Willkommen zur letzten Folge der ersten Staffel des #DMW-Podcasts. Heute meldet sich die gesamte Crew zu Wort und reflektiert über die Themen der sieben Podcast-Folgen. Und die bieten viel Gesprächsstoff und Denkanstöße – es ging um Digitalisierung und Diversität, Cyber-Sicherheit und Plattformen, New Work und Künstliche Intelligenz.
Am 6. April 2021 ging die erste Folge des neuen #DMW Podcasts online: Geschlechtergerechte Digitalisierung war Thema des Gesprächs mit Digital-Expertin Maren Heltsche. In den nächsten Folgen haben wir mit weiteren spannenden Gästen Themen wie die neue Arbeitswelt, ethisches Hacking, Künstliche Intelligenz und nachhaltige Digitalisierung diskutiert. Die Vielfalt an Themen und Menschen hat uns eine Menge inspirierender Einblicke gegeben.
In der letzten Folge der ersten Staffel reflektieren wir als #DMW Podcast-Team die Inhalte der Interviews. Wir sprechen darüber, was wir Neues gelernt haben, welche überraschenden Einsichten wir gewonnen haben und wie das unseren eigenen Umgang mit Diversität und Digitalisierung beeinflusst. Eines ist uns klar geworden: Diese sehr unterschiedlichen Themenfelder sind miteinander verbunden und Vielfalt muss im Bereich der Digitalisierung sehr breit gedacht werden.
Wenn Ihr jetzt Lust bekommen habt, den #DMW Podcast anzuhören: Auf unserer Webseite sind alle Folgen abrufbar, mit Beschreibung, Audio-Player, Verlinkungen und dem vollständigen Transkript des jeweiligen Gesprächs: https://digitalmediawomen.de/dmw-podcast
Mit dem #DMW Podcast-Team in Kontakt bleiben:
Anne Emmelmann: https://www.linkedin.com/in/anne-emmelmann/
Ariana Sliwa: https://de.linkedin.com/in/ariana-sliwa
Claire Zeidler: https://www.linkedin.com/in/clairezeidler/
Claudia Huber: https://www.linkedin.com/in/claudia-elizabeth-huber-a6452217b/
Jana Galinowski: https://www.linkedin.com/in/janagalinowski/
Sandra Stamer: https://www.linkedin.com/in/sandra-stamer-1a750313a/
Weil wir so viel zu besprechen hatten, gibt es von der letzten Folge der ersten Staffel zwei Teile. Viel Spaß beim Anhören!
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#DMW – der Podcast. Ein Format der Digital Media Women
Im Podcast der DMW geht es darum, wie stark Digitalisierung und Gleichberechtigung zusammenhängen. Wir sprechen mit Expert:innen, berichten aus der Praxis, teilen besondere Geschichten, möchten Tipps an die Hand geben und zum Mitmachen motivieren. Ihr könnt den DMW Podcast überall da anhören, wo ihr Podcasts findet. Einfach „DMW Podcast“ suchen, abonnieren, anhören & weitererzählen.
Der #DMW Podcast zum Lesen – Transkript der Folge 8 (Teil 1 und 2) mit dem #DMW Podcast-Team
Claudia:
Man könnte meinen, dass es bereits schon sehr viele Podcasts am Markt gibt. Und dennoch haben wir für uns gesagt, dass es den #DMW-Podcast unbedingt geben muss. Denn wir sind für mehr Sichtbarkeit für Frauen, wir wollen die Zukunft mitgestalten und dazu gehört, das auszuprobieren. Außerdem ist unser Netzwerk sehr groß, und wir haben viele Kompetenzen und damit viele wertvolle Informationen, Erfahrungen, Perspektiven und Sichtweisen. Und wir legen den Fokus auf Digitalisierungsthemen – auch mit Kompetenzen aus Deutschland. Willkommen zur letzten Folge der ersten Staffel des #DMW-Podcasts. Heute meldet sich die gesamte Crew zu Wort. Möchtet ihr euch mal kurz einzelnen vorstellen?
Claire:
Hallo, ich bin Claire Zeidler, ich bin die Quartiersleitung vom Berliner #DMW-Quartier. Und im Alltag bin ich Marketingmanagerin im Zeit-Verlag.
Ariana:
Hallo, ich bin Ariana Sliwa, ich bin auch seit 2015 bei den #DMW in Hamburg. Und ich arbeite im Alltag als Innovationsmanagerin.
Sandra:
Mein Name ist Sandra Stamer, ich bin selbstständige Unternehmensberaterin und Projektleiterin und stamme aus dem Quartier Bremen/Oldenburg der #DMW.
Anne:
Ich bin Anne Emmelmann, ich bin Project und Team Lead bei einer E-Commerce-Agentur und in der Quartiersleitung im Quartier Rhein-Main, und das mittlerweile auch schon seit sechs Jahren.
Jana:
Hallo, ich bin Jana Galinowski, ich bin seit gut zwei Jahren im Berliner Quartier und bin beruflich als Referentin für Publikationen und Redakteurin tätig.
Claudia:
Und ich bin Claudia Huber, seit 2016 im Stuttgarter Quartier angesiedelt. Und ich bin in meinem normalen beruflichen Leben Sexpsychologen und mache Coaching für Young Professionals.
Claudia:
So, dann steigen wir also mit den ersten inhaltlichen Fragen ein, denn wir hatten unfassbar interessante Folgen. Zum einen haben wir uns auf das Thema Digitalisierung, New Work, Digital Leadership, KI, Cyber Security, Diversity Management, Plattformen und ihre Macht und Nachhaltigkeit und Digitalisierung fokussiert. Die Themen haben wir uns angeschaut. Und da wollte ich euch fragen: Welche dieser Folgen war für euch besonders eindrücklich und was war daran so eindrücklich für euch?
Anne:
Also zum einen habe ich ja ein paar Interviews selber führen dürfen und muss sagen, ich fand es immer wieder zum einen erst mal beeindruckend, die unterschiedliche Sichtweise und diese Expertise, die wir bei uns eben im gesamten Netzwerk haben, wie viel Interesse daran auch entstanden ist, so einen Podcast eben aufzunehmen, und wie viel Interesse da war, das auch wirklich weiterzugeben, genau dieses Expertenwissen zu teilen und uns daran teilhaben zu lassen. Das fand ich erst mal richtig cool, hat mir richtig Spaß gemacht, aus welchen unterschiedlichen Bereichen die Leute sich da auch zu Wort gemeldet haben. Explizit die Damen, mit denen ich das Interview geführt habe.
Und was ich auch ein super spannendes Interview fand, war tatsächlich die Macht der Plattformen mit Claire und Michael, Michael Seemann. Warum war für das mich so spannend? Ich beschäftige mich ja beruflich mit E-Commerce-Shops, und Plattformen spielen da ja mehr oder weniger mit rein. Und dem Begriff Plattformen verwende ich sehr selbstverständlich im Alltag. Allerdings, was hinter so einer Plattform steckt und wie sie gerade den digitalen Wandel und unsere Welt eigentlich mitgestaltet, das habe ich in dem Zusammenhang bisher tatsächlich unterschätzt. Und deswegen habe ich da sehr, sehr viel für mich noch mit herausgezogen. Das fand ich sehr inspirierend.
Claudia:
Danke, Anne. Ariana, du hast ja auch viele Interviews geführt, was war für dich die eindrücklichste Folge?
Ariana:
Ich kann mich Anne anschließen. Allein die Vielfalt an Themen und Menschen, mit denen wir gesprochen haben, und immer auf den Punkt Digitalisierung und Diversity zurückzukommen, egal in welchem Bereich, ob das Cyber Security ist oder Machine Learning oder Nachhaltigkeit. Beim Interview, was ich mit Cuddel alias Carl-Ernst Müller geführt hab, fand ich spannend zu sehen, ob sich Digitalisierung und Nachhaltigkeit am Ende ausschließen oder nicht. Und dass wir vielleicht auch mal das Video ausmachen bei Zoom-Konferenzen, dass solche Aspekte dann natürlich auch wichtig sind, die ja aber zusammenspielen müssen am Ende, damit wir in eine digitale Zukunft gehen, die aber eben dem Klimawandel etwas entgegenbringt. Das hat mich noch mal sehr zum Nachdenken gebracht in meinem täglichen Tun, was digitale Tools angeht.
