen und Berufseinsteigerinnen geben, damit sie sich weiterentwickeln und erfolgreich sein können?
Claudia Tillmann:Vernetzen ist wichtig. Wir haben vor ein paar Monaten angefangen, ein Frauennetzwerk bei uns zu etablieren. Dazu muss man keine Führungskraft sein. Wir schaffen einen geschützten Raum, in dem man offen über Ängste und Befürchtungen sprechen und Lösungsansätze erarbeiten kann. Frauen hinterfragen sich viel mehr als männlichen Kollegen, und das muss man ausgleichen. Das Initiieren so eines Austausches oder Firmenetzwerkes kann jeder machen. Am besten Mitstreiter suchen, die schon ganz gut in dem Unternehmen vernetzt sind.
Katja Vater: Können Sie noch etwas zu Ihrem Netzwerk sagen?
Claudia Tillmann:Das Etablieren dieses Netzwerks kam aus einem Gespräch mit einer jüngeren Kollegin. Wir hatten die Idee, haben einen Kanal in unserem Collaboration-Network gestartet und gefragt, wer Lust hat, mitzumachen. Und da kam ganz viel Zuspruch. Für mich ist wichtig: Wir sind alle für den Erfolg des Netzwerkes verantwortlich. Es funktioniert nicht, wenn Leute nur konsumieren.
Katja Vater: Wie würden Sie denn die Unternehmenskultur bei sich beschreiben?
Lisa Jaborek:Wir arbeiten agil hier bei Yello. Wir organisieren uns in cross-funktionalen Teams. Ein wesentlicher Bestandteil ist, dass unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, zusammenkommen. Das weckt Potenziale und fördert Innovationskraft. Wichtig für uns sind auch Vertrauen, Transparenz, Kommunikation und Spaß.
Claudia Tillmann:Und flache Hierarchien und Nahbarkeit. Wir sitzen schon seit Jahren alle in offenen Bereichen. Es gibt keine Geschäftsführungsbüros oder Leiterbüros mehr. Das fördert die Kommunikation und das Miteinander.
Lisa Jaborek:Und damit einher geht auch Verantwortung, die wir auf die Mitarbeiter übertragen, was sicherlich auch ein ganz großer Bestandteil unserer Unternehmenskultur ist.
Katja Vater: Aktuell haben Sie eine hohe Frauenquote. Würde Ihnen auffallen, wenn der Anteil wieder nach unten geht?
Claudia Tillmann:Ja, natürlich. Aber wir hatten das noch nie.
Lisa Jaborek:Die Führungsebene ist ein sehr überschaubarer Kreis.
Claudia Tillmann:Wir haben unsere Geschäftsführerin und die nächste Ebene. In dieser Ebene sind wir im Moment zu viert, drei Männer und ich. Wenn keine Frau mehr im Führungsteam wäre, würde das spätestens unserer Geschäftsführerin auffallen. Bei zwei vergleichbaren Bewerbungen würden wir dann doch eher die Frau bevorzugen. Unserer Erfahrung nach führt diese Vielfalt zu einer guten Atmosphäre, auch zu Diskussionen und zur Erweiterung des Denkrahmens. Wir schauen bei der Rekrutierung zu 50 Prozent auch darauf, ob jemand passt. Kenntnisse kann man weiterentwickeln, aber das Mindset von Menschen ist viel schwieriger zu verändern.
Lisa Jaborek: Am Ende eines Rekrutierungsprozesses treffen wir eine gemeinsame Entscheidung im Team. Und wir achten von Anfang an darauf, den ganzen Menschen zu sehen.
Katja Vater: Und wie stellen Sie die Bewerberinnen und Bewerber dem Team vor?
Claudia Tillmann:Der Bewerber oder die Bewerberin machen einen sogenannten Praxistag bei Yello. An diesem Tag nimmt sich das engere Team Zeit, um die neue Kollegin oder den neuen Kollegen kennenzulernen. Später gibt es eine Praxisaufgabe, mit der wir die Arbeitsweise der neuen Person kennenlernen möchten und schauen, wie das zu uns passt. Das funktioniert super, auch für die Bewerber und Bewerberinnen. Im Übrigen ist beim Bewerbungsgespräch auch immer jemand aus dem Team dabei.
Lisa Jaborek:Wir involvieren die Teams von Anfang an. Wenn ich eine Bewerbung erhalte, schaue ich erstmal auf die Kenntnisse. Dann gehen wir über in Telefoninterviews, es folgt ein Vorstellungsgespräch und dann der Praxistag: Es zählt vorrangig das Fachliche, aber daneben auch die kulturelle Passung.
„Es liegt an uns, die Rahmenbedingungen aufzubauen“
Katja Vater: Wie sind Sie denn eigentlich auf die #DMW gekommen und warum machen Sie bei #30mit30 mit?
Lisa Jaborek:Das Thema Diversity wird gesellschaftlich immer relevanter. Und das war für uns ein Anlass, uns zu hinterfragen. Wir wollen schauen, an welchen Stellen wir besser werden können. Eigentlich sind wir ganz gut unterwegs und jetzt ist es Zeit, das auch präsenter zu kommunizieren. Denn der Arbeitsmarkt hat sich gewandelt und als Unternehmen muss man etwas tun, um Talente zu gewinnen.
