Am 13. November treffen sich auf dem Digitale Leute Summit in der Balloni Hall in Köln Professionals aus der Tech-, Design- und Produktentwicklungsbranche. Die Konferenz bietet Einblicke in die Praktiken internationaler Unternehmen und wartet mit einer Reihe renommierter Speaker*innen auf drei Bühnen auf. Etwa 500 Besucher werden erwartet.
Initiiert von Stefan Vosskötter von deutsche-startups.de, versteht sich Digitale Leute als eine Plattform, die „mit einer neuen, frischen Perspektive auf die deutsche Digitalszene“ schaut. Auf der Konferenz soll es in diversen Chats und Interviews darum gehen, welche Bedingungen es braucht, um bessere digitale Produkte zu entwickeln. Als Medienpartnerinnen des Digitale Leute Summit freuen sich die DMW, das Event zu begleiten.
Im Vorfeld haben wir mit dem Leiter der Redaktion bei Digitale Leute, Thomas Riedel, für euch ein Interview geführt –, wobei wir uns natürlich vor allem für Themen wie Diversity, Gender-Equality auf Konferenzen und die Auswirkung digitaler Trends auf Frauen in Digitalberufen interessieren.
DMW: Thomas, warum ist es so schwer, für techniklastige Panels Speakerinnen zu gewinnen – und was müssen die Frauen ändern?
Thomas Riedel: Als ich mit den Interviews für Digitale Leute angefangen habe, war es uns erst mal wichtig überhaupt jemanden für ein Interview zu finden. Recht schnell wurde aber klar, dass das nicht das Problem ist. Im Gegenteil, es war sehr leicht, Interviewpartner zu finden, die gerne über ihre Arbeit reden. Damit meine ich, es war leicht Männer zu finden. Wie wir in der Zwischenzeit gemerkt haben, stellen unsere Formate die Person sehr stark in den Vordergrund. Dafür müssen Frauen sich bewusst entscheiden. Man muss regelrecht Überzeugungsarbeit leisten. Daher versuchen wir, das bei unseren Anfragen zu berücksichtigen.
DMW: Was tut Digitale Leute konkret, um dem Frauenmangel auf Bühnen entgegenzuwirken?
Thomas: Wir tun das, womit wir relativ bald auch bei den Digitale Leute Interviews für das Online-Magazin begonnen haben: Wir fragen bei den Unternehmen immer erst nach einer Frau. Oder: Wenn wir zum Beispiel eine Speaker-Liste für den Summit machen, fragen wir zuerst bei den Frauen an. Das klappt nicht immer, weil es manchmal schlicht keine Frauen im Unternehmen gibt, die im Tech-Bereich arbeiten. Aber da wo es geht, forcieren wir das. Und es hat sich gezeigt, dass es manchmal besser klappt, eine Frau als Speakerin zu gewinnen, wenn eine Frau anfragt. Es lohnt sich also, Frauen im Team zu haben. 🙂
DMW: Einmal angenommen, ihr könntet weltweit komplett frei wählen: Wer wäre eure absolute Wunsch-Speakerin?
Thomas: Bei Digitale Leute ist ja jedes Format ein Interview oder ein Fireside Chat und bisher haben ausschließlich Männer diese Interviews geführt. Da wir mittlerweile ganz ordentlich mit Frauen versorgt sind, was die Speaker angeht, würde ich mich über eine weibliche Moderatorin freuen. Und da fällt mir die Tech-Journalistin schlechthin ein: Kara Swisher. Zum ersten Mal ist sie mir bei einem Interview von Steve Jobs mit ihrem Kollegen Walt Mossberg aufgefallen. Und seitdem verfolge ich, was sie macht. Sie auf dem Digitale Leute Summit zu haben, wäre definitiv ein Highlight!
DMW: Welche Trends erkennt ihr in der digitalen Welt im Hinblick auf Diversity?
Thomas: In der agilen Produktentwicklung spielen mehr und mehr cross-funktionale Teams eine Rolle. Immer öfter bestehen die nicht nur aus Tech, Design und Research, sondern auch aus Marketing oder Vertrieb. Da es in diesen Abteilungen eine wesentlich bessere Frauenquote gibt, als unter den Entwicklern, finden sich in reinen Männerteams dadurch auch immer öfter Frauen.
Ein anderer Trend entsteht sozusagen aus der Not heraus: Talent ist sehr gefragt. Daher lassen viele Unternehmen immer öfter Remote Work zu, was für Frauen mit Familie eine Entlastung sein kann. Ebenso führt der War of Talent dazu, dass mehr und mehr Recruiting im Ausland betrieben wird. Unternehmen sind gezwungen auf Umstände Rücksicht zu nehmen und sich zu öffnen, wollen sie heute noch mit der Konkurrenz mithalten.
DMW: Das Thema Gender-Shift wird heiß diskutiert und von einigen Forschungsinstituten, wie dem Zukunftsinstitut, sogar als „Megatrend“ verkauft. Stimmst du dieser Prognose zu und was seht ihr hier kritisch?
Thomas: In der Produktentwicklung gibt es meist Rollen, die in den Teams bestimmte Aufgaben nachgehen. Zum Beispiel die Rollen in Scrum. Die Fokussierung auf die Rolle hilft, gute Prozesse zu haben, um gute Produkte zu entwickeln. Dabei ist es zunächst einmal völlig egal, welches Geschlecht jemand hat, oder woher er kommt, um ein guter Scrum-Master oder Product-Owner zu sein. Unternehmen sollten allerdings auf die Bedürfnisse von Frauen eingehen und entsprechend die Arbeitsbedingungen gestalten. Denn nur so können sie sich auf ihre Rolle fokussieren.
Wenn Gender-Shift also bedeutet, dass Unternehmen für gute Bedingungen sorgen, dann ist das etwas, wohinter wir stehen können. Wenn Unternehmen das ausnutzen, um alle gleichzumachen und damit Geld zu sparen, sehe ich das äußerst kritisch.
DMW: Und zum Schluss noch eine Frage in eigener Sache: Welche Vorteile seht ihr in einer Kooperation mit den Digital Media Women?
Thomas: Die Digital Media Women sind ein Partner, der es einem nicht allzu leicht macht. Für uns war es eine notwendige Challenge, uns den kritischen Fragen des Netzwerkes zu stellen und davon zu lernen. Darum sind wir dankbar, dass wir “den Test” bestanden haben, sehen das aber nicht als Auszeichnung, auf der man sich ausruhen kann. Die Arbeit an diesem Thema hört niemals auf.
DMW: Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Andrea Härtlein für Digital Media Women e.V.