Claudia:
Danke, Ariana. Claire, ich würde dich gerne noch mal zu Wort bitten, weil du hattest ja auch eine Interview-Folge, also eine Podcast-Folge. War es dann auch die, die dich am meisten beeindruckt hat?
Claire:
Genau, ich habe, wie es erwähnt wurde, die Folge mit Michael Seemann aufgenommen zum Thema „Die Macht der Plattformen“. Die war natürlich für mich am persönlich aufregendsten, einfach, weil ich das vorher noch nie getan habe, einen eigenen Podcast aufzunehmen, und das musste ich alles vorbereiten. Ich fand das Thema auf jeden Fall super spannend. Deswegen ist mir der Michael auch aufgefallen oder hatte ich den auch als Interviewgast vorgeschlagen, weil bei mir das Thema Plattformen, wie Anne das auch schon gesagt hatte, halt auch sehr locker … ich hatte da auch eine lockere Definition im Kopf, aber dieses ganze Ausmaß, diese ganze Breite, die das Thema Plattformen dann doch im digitalen Raum einnimmt, war mir so tatsächlich auch gar nicht bewusst. Und ich glaube, das ist auch ein Thema, das uns auch noch sehr, sehr lange beschäftigen wird. Und da werden wir wahrscheinlich in den nächsten Jahren oder gar Jahrzehnten noch einige andere Formen und Weiterentwicklung erleben.
Welche Podcast-Folge mich aber darüber hinaus auch noch sehr beeindruckt hat, war die mit Christine Deger über das ethische Hacken, weil ich ebenfalls da gar nicht das Bewusstsein darüber hatte, dass es diese Qualifikation gibt. Also natürlich wusste ich, dass es Hacker gibt, und ich wusste auch, dass es Menschen gibt, die in einem Unternehmen ansässig sind und Hacker-Angriffe versuchen zu vermeiden. Aber diese Definition von ethischem Hacken, dass man sich quasi das Wissen des in Anführungsstrichen Bösen aneignet, um es aber fürs Gute anzuwenden, das fand ich mega spannend und war mir so auch tatsächlich überhaupt nicht klar. Also diese Folge mit Christine Deger über das ethische Hacken kann ich auch auf jeden Fall noch mal sehr empfehlen.
Claudia:
Danke, Claire. Jana, dich ich haben wir nicht im Podcast gehört, aber du warst auch immer im Hintergrund unfassbar tätig. Was hat dich denn so beeindruckt?
Jana:
Also mir ist es ganz schwer gefallen, wirklich meine besonders eindrückliche Folge auszuwählen, weil ich eigentlich alle wahnsinnig spannend fand. Und wie meine Vorrednerinnen auch schon sagten, wir hatten eine wahnsinnige Bandbreite und Vielfalt eigentlich bei den Themen. Und irgendwie konnte ich aus jeder Folge was rausziehen, was für mich neu war, was für mich spannend war, was mich zum Nachdenken angeregt hat. Wenn ich aber auswählen muss, würde ich auch das Thema Nachhaltigkeit wählen. Das fand ich einfach noch mal, wie Ariana schon sagte, so für mich nochmal spannend zu sehen, was kann ich denn machen. Und ich finde, das Thema war auch so wahnsinnig wichtig, weil wir gehen in eine digitalisierte Zukunft, und wir müssen auch einfach viel mehr Nachhaltigkeit, Klimawandel – und das sind einfach zwei Themen, die uns wahnsinnig beschäftigen werden und auch unsere Zukunft prägen werden. Und was ich da so wahnsinnig spannend fand: Was er noch so für innovative Ansätze hatte. Also wie man das mit Windenergie und künstlicher Intelligenz im Grunde alles verknüpfen kann, um eine nachhaltige, digitale Zukunft zu schaffen. Das hat mich sehr beeindruckt. Und da will ich auch irgendwie noch ein bisschen mehr drüber wissen.
Claudia:
Danke, Jana. Und jetzt Sandra. Dich haben wir auch nicht gehört, aber du warst auch mächtig im Hintergrund am Werken. Also ohne dich hätten wir uns wahrscheinlich so nicht koordiniert. Also erst mal noch mal vielen Dank an dich. Was hat dich denn so beeindruckt?
Sandra:
Also mich hat tatsächlich beeindruckt, dass wir eigentlich die Digitalisierungsbranche an der Stelle gar nicht haben, sondern einfach die Welt wird digitaler. Und ich komme immer dann ins Denken, wenn ich Impulse bekomme, die ich vorher noch nicht hatte, also wenn ich denke: Ach, okay, da ist jetzt irgendwie ein Punkt dabei, den habe ich vorher noch gar nicht berücksichtigt. Und das waren schon einige Punkte: Bildung, gut, KI, damit beschäftige ich mich selber. Aber eben halt auch sowas wie Plattformen usw., wo ich gesagt habe, okay, da habe ich noch gar nicht drüber nachgedacht, weil einfach die Masse an Informationen, die tatsächlich durch Digitalisierung und alles jetzt rüberkommt, einfach auch gar nicht für den Menschen verarbeitbar ist, also auch für mich nicht verarbeitbar ist. Und von daher habe ich aus jedem Podcast, den wir gemacht haben, verschiedene Dinge mitgenommen. Und das fand ich ganz fantastisch.
Claudia:
Danke, Sandra. Also bei mir ging es auch so, ich habe die Sachen gehört und dachte mir: Wahnsinn! Also in jeder Folge kamen ganz viele Fragen auf. Oder auch hat mich beeindruckt, was das alles für eine riesige Tragweite hat, worüber man sich so im Alltag wahrscheinlich keine Gedanken macht, weil man denkt immer so: Ja, Digitalisierung, dann haben wir halt alle Handys und machen jetzt irgendwie weniger mit Landkarten, sondern halt mehr mit Google Maps oder solche Geschichten. Und welche Tragweite das hatte, das ist mir erst in der Gesamtheit der Folgen so richtig aufgefallen. Weil ich durfte ja die Fragen im Vorfeld vorbereiten, und deswegen sind eigentlich meine Gedanken, die jetzt ja in diesen Podcast auch irgendwie mitreinspielen, für heute ja in diese Folge mitreingeflossen. Und deswegen möchte ich mich mit euch auch darüber austauschen. Und ich hoffe, das interessiert auch die Zuhörenden an den Geräten.
In den Folgen mit Maren Heltsche, Inga Höltmann und Philipp Koch kam deutlich heraus, dass Digitalisierung nicht automatisch für Vielfalt und Chancengleichheit sorgt, wie man das manchmal so denken würde. Diskriminierende Prozesse und Gepflogenheiten werden eigentlich eins zu eins in die digitale Welt übertragen, wenn wir uns keine bewussten und transparenten Prozesse schaffen, die kontrollierbar sind. Das fand ich einen sehr spannenden Punkt. Und die persönliche Bewusstwerdung über diskriminierende Prozesse ist also enorm wichtig für eine gelungene Chancengleichheit in der Digitalisierung. Also die ganzen Aufregungen in Anführungszeichen, die wir so in unterschiedlichen Bubbles zu unterschiedlichen Themen sehen, sind also für unser weiteres zukünftiges Leben sehr relevant. Wo setzt ihr persönlich an, um eure Biases zu entdecken, also eure diskriminierenden Vorurteile zu entdecken?