Katja Vater: Gibt es noch Unterstützung aus Politik oder Wirtschaft, die Sie sich wünschen würden? Oder auch von den BewerberInnen selbst?
Claudia Tillmann: Ich hoffe, die Gesetzgebung geht sehr bedacht mit dem Beschluss vom europäischen Gerichtshof um, dass Arbeitszeit wieder dokumentiert werden muss. Denn ich befürchte, dass flexible Arbeitszeiten, Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice schwerer zu realisieren wären. Eigentlich sollte es ja nicht auf die Anwesenheit ankommen, sondern auf das Ergebnis.
Lisa Jaborek:Das sehe ich auch so. Ansonsten glaube ich, ganz viel liegt an uns und an jedem Unternehmen, die Rahmenbedingungen aufzubauen, um diverse Teams zu fördern.
Katja Vater: Und wie stehen Sie zum Thema Quote?
Claudia Tillmann:Ich frage mich oft, ob ich für oder gegen eine Quote bin. Das ist schwierig zu beantworten, da man ja Argumente für beides finden kann. Im Endeffekt hängt auch viel damit zusammen, dass es gar keine richtigen Role Models gibt. Ich kann mich an männlichen Vorständen orientieren, aber an welcher Frau kann ich mich orientieren? Da wird es ja schon wirklich dünn.
Lisa Jaborek:Ich würde auch sagen, dass ich kein Fan der Quote bin, aber auch, weil es bei uns eben ohne funktioniert. Damit will ich nicht sagen, dass die Quote in anderen Unternehmen nicht benötigt wird.
Claudia Tillmann:Wir Frauen müssen selbst lauter werden und uns mehr präsentieren, gerade auf Veranstaltungen und als Speakerinnen. Natürlich ist das ein Stück weit Überwindung, aber da müssen wir aus unserer Komfortzone rauskommen.
Katja Vater: Was möchten Sie zum Abschluss noch sagen?
Claudia Tillmann:Es wird sich nur dann fundamental etwas ändern, wenn wir aus dieser klassischen Familiendenke rauskommen, in der der Mann der Ernährer ist und die Frau, wenn sie Lust hat, noch ein bisschen nebenher arbeiten kann. Das wird nicht von heute auf morgen passieren, denn auch bei den Männern muss ein Umdenken stattfinden. In den Unternehmen darf der Mann nicht komisch angesehen werden, wenn er sich für Teilzeit entscheidet, damit seine Frau eine Karrierechance wahrnehmen kann. In den skandinavischen Ländern funktioniert das schon sehr gut. Ich glaube, wir brauchen hier in Deutschland noch ein bisschen.
Lisa Jaborek:Ich hoffe, dass die Generation, die jetzt kommt, tatsächlich diese Denke hat. Dann liegt es an den Unternehmen, daraus etwas zu machen. Und am Ende des Tages wird es den Unterschied zwischen guten und weniger guten Unternehmen ausmachen, dieses Potential zu erkennen.
Katja Vater: Ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.
FAKTEN ZUM UNTERNEHMEN
Branche: Energie
Mitarbeiter in Deutschland: 100
Frauenquote (erste drei Führungsebenen): 40 Prozent
DAS #30MIT30 TEAM BEI DIESEM INTERVIEW
Interview: Katja Vater
Autorin: Janine Matthees
Lektorat: Katja Vater, Janine Matthees
Grafiken: Karoline Spring
Social Media Kommunikation: Claire Zeidler
Projektleitung: Nadine Bütow
Initiatorin: Maren Martschenko
WAS IST #30MIT30?
#30mit30 ist eine Kampagne der Digital Media Women (#DMW), die wir 2019 gestartet haben. Dabei suchen wir 30 in Deutschland ansässige Unternehmen aus allen Branchen ab einer Größe von 100 Mitarbeitern, die in den ersten drei Führungsebenen einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent vorweisen können. Dieser Anteil muss innerhalb eines Zeitraumes von drei bis fünf Jahren erreicht worden sein.
Wir wollen zeigen, dass und wie es in Unternehmen gelingen kann, den Anteil an Frauen in Führungspositionen auf 30+ Prozent zu erhöhen! Wir wollen den Weg dieser Erfolgsgeschichten sichtbar machen und die Ergebnisse mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft teilen. Unsere Kampagne soll Quelle der Inspiration und Impulsgeber für andere Unternehmen sein, die sich auf den gleichen Weg begeben wollen – aber nicht wissen, wie. #30mit30 schreibt positive Geschichten über die Machbarkeit von Vielfalt in Führungsetagen, ihre Wirksamkeit und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland. Mehr erfahrt Ihr in unserem One-Pager zu #30mit30 oder im FAQ.
Bewerbungen sind über unsere Website oder per Email an 30mit30@digitalmediawomen.de möglich.
UNSER PARTNER
Wir danken unserem Medienpartner Newsaktuellfür die Unterstützung der #30mit30 Kampagne. Wenn du die Kampagne #30mit30 unterstützen möchtest, als Medienpartner oder Firmen-Sponsor, schreibe uns unter 30mit30@digitalmediawomen.de
WIE DU #30MIT30 UNTERSTÜTZEN KANNST
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Fotocredits: Yello