Ariana:
Ich finde, das ist eine total gute Frage zum Einstieg, weil ja eben so ein Bias, also so eine kognitive Verzerrung sehr unterbewusst ist. Und da ist, glaube ich, das erste Stichwort eben schon Selbstreflexion. Dadurch, dass das eben teilweise unbewusste Verzerrungen sind, kommen wir von alleine gar nicht darauf. Das heißt, wir brauchen da von außen Impulse durch Medien zum Beispiel, dadurch, dass eben zum Beispiel bei uns im Podcast solche Themen thematisiert werden. Und ich glaube, es ist wirklich hier wichtig, dass man auch Fehler machen darf, nur nicht zweimal vielleicht. Oder dass es einem auffällt, dass man darüber nachdenkt: Ach ja, habe ich jetzt hier gerade den Unconscious Bias, dass für mich die Ärzte männlich sind, sage ich vielleicht das nächste Mal Ärztinnen oder auch Handwerkerinnen. Sage ich das nächste Mal Elektroinstallateurin statt Elektroinstallateur und bewege so mein Umfeld auch zum Nachdenken. Da kann man sich ja auch vielleicht mal so eine Herausforderung selbst stellen, dass man einmal die Woche mal in anderen Mustern redet, um auch sein Umfeld ein bisschen zu sensibilisieren. Von daher, genau, glaube ich, es braucht Impulse von außen, die Selbstreflexion und dann auch wirklich das Überwinden, die Sprache zum Beispiel zu ändern.
Anne:
Ariana, was du sagst, finde ich, ist auch ein Teil: Du sprichst an, dass man sich selber ein bisschen challengen sollte. Und diese, sich das ins Bewusstsein zu rufen, das hat super viel mit Achtsamkeit zu tun. Und gerade dieses Ins-Bewusstsein-Rufen ist eben wirklich so ein, also dass ich bewusst Prägungen verändern möchte, wo ich ja dieses Bewusstsein erstmal dafür entwickeln muss, selber bewusst zu entscheiden, dass ich darauf jetzt Eingriff nehme. Also das ist so … Ich finde, das ist der schwierigste Punkt überhaupt, weil es gibt so viele Techniken, das zu tun, aber sich regelmäßig daran zu erinnern, um diese kontinuierliche Verbesserung und diese kontinuierliche Achtsamkeit für dieses Thema zu entwickeln, das ist, finde ich, so der schwierigste Hebel, den zu setzen bei sich selbst. Weil Veränderung ist nun mal für jeden einfach schwer. Manchen fällt es ein bisschen leichter, machen ein bisschen schwerer.
Bei uns im Unternehmen habe ich GFK kennengelernt, also gewaltfreie Kommunikation. Und das ist ja ein Werkzeug, was sehr, sehr viel zum Verständnis meines Gegenübers aufruft. Und das finde ich zum einen ein ganz gutes Instrument, das anzuwenden. Natürlich die Anwendung selbst muss eben auch erst mal wieder ein Habit, eine Gewohnheit werden. Aber da arbeiten wir zum Beispiel im Unternehmen mit Checklisten. Also das Unternehmen hat es sich auch zur Pflicht gemacht, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter*innen das genauso auch anwenden. Und dass wir dann eben wöchentlich auch gefragt werden: Okay … GFK ist leider noch kein Teil der Checkliste, muss ich jetzt an der Stelle zu geben. Aber zu unterschiedlichen Themen habe ich meine Getting Things Done, habe ich meine Themen im Griff etc. Und dass es dann eben wöchentlich abgefragt wird und man daran erinnert wird, habe ich mich denn eigentlich schon diese Woche damit beschäftigt, mit dieser Achtsamkeit füreinander.
Und ein Punkt in der Achtsamkeit ist eben zum Beispiel, finde ich, ich weiß gar nicht mehr, woher das kommt, aber das Thema Einstellungen. Es gibt für jeden Beruf, für jede Berufsgruppe gibt es Männer und Frauen. Also wir sind jetzt bei geschlechtergerecht. Aber es gibt natürlich auch innerhalb der Diversität in jeder Berufsgruppe genug Diversität. Man muss sie aber ansprechen wollen, und man muss es wollen, das Unternehmen auch so lange den Bewerbungsprozess offenzuhalten, bis sich genau diese Zielgruppe auch ausgeglichen irgendwie beworben hat und bis ich da auch genug Bewerber*innen habe, um aus dem Pott dann auszuwählen und zumindest die Basis erst mal gleichermaßen zu gestalten. Ich finde, das ist so ein wichtiger Hebel, der einfach so viel mehr forciert werden sollte.
Claudia:
Claire, Jana, habt ihr für euch da auch solche Möglichkeiten, wie ihr eure Biases entdeckt, wie ihr damit umgeht?
Claire:
Ich glaube, das ist ein Prozess, der wird nicht zu Ende sein, also das ist etwas Unendliches. Was mir tatsächlich so ein bisschen geholfen hat oder was ich empfehlen kann, ist so ein bisschen natürlich auch die Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Also sei es auch im Kleinen, also wenn man auf Twitter ist, dass man vielleicht nicht immer nur Leuten aus der eigenen Bubble folgt, sondern dass man mal bewusst schaut, wem kann man folgen, der oder die vielleicht ganz anders ist als man selbst. Also sei es aus einem anderen Land, eine andere Sprache spricht, eine andere Erfahrung gemacht hat. Und das hat mir tatsächlich in der Vergangenheit sehr geholfen, sei es jetzt irgendwie, auf Social Media entsprechenden Profilen zu folgen oder auch Podcasts zu hören, in denen Menschen über Erfahrungen berichten, die man so selbst noch nicht gemacht hat, um halt so einfach das Bewusstsein dafür entwickeln zu können. Das habe ich zumindest so in der Vergangenheit gemacht.
Jana:
Das ist bei mir eigentlich auch ganz ähnlich. Also ich denke, dieses stetige Bewusstsein, sich bewusst machen, offen sein, verschiedene Impulse zu suchen, ist eigentlich so das Wichtigste oft, aber natürlich auch das Schwierigste, weil man sich natürlich – auch ich – auch immer ertappt, dass man doch in festgelegten Bahnen manchmal denkt. Rein beruflich ist, da ich ja mit Sprache arbeite, natürlich wirklich zu versuchen, also ich versuche eigentlich vor allem, genderneutral, wenn es geht, zu formulieren, also da wirklich mir sehr bewusst zu sein, alte Formulierungen neu zu – neue Wege zu suchen, auch vielleicht jenseits von den Ärztinnen und Ärzten dann noch mal zu gucken, wie kriege ich da noch mal ganz neutral das auch formuliert. Ich sehe aber auch, dass das relativ schwierig ist. Also einerseits schwierig umzusetzen, andererseits auch schwierig manchmal durchzusetzen bei denjenigen, die dann die Texte lesen und abnehmen müssen, weil das manchmal auch einfach noch neu ist und ungewohnte Formulierungen sind. Aber das ist so, glaube ich, ein wichtiger Weg auch, weil Sprache einfach unser Denken bestimmt.
Claudia:
Finde ich unfassbar cool, dass du das machst, Jana, weil erst, wenn Leute das auch tatsächlich in ihrem Beruf umsetzen, dann kann sich auch, als auch Menschen, die sich mit Sprache auseinandersetzen, dann kann sich auch neuer Sprachduktus in irgendeiner Form auch angenommen werden und auch durchsetzen. Das finde ich mega gut. Ich persönlich mache es genauso wie Claire so ein bisschen, dass ich einfach das Internet benutze und mich auch politisch tagesaktuell mit Dingen befasse und dann versuche, irgendwelchen Instagramprofilen oder, oder, oder zu folgen, wo die Welt mir nicht so bekannt ist. Das finde ich manchmal ganz schön hart, auch weil man sich selber hinterfragen muss.
Also wir Frauen haben ja häufig so dieses: Ja, wir sind ja auch eine marginalisierte Gruppe, obwohl wir unfassbar viele sind. Aber wenn ich mir dann noch andere Frauen anhöre, die eben noch andere, ja, Aspekte noch mit sich bringen, zum Beispiel eine andere Hautfarbe oder eine andere Religion, andere Bildungsstatus usw., dann finde ich das echt manchmal sehr spannend. Oder auch: Wie ist die Welt für Menschen, die eben eine Behinderung haben oder sonstige Handicaps mit sich bringen? Ich finde das unfassbar spannend. Und es ist manchmal nicht so leicht, also ich empfinde es nicht immer so leicht, weil es dann doch auch den eigenen privilegierten Status manchmal so sehr zeigt. Und dennoch möchte ich offen dafür bleiben, weil ich glaube, in unserer Gesellschaft gibt es eben alles und jeden. Und dementsprechend möchte ich auch, auch wenn ich in meinem privaten oder beruflichen Kontext nicht mit jedem, ja, zusammenkommen kann oder zusammentreffen kann, möchte ich trotzdem offen dafür sein.
Und da möchte ich auch gleich weitergehen, denn wir hatten auch ganz viel das Thema Diversität. Und gerade in der Folge mit Anja Seng haben wir darüber gesprochen, dass Diversität eben kein Automatismus ist, wie wir selber jetzt gerade auch schon diskutiert haben, dass wir uns damit aktiv befassen müssen. Und sie sprach davon, dass es transparente Prozesse benötigt und Strukturen geschaffen werden müssen, um Vielfalt zu implementieren und eben auch durchzusetzen. Ich fand, die wichtigste Message war, dass Vielfalt gelernt werden muss. Und das fand ich eigentlich auch die beste Message oder auch eine beruhigende Message in gewisser Weise, weil das heißt nicht, dass, nur, weil wir nicht gelernt haben, mit Vielfalt umzugehen, dass das dann verloren ist, sondern eigentlich haben wir jederzeit die Chance, uns vielfältiger zu machen. Dazu habe ich aber auch zwei Fragen an euch. Tut ihr etwas systematisch, um eure Vielfalt zu trainieren? Also wir haben ja schon die einzelnen Punkte jetzt gehört in der ersten Frage. Und wie geht ihr in euren Firmen um, um Strukturen und Prozesse zu schaffen?
Anne:
Also ich finde das total schwierig. Also ich glaube, das ist erst mal grundlegend zu sagen und total offensichtlich. Ich sehe es an meinem zweijährigen Sohn. Der ist Komfortzone einfach. Und der ist aber absolut offen gegenüber dem, was um ihn herum ist. Und ich habe selber jetzt vor kurzem, weiß ich nicht, Winterschuhe gesucht, und da war unten eine lilafarbene Sohle. Und ich habe dann extra noch mal geguckt, sind das Mädchenschuhe, ist das deklariert als Mädchenschuhe oder nicht. Wo ich mir dachte: Das ist Unsinn, weil er fand sie total toll. Er trägt sie und findet sie toll, und ich freue mich, dass ich meinen eigenen Bias überkommen konnte. Punkt 1. Punkt 2: Er hat jetzt irgendwie eine Woche lang einen Zopf getragen, weil alle um ihn herum einen Zopf getragen haben. Er hat super kurze Haare, es ist eigentlich nicht möglich, aber er macht es. Und ich finde, diese Beobachtung von den Jüngsten in unserer Gesellschaft, die sind ja noch am wenigsten beeinflusst, die gehen noch am offensten mit diesen ganzen Themen um.
Und das spiegelt mir echt regelmäßig diese Verhaltensweise, die wir uns antrainiert haben durch Einflüsse, vermeintlich Dinge, die so sind, wie sie sein sollten, die irgendwann mal irgendwie definiert wurden, was aber teilweise so ein Habitus ist aus dem 60er-Jahren. 20er-Jahre, wo die Frauen dann irgendwie gerade aufgeblüht sind, aber vorher eigentlich eben an den Herd gehört haben. Seit wann gibt es Frauenwahlrecht und so? Also das ist ja wirklich so ein tiefes Thema. Und das triggert mich persönlich teilweise auch sehr. Und es beginnt aber eben bei einem selbst. Und das ist mal wieder so ein Punkt: Es beginnt bei einem selbst. Und das voranzutreiben und da aktiv im Unternehmen und im beruflichen Alltag auch darüber zu reden, darum zu bitten, dass Teams divers aufgebaut sind, darum zu bitten, also mit der Personalabteilung explizit zu sprechen und das Feedback zurückzugeben und zu sagen: Hey, warum gibt es hier nicht genügende weibliche Bewerberinnen? Was tut ihr, um dafür zu sorgen, dass wir genug Frauen ins Unternehmen bekommen?
Ich arbeite wie gesagt im E-Commerce-Bereich, das ist eine Tekkie-Bude. Da wird programmiert. Und das sind halt primär Männer, mit denen ich zusammenarbeite. Hat tatsächlich de facto: Wir sind 25 Leute und demnächst nur noch zwei Frauen. Und das merke ich sehr, sehr stark in der Diversität, in der Art und Weise, wie mit Policies, unterschiedlichen Sichtweisen umgegangen wird. Und es wird sich nicht ändern, wenn ich nicht proaktiv darauf eingehe, wenn ich nicht proaktiv immer wieder darauf hinweise, die rollenden Augen irgendwie ignoriere und auch die aktive Diskussion und Konfrontation eingehe. Es ist halt ein absoluter Kampf. Wie ich gesagt habe, es ist total schwer, es ist irgendwie jeden Tag einen Kampf aufs Neue. Und wenn diese Stärke aber nicht da ist, und ich kriege es auch nicht immer hin im täglichen Alltag oder beruflichen Alltag, das immer wieder in den Vordergrund zu rücken, und ich merke, wie es dadurch immer wieder entgleitet, das ist total traurig. Aber ich sehe keinen anderen Weg, als immer wieder proaktiv teilweise in den sauren Apfel zu beißen, sich unbeliebt zu machen und das voranzutreiben. Weil sonst wird sich eben vom Gegenüber die Sichtweise nicht ändern und diese Prägung auch nicht offensichtlich, in der wir uns gerade bewegen.
Ariana:
Ja, Anne, ich stimme dir total zu. Ich arbeite auch in einen sehr, ja, sagen wir mal männerdominierten Unternehmen, das Ingenieurslevel ist sehr hoch. Und da ist leider der Großteil wirklich männlich. Und ich habe auch für mich so ein bisschen den Weg gefunden: mit Charme, aber ohne Scham. Also solange man nett und freundlich ist, aber direkt Dinge anspricht und dabei lächelt oder lacht, ich weiß, ja, vielleicht sind das auch wieder weiblich konnotierte Adjektive, dennoch: Man darf natürlich andere Menschen nicht so vor den Kopf stoßen. Solange man das auf eine nette, ja, charmante Art und Weise macht, kann man, glaube ich, auch direkt sein, ohne dass man jemandem ein schlechtes Gefühl dabei gibt. Und ja, ich sehe es auch als Kampf auch für einen selber, weil es ja nicht komfortabel ist. Also es ist ja anstrengend, die Harmonie zu brechen. Und, ja, ich finde es aber auch wichtig, dass man das vielleicht auch wieder als Herausforderung annimmt, wenn man kann.
Claire:
Ich finde Allyship, also Allies sind eine sehr wichtige Ergänzung in einem sehr männlich oder in einem sagen wir mal einheitlich geprägten Unternehmensumfeld. Und die kann man sich natürlich sehr schlecht in Anführungsstrichen heranzüchten. Also im Idealfall merken, jetzt mal als plattes Beispiel genannt: Männliche Kollegen kommen mit einem entsprechenden Bewusstsein schon ins Unternehmen rein und springen dann bei Kommentaren von anderen männlichen Kollegen rein und kommentieren das. Das ist natürlich im Idealfall auf natürliche Weise so gegeben, aber es macht halt auch Sinn, sich gezielt Kollegen heranzunehmen und die so ein bisschen darauf zu trimmen, da vielleicht auch ein bisschen zur Seite zu springen, wenn entsprechende, ja, dominante Unternehmenskulturen vielleicht ein bisschen zu präsent sind.
Und das habe ich gemerkt, dass das auf jeden Fall in Meetings oder auch in Diskussionen, die man so innerhalb eines Teams hat, sehr, sehr wichtig ist, wenn es nicht immer nur die, jetzt wieder sehr platt gedacht, die weiblichen Kolleginnen sind, die auf bestimmte Sachen hinweisen, sondern wenn man halt auch männliche Kollegen hat, die einem dann entsprechend zur Seite springen und da auch noch mal sagen: Nein, nein, das müssen wir jetzt so oder so machen. Oder: Das hatte doch jetzt Kollegin XY schon, das brauchen wir … musst du jetzt nicht noch mal wiederholen, männlicher Kollege. Also Allies sind da auf jeden Fall auch eine wertvolle Ergänzung in der Unternehmenskultur, wenn diese sehr einheitlich geprägt ist. Und da gibt es ja auch spezielle Programme oder ähnlich wie das Bias-Training, dass man da entsprechend sowas auch … so eine Kultur auch in Unternehmen fördern kann.
Sandra:
Ich tatsächlich gucke mir Situation an, also in denen ich selber Vielfalt oder genau solche Themen ansprechen möchte oder eben nicht. Wenn so Diskussionen kommen, wo ich denke, da könnte jetzt eine neue Perspektive vielleicht so einen Umbruch bringen, und das Thema ist mir wichtig, und ich glaube, dass das in der Runde richtig ist, mache ich das manchmal auch sehr polarisierend und kontrovers. Auch wenn es zulasten sozusagen von mir als Person geht. Einfach jetzt mal so als Beispiel ist ja immer so diese Frauenquote. Also wir haben jetzt sehr viele Frauenthemen gehört. Das ist ja gar nicht Frau-Mann, sondern einfach generell. Genau, und je nachdem, wie diskutiert wird, sitze ich dann da und sage: Ich bin total für die Frauenquote. Und dann wird halt gesagt: Wieso denn? Und dann sage ich immer folgenden Satz, weil da ist ja schon eine halbe Stunde drüber diskutiert worden, und sage dann folgenden Satz: Gleichberechtigung ist erst hergestellt, wenn inkompetente Frauen auf höheren Posten sitzen. Und dann lehne ich mich zurück, gucke tatsächlich, wie die Gruppe sich dann wieder findet. Und dann wird eine neue Diskussion tatsächlich angestoßen.
Da muss man immer damit vorsichtig sein. Also ich bin mit solchen Aussagen vorsichtig. Das spiegelt auch nicht immer das wider, was ich dann tatsächlich in der Wirklichkeit leben würde an der Stelle, aber um einfach mal einen anderen Fluss reinzubringen, wenn sich die Leute zu ähnlich sind. Es soll ja nach Leistung und nach Qualität gehen. Ich bin selber ein Konzernkind, ich weiß, was das bedeutet, Leistung zu zeigen und mehr zu leisten auch als viele Leute um einen herum. Von daher bringe ich da sehr gezielt polarisierende Aspekte mit rein. Das mache ich aber sehr, sehr bewusst an der Stelle, um eben halt eine neue Perspektive mitreinzubringen genau und zu schaffen und eben halt als Vorbildfunktion zu sagen, wenn einem von oben gesagt wird: „Ja, aber willst du die jetzt wirklich einstellen, die ist jetzt irgendwie Anfang 30, überleg mal wegen Kindern“, dann zu sagen: „Nee, mir ist das vollkommen egal. Das kriegen wir alles ausgesteuert, das kriegen wir alles hin. Wir sind ein gutes Team. Dann gleicht das mal jemand anderes aus an der Stelle, und mir ist lieber ein halbes Jahr zu Hause oder ein Jahr und kommen dann mit der geballten Kompetenz wieder mit der Motivation, als wenn ich da jemanden hinsetze, der eigentlich, der halt zufällig nicht in dem gebärfähigen ist so.“ Und solche Diskussionen tatsächlich anzustoßen, die eigene Verantwortung wahrzunehmen da, wo man sie auch wahrnehmen kann.
Im Konzern ist man da ja noch mal deutlich noch mal anders gebunden als als Selbstständige. Da sage ich: Ich schreibe auch Stellen aus, wo ich zum Beispiel dann ich glaube D, W, M geschrieben habe, also von der Stellenformulierung ein ganz klares, kleines Statement. Ich weiß gar nicht, ob man das rechtlich darf, so was im kleinen Umfeld zu machen tatsächlich, um da auch sein Standing zu zeigen, um Perspektiven anzudeuten. Und manchmal geht das eben halt nicht mit harmonisierenden Effekten. Manchmal schon. Aber eben halt manchmal geht es eben halt nur so ein bisschen so.
Anne:
Sandra, ich habe dir gerad ein virtuelles Herz geschickt ist, das möchte hier auch noch mal on the record sagen. Du sprichst mir aus dem Herzen mit dem, was du gerade gesagt hast. Wirklich bewusst zu polarisieren, den Satz finde ich einfach Bombe. Also den möchte ich, werde ich demnächst sicherlich mal zitieren. Und davon abgesehen: Absolut. Also warum – Gebärfähiges Alter, also Entschuldigung, ein Mann kann auch ein Vater werden oder mal abgesehen davon können auch Männer … es können auch zwei Männer Väter gemeinsam werden. Und dann wird es auch zu einer Elternzeit kommen. Also die Elternzeit gilt ja für beide Elternteile. Und auch die Männer können mittlerweile mehrere Monate auf einmal weg sein. Und das ist überhaupt kein Argument mehr. Und genauso reinzugehen und zu sagen: Was kostet es mich denn, jemanden einzulernen. Und da habe ich doch lieber eine kompetente Person, der ich vertraue, die sich da wiederfindet. Und dann ist es eine Frau oder ein Mann, die dann in Elternzeit gehen, aber danach wiederkommen mit ihrer geballten Kompetenz, anstatt dass ich dann zweimal jemanden einlernen muss oder jemanden habe, in diese Person investiere Zeit und Geld, das sind ja zwei Dinge, zwei Argumente, die im Unternehmen durchaus ziehen, aber bin nicht zufrieden, die Performance ist einfach nicht gut, weil ich hätte sie besser haben können und habe mich durch so einen blöden Bias und so ein blödes Vorteil zurückhalten lassen. Und dieses Bewusstsein noch mal proaktiv zu forcieren, finde ich richtig gut.
Claudia:
Das finde ich auch einen ganz wichtigen Punkt in dieser Diskussion. Nicht nur Männer, Frauen oder was es auch sonst so gibt. Also bei mir ist es ja so, dass ich halt für mich keine expliziten Strukturen habe, weil ich ja selbständig bin als Einzelunternehmerin. Und ich habe dadurch eben schon sehr viel Kontakt zu sehr unterschiedlichen Menschen auch. Und was immer wieder ein Thema ist und was bei mir auch immer strukturell in meinen Beratungen, gerade wenn es um Paare geht, immer wieder rauskommt: Beide sind Vollzeit berufstätig, und sie macht mehr Haushalt. Und da gibt es dann schon von mir auch immer wieder die Impulse, weil es fängt im Kleinen an. Und das ist jetzt nur das Mann-Frau-Thema. Also ich habe immer wieder auch die Herausforderung, diverser zu kommunizieren in meinem Marketing, herauszustellen: Du musst nicht heterosexuell oder einem Geschlecht zugeordnet sein, du kannst, egal wie du dich definierst, egal, in welcher Konstellation du dich beziehungstechnisch findest, darfst du zu mir kommen. Du musst nicht in einer monogamen, heterosexuellen Beziehung sein, du darfst auch in einer polyamoren Keiner-definiert-sein-Geschlecht-Beziehung sein. Oder du darfst auch zu mir kommen, wenn du nicht eine christliche kulturelle Prägung hast. Du darfst zu mir kommen, wenn du Moslem bist. Du darfst zu mir kommen, wenn du Jüdin bist. Du darfst alles, also das ist kein Problem. Ich ziehe immer nur da die Grenze meiner Offenheit, wo es dann in den rechtswidrigen Raum geht. Das ist bei mir ein ganz großes Thema.
Und das ist auch bei meinen Young Professionals. Also das sind meistens eben Frauen, die dann zu mir kommen, die in ihren ersten oder zweiten Führungsjahren sind. Da gucke ich auch darauf, wie können sie denn Sprache anwenden, wie können sie ihr Standing, was sie für sich haben, auch im Unternehmen einbringen. Denn es geht da nicht darum, irgendwie zu kämpfen oder sonst irgendwas, sondern es geht darum, sich selbst zu präsentieren und repräsentieren mit der eigenen Meinung, mit der eigenen Kompetenz und sich nicht unbedingt an alles anzupassen, wie es immer schon so war. Weil, wie es immer schon so war, bringt uns nicht weiter, bringt uns nicht in Vielfalt. Und dementsprechend versuche ich eben auch, einen authentischen, auch wenn das wirklich mittlerweile ein Reizwort ist, einen authentischen Ausdruck der Persönlichkeit zu bringen. Weil was ich immer wieder von den männlichen Kollegen dann höre, ist, dass die Frauen häufig nicht so wahrnehmen, weil sie unauthentisch wirken, weil sie sich eben zu stark an die männlichen Gepflogenheiten andienen. Und da versuche ich eben, von den Frauen ein authentischeres Standing zu bekommen.
Ein anderes Stichwort von Diversität ist ja in dem Fall auch, dass ich sage, wir haben eine Gesellschaft, die ganz schön viele neuroatypische Menschen hat, also nicht nur Menschen, die psychisch absolut gesund sind, sondern Menschen, die psychische Auffälligkeiten haben, die eben nicht so ticken wie der Durchschnittsmensch, deren Gehirnverarbeitung völlig anders funktioniert. Und da versuche ich auch, mehr Sensibilität auch für Unternehmen reinzubringen. Weil was für den Asperger-Autisten vielleicht im sozialen Miteinander nicht so toll ist, kriegt er eben einfach auf der betriebswirtschaftlichen Seite, wenn er da eine Begabung hat oder sie, einfach unfassbar viele Dinge gewuppt, die ein neurotypischer Mensch niemals machen könnte. Der braucht vielleicht sein Einzelbüro. Der braucht vielleicht eine ruhigere Atmosphäre im Einzelfall. Das ist nicht pauschal zu sagen. Oder auch bei Menschen mit ADHS, was ein relativ häufiges Phänomen ist: Dann braucht es einfachen bisschen unterschiedliche Arbeitsplatzbedingungen, aber dann können diese Menschen unterm Strich genauso die Leistung bringen, wie man das eben von allen anderen erwartet. Nur eben nicht in der Konstanz vielleicht, sondern eben mit diesen Schwankungen, die diese neuroatypischen Gegebenheiten mitbringen. Und das finde ich einen ganz wichtigen Aspekt, einfach auch da mehr Diversität zuzulassen, nicht nur Mann-Frau, sondern Religion, Ethnie, auch wie sind wir veranlagt, was das Thema unseres Gehirns betrifft.
Sandra:
Ich finde, da fehlt das Thema Alter noch. Also wir haben ja auch eine wahnsinnige Altersdiversität. Also weil du sagst, du arbeitest auch mit Young Professionals. Und wenn man überlegt, wir arbeiten alle bis mindestens 67, sind also da ganz schön alt und werden dann ja eine wahnsinnige Bandbreite haben und müssen eigentlich auch lernen, uns da zu akzeptieren. Also es gibt so viele Berufe, wo irgendwie das Jungsein sehr hochgehalten wird. Bei den anderen ist es eher das Alter und Erfahrung. Und ich glaube, da noch mal so einen Mittelweg zu finden und gegenseitig voneinander zu lernen, ist auch sehr, sehr wichtig.
Claudia:
Ich finde, da zu moderieren, ist ganz arg wichtig, weil einfach die Generationen eine andere Prägung, eine andere kulturelle Sozialisierung haben. Und ich glaube, wir vergessen, wie schnell sich dieses kulturelle Mindset verändert. Also ich sage das immer: Also ich bin jetzt Mitte 30, und ich merke immer wieder, die Leute Anfang 20 haben zum Teil schon ganz andere Werte. Und wenn ich dann gucke: Die Mitte 40 haben halt auch schon noch mal eine ganz andere Sozialisierung hinter sich. Und darauf einfach nur bewusst zu schauen, ist, glaube ich, erst mal ein großer erster Schritt.
Sandra:
Da spielt das ja alles so ein bisschen rein, dass wieder mehr Vielfalt in den Möglichkeiten bekommen, die wir letzten Endes von Unternehmen, von Selbständigkeit usw. gegeben bekommen, egal, was es für eine Konstellation ist, einfach zu sagen: Da kann ich jetzt drüber reden, möchte ich zu Hause bleiben, möchte ich sofort wieder in den Beruf, möchte ich vielleicht eine Weltreise machen. Also jetzt mal nur an so einem einfachen Beispiel. Und dass dann eben halt mehr Möglichkeiten tatsächlich gegeben sind, vorurteilsfrei auf gute Rahmenbedingungen, ja, zurückgreifen zu können. Also sei es gesellschaftlich, sei es politisch, sei es ja in Unternehmen. Das würde ich mir wünschen an der Stelle, dass jeder sich da was rausgreifen kann und sagen kann: Genau das ist es. Und dass man flexibler damit umgeht und das Korsett nicht zu starr macht. Weil ich finde Fachkräftemangel … Deswegen bin ich immer relativ relaxt. Ich bin jetzt auch nicht mehr jung, und ich denke aber, ja, also mich wird man noch irgendwie brauchen, weil Fachkräftemangel. Also von daher kommen wir da in eine ganz andere Situation. Da kann ich mich aber auch nicht drauf verlassen, weil vielleicht ersetzt mich später eine KI.
Claudia:
Das stimmt, und ich glaube, da haben wir nur ein ganz groß … Also wir haben nur die großen Buzzwords jetzt reingeschmissen, also wir haben noch gar nicht das Thema Bildungsdiversität angeguckt usw., usw. Aber weil du das schon ansprichst, Sandra, möchte ich genau auf die nächste Facette einen Blick richten, die wir auch im Thema Diversifizierung drin haben und auch Chancen durch Digitalisierung. Nämlich in der Folge mit Inga Höltmann, aber auch bei Maren Heltsche, ging es um das Thema New Work, also im Endeffekt das, was du gerade gefordert hast: auch eine Flexibilisierung und Veränderung der Arbeitskultur. Und das Paradebeispiel, das da ja auch immer wieder genannt wird, ist auch das Thema Homeoffice und generell größere Flexibilität in der Arbeitswelt. Das ist ja während Corona sehr aktuell gewesen. Und ich glaube, das wird uns diesen Winter auch noch mal einholen. Und tatsächlich höre ich von diesen Unternehmen, die mindest … Also es gibt tatsächlich Unternehmen, die so was wie Mindestarbeit, also Urlaubstage einführen und gar nicht mehr das Thema maximale Arbeitserholungspausen, unter der Voraussetzung: Ja, du darfst einfach deine Arbeitstage frei gestalten, wenn du deine Arbeit auch erledigst.
Und wenn ich aber diese Formen der Flexibilisierung höre und wenn ich mich da genauer reindenke, dann habe ich häufig die Frage, wie denn sich der Arbeitsmarkt in Zukunft gestalten wird. Denn während es bei Bürojobs oder eben auch in technischen Unternehmen wunderbar möglich ist, diese Flexibilisierung und diesen sehr hohen Individualisierungsgrad der Flexibilisierung zu bekommen, frage ich mich natürlich, wie sieht das im Sinne von der Arbeitsmarktattraktivität auch für soziale und medizinische Berufe aus auch in Zukunft. Weil wir haben ja jetzt schon einen Notstand in der Betreuung, in der Pflege. Und auch Krankenhausarbeit ist jetzt nicht wirklich sexy. Und da frage ich mich natürlich schon: Diese Flexibilisierung, die in dem einen Teil des Arbeitsmarktes stattfinden kann und auch wahrscheinlich, sehr wahrscheinlich sogar wird, kann im gleichen Ausmaß nicht unbedingt in den sozialen und in der Pflege- und medizinischen Berufen stattfinden. Was denkt ihr denn darüber, was diese Entwicklung für unsere Gesellschaft bedeutet? Und wie kann man das vielleicht auch verhindern, dass soziale Berufe, die eben nicht so flexibel gestaltet werden können, vielleicht nicht so unattraktiv oder vielleicht sogar wieder attraktiver gemacht werden?
Ariana:
Ich finde, das ist eine total spannende Frage, weil ich in meinem direkten familiären Umfeld auch genau diese Bereiche habe. Also meine Mutter ist Krankenpflegerin und mein Bruder ist Erzieher. Und mein Vater wiederum konnte jetzt auch im Homeoffice arbeiten. Und wir haben uns während der Lockdown-Phasen natürlich auch sehr ausgetauscht, wie unterschiedlich die Wahrnehmung des Arbeitsalltags ist. Und meine Mutter, die natürlich, die arbeitet nicht im Schichtdienst, aber eben von morgens bis nachmittags ist die da auf Achse und, ja, hat mit diversen Patient*innen zu tun, mit den Ärzt*innen und hat einfach einen ganz anderen Arbeitsalltag als ich oder mein Vater zum Beispiel. Und mein Bruder, der eben auch natürlich im Kindergarten ist, weil da gab es auch Notbetreuung, also der hatte auch in keinster Weise die Einflüsse des Lockdowns sozusagen mitbekommen.
Und in den Diskussionen, die wir geführt haben, kommt natürlich auch immer wieder die Motivation raus, die die haben, um diesen Job zu machen. Und das ist, glaube ich, dieses: Mit Menschen zusammenarbeiten und zu helfen, ist die größte Motivation. Und was man machen kann, ist, glaube ich, wirklich diesen Schlüssel bearbeiten. Also dass so und so viele Kinder auf einen Erzieher oder eine Erzieherin kommen, so und so viele Patient*inne auf eine Pflegekraft. Dass die einfach entlastet werden. Weil das sind, glaube ich, die Grenzen, die ja das System gerade sprengt, dass die überfordert sind und überlastet. Und dann wird es gefährlich. Das heißt, ja, das muss attraktiver sein, die Bezahlung muss natürlich angemessen sein. Und am Ende ist es, glaube ich, okay, dass diese Flexibilisierung, die wir jetzt haben in unserem digitalen Alltag, dass die die nicht haben, weil sie sich das auch so ausgesucht haben und eben da andere Maßstäbe an ihre Arbeit haben, weil sie eben mit Menschen zu tun haben. Und das ist, glaube ich, ja, nicht so vergleichbar.
Claudia:
Ich glaube, also da würde ich gleich noch mal anschließen, Ariana, ich denke, früher, ich sage mal früher, so in den 60er-Jahren, hat man auch gesagt: Lern was Anständiges, dass du dann irgendwie deinen Lebensunterhalt verdienen kannst. Jetzt haben wir eine ganze Phase sehr, sehr große Flexibilisierung zumindest auch im Bildungsbürgertum gesehen. Und ich sehe jetzt aber auch Menschen, die wieder mehr strategisch ihre Arbeitsfelder aussuchen. Die vielleicht eine Neigung haben zum Sozialen, zum Pflegen, zum Helfen, und die es dann nicht tun, weil sie selber sagen: Also ich verdiene nichts in diesen Berufen. Und natürlich, also gemessen an der Arbeitslast ist das natürlich Witz, was jemand erhält in den Bereichen. Und im Schnitt, ich kann das nur von meiner eigenen Profession sagen, also ein niedergelassener Psychotherapeut verdient im Schnitt 4000 – macht Umsatz 4000 Euro im Monat. Das ist ein Witz. Und vor allen Dingen, wenn man sich halt einfach die ganze Zeit die Negativität und die Schwierigkeiten und Probleme der Menschen anhört, da brauchst du mehr als das, um das wieder ausgleichen zu können. Weil du kannst dir dann nicht die Urlaube leisten, du kannst dir dann nicht die absolut geile Wohnung irgendwie leisten. Und da sind wir bei 4000 Euro nicht ansatzweise bei einem schlechten Gehalt, das möchte ich gar nicht sagen, aber das ist halt einfach verhältnismäßig dafür, was du tust, um die Gesellschaft eigentlich am Laufen zu halten, ein Witz.
Und ich glaube, diese strategische Überlegung, wohin gehe ich, was kann ich denn auch, das ist eine Sache, die wird da zu wenig beachtet. Also ich persönlich bin ja nicht in diesen psychotherapeutischen Bereich gegangen, einerseits, weil mich das Betriebliche viel mehr interessiert, andererseits aber auch, weil ich gesagt habe: Also ich kann mir einfach trotz meiner Neigung, Menschen zu helfen, das nicht mein Leben lang antun. Und das ist wirklich ein Antun für mich persönlich. Und ich sehe es auch bei befreundeten Menschen im Sozialbereich, die sagen: Also Physiotherapeuten werden einfach unglaublich unterbezahlt, dabei ist der Bedarf viel größer. Erzieher, Erzieherinnen werden auch einfach nicht angemessen bezahlt und haben einfach eine riesige Arbeitsbelastung. In Stuttgart gibt es eben Klagewellen gegen die Stadt, weil wir es nicht hinbekommen, für Erzieher*innen Wohnraum zu schaffen usw., usw. Also das ist einfach ein riesiges Thema, das wir nicht einfach abtun können mit: Ja, wenn man die Neigung hat, dann nimmt man den anderen Scheiß schon auf sich. Das ist es eben nicht, weil ich einfach nach und nach Menschen sehe, die aus diesen Berufen rausgehen und lieber ein bisschen persönliches Glück, ja, auf der Strecke lassen, um halt einfach ihr Leben zu bestreiten.
Anne:
Ja, und ich glaube, gerade mit dem persönlichen Glück ist es ja tatsächlich immer mehr die Motivation. Es gibt so das Buzzword Work-Life-Balance, was halt zu Work-Life-Blend geworden ist. Und dass sich eben des Privatlebens und das Berufliche miteinander vermischt. Wobei ja der Anspruch entsteht, dass immer der gleiche Mensch sein kann erst mal, wie ich mich verhalte, und zum anderen also mein eigenes Verhalten innerhalb meiner unterschiedlichen Lebensbereiche, aber auch dann, wie ich diese unterschiedlichen Lebensbereiche eben unter einen Hut bekomme, sprich im Anbetracht der Zeit. Also ich persönlich habe mich für eine 35-Stunden-Woche entschieden, was bei mir Teilzeit ist, für andere Vollzeit. Also da hat man, glaube ich, nicht nur den Unterschied zwischen den sozialen Berufsgruppen und anderen Berufsgruppen, sondern generell schon mal eine Anforderung und eine Sichtweise auf: Was bedeutet Arbeit denn generell? Dass die 40-Stunden-Woche eigentlich auch veraltet ist, dass es auch innerhalb dessen, was wir leisten, gar nicht mehr machbar ist.
Aber prinzipiell diese Herangehensweise, dass gewisse Professionen einfach mal eben diesen Face-to-Face-Kontakt brauchen, also auch Friseure, die für mein Well Being, dafür, dass es mir gutgeht, auch einen extrem wichtigen Teil, Anteil im Leben haben. Pflegeberufe und auch Betreuungsberufe, die sind natürlich noch mal in … Also ich weiß gar nicht, ob man das vergleichen kann innerhalb der Wichtigkeit. Das möchte ich nicht machen, weil es hat keine Gewichtung. Es ist alles gleichermaßen wichtig, also ob es mir persönlich durch meine Frisur gutgeht oder dass mir gutgeht, weil ich weiß, dass mein Kind in einer ordentlichen Betreuung ist, das hat für mich beides natürlich … Wenn man priorisieren muss natürlich, steht mein Kind an erster Stelle. Aber nichtsdestotrotz, wenn es mir nicht gutgeht, dann kann es auch, kann der Rest nicht funktionieren. Und ich glaube, da ist natürlich eine Grenze gesetzt. Die Haare können mir nicht digital geschnitten werden. Einen Zweijährigen kann ich nicht über Zoom betreuen lassen. Das wird einfach nicht. Es gibt Grenzen, wo keine Digitalisierung greifen kann. Vielleicht gibt irgendwann mal Roboter, die das machen, keine Ahnung. Finde ich aber irgendwie auch nicht so charmant. Also gerade so das, Gefühle zu erkennen, und das ist ja genau das, was dieses besondere an diesen Berufen ist, nämlich, dass sie emotional belastet sind, aber auch emotional reagieren und diese emotionale Verbindung schaffen. Und da habe ich bisher keinen Weg kennengelernt digital, der das genauso gut ausbalancieren kann, wie es eben dieser persönliche Kontakt kann.
Und selbst … Also wir haben uns zum Teil noch nie live gesehen hier in dieser Gruppe. Und es wird 100 Prozent was anderes sein, wenn wir uns mal live gegenüberstehen, anstatt nur in Zoom uns kennenzulernen. Es wird ein ganz anderes Gefühl sein. Und das kann man einfach nicht nehmen. Was ich aber noch hinzufügen möchte: Es gibt tatsächlich Teile dieser Berufsgruppen, die sich digitalisieren. Also ärztliche Sprechstunden zum Beispiel, da habe ich selber auch eine digitale Sprechstunde schon wahrgenommen, und das war extrem gut. Ich musste selber nicht zum Arzt hin, sondern er war für mich da. Und er selber konnte eben die Termine 20 Minuten pro Patient einteilen und musste da auch nicht zwischendrin dort und dort wechseln. Also es war wirklich messbar, machbar, es war für beide Seiten gut, und ich hatte auch ein gutes Gefühl, nämlich, dass er trotzdem mich gesehen hat. Also da war keine Barriere in dem Moment da. Und ich glaube, da gibt es schon Möglichkeiten, dass diese Berufsgruppen sich zum Teil digitalisieren. Aber es bleibt diese Anforderung und die Frage mit: die Wertschätzung in diesen Themen, die da eben betroffen werden, also in diesen zwischenmenschlichen Maßnahmen, und was wird bezahlt. Und dass diese Personen dann auch ein gutes Leben auch bestreiten können finanziell, das ist was, was in meinen Augen einfach politisch geregelt werden muss und was da auch auf dieser Ebene viel, viel höhere Aufmerksamkeit bekommen muss.
Claire:
Dazu würde ich gerne noch mal kurz ergänzen, Anne, was du ja auch schon gesagt hast: Dass sich bestimmte Berufsgruppen, die eigentlich sonst von einer Präsenzkultur geprägt sind, digitalisieren, das sieht man natürlich jetzt auch als negatives Beispiel in Form vom … im Einzelhandel. Also dass es nicht mehr notwendig ist, in den Supermarkt zu gehen, um dort einzukaufen, sondern dass man auf Lieferdienste zurückgreifen kann, die dann aber leider natürlich unter sehr … also die Fahrer und Fahrerinnen unter sehr prekären Umständen halt arbeiten und diesen Job ausüben. Das ist natürlich eine Form, die … Ja, wie du auch schon gesagt hast, da muss halt … da müssen politische Maßnahmen greifen, die solche … die so eine Verlagerung von eh schon schlechter gestellten Berufen ins noch Schlechtere quasi dann verhindern.
Claudia:
Wir sind nun am Ende von Teil 1 der letzten Folge der ersten Staffel des DMW-Podcasts angelangt. Weitere spannende Themen und wie das Gespräch weiterging, hörst du im zweiten Teil.
Teil 2:
Claudia:
Willkommen zu Teil 2 der letzten Folge in Staffel 1 des DMW-Podcast. Falls du Teil 1 noch nicht gehört haben solltest, empfehlen wir dir das explizit, damit du dem Gespräch besser folgen kannst. Viel Spaß beim Hören.
Claudia:
Absolut richtig, und da möchte ich auch gerne zu nächsten Frage überleiten. Denn wenn es um Betreuung und Internet geht und auch Digitalisierung, erlebe ich das in meinem Alltag als höchstspannend, weil viele Menschen eben dieser Digitalisierung eben nicht trauen. Also viele wünschen sich auch in Präsenz zum Beispiel zu mir zukommen, auch wenn ich persönlich total gerne über Zoom Beratungen anbiete, weil ich das genauso – von der Qualität brauche ich einfach den Körperkontakt nicht. Das kann beim Arzt sehr anders sein, der dann doch mal den Blutdruck messen muss. Und da habe ich halt eben auch gesehen in diesen Folgen, dass es eben soziale Folgen der Digitalisierung eben haben kann. Und da fand ich die Folgen mit Michael Seemann, mit den Plattformen unfassbar spannend. Denn in den letzten Tagen fand halt auch – haben wir ja auch gemerkt, Plattformen und ihre Macht, also dieses Metaverse, was dann halt jetzt auch groß rausgekommen ist.
Und im Zuge der Digitalisierung, was ich eben sehr spannend fand, mit dem Vertrauen in Unternehmen oder in die Digitalisierung, da möchte dann noch mal auf das Thema von Christine Deger eingehen, nämlich das Thema Cyber Security. Die beiden Themenformen in Kombination fand ich unfassbar relevant jetzt auch mit aktuellem Bezug. Denn ich frage mich natürlich schon auch beim Thema rechtliche und soziale Folgen: Wenn wir uns in unserem Individuellen, Alltäglichen schon viel zu wenig auskennen mit Sicherheit, was hat das dann für Folgen für uns als Gesellschaft? Und wenn Plattformen wie jetzt zum Beispiel auch Facebook die eigenen Regeln haben, aber natürlich nicht nur Facebook, sondern alle anderen Plattformen haben ja auch ihre eigenen Regeln, dann bekommt ja das immer mehr Relevanz, wie sie sich auch auf unseren alltäglichen Gebrauch auswirken, wie sie sich auf uns alle auswirken. Und da habe ich auch noch paar Fragen. Spürt ihr denn schon Auswirkungen von diesen Plattformen und wie sie sich auf euch auswirken, auf euren Alltag auswirken? Und wie sieht es bei euch da mit Diversität aus? Also merkt ihr da irgendwie in gewisser Weise schon Ausgrenzung oder nicht? Und, ja, das sind erstmal die zwei Fragen, die ich im ersten Schritt stellen möchte.
Claire:
Also um jetzt mal kurz auf die Fragen einzugehen: Also Auswirkungen … Ich denke, wo es natürlich – Natürlich merkt man sehr viele Auswirkungen, einfach, weil man natürlich, weil es immer mehr Plattformen gibt, die man halt nutzt. Und das war ja auch zum Beispiel eine Frage, die ich dem Michael damals als erste Frage gestellt habe: Auf wie vielen Plattformen warst du heute schon unterwegs? Und wenn man da sich das einmal klassisch schon verdeutlicht, man ist auf Facebook, auf Twitter, auf all den Social Networks, dann bestellt man sich vielleicht online zu essen oder sonst irgendwie was. Also das heißt, da kann man schon am Tag relativ viel sich auf Plattformen bewegen, ohne dass man das vielleicht tatsächlich bemerkt. Das heißt, das dringt immer mehr auch in das Private rein, was natürlich aber eine direkte Ausformulierung, eine direkte Ausprägung ist, die vielleicht … die ja auch viele Menschen gerade jetzt auch in der Coronakrise oder auch in anderen … oder unabhängig von Corona bemerken, ist natürlich halt auch, dass diese Verlagerung vom Digitalen ins Private sich immer mehr vermischt. Sei es, dass es … dass man digital unterwegs ist bei der Arbeit, aber natürlich auch im Negativen, dass man … dass der Hass im Netz zunimmt, dass viel mehr Leute quasi digital angegriffen werden, Shitstorms erfahren und das nicht nur im Internet stattfindet, was ja schon schlimm genug ist, sondern dass das teilweise dann halt auch ins Private dann überschwappt, dass dann aus einer Mail ein Brief wird oder dass halt diese Angst … dass die Angst natürlich auch im normalen Leben dann quasi stattfindet. Das sind, glaube ich, so Auswirkungen, die immer … die man halt stärker wahrnimmt. Und die zweite Frage habe ich tatsächlich gerade vergessen.
Claudia:
Wie es das mit Diversität aussieht in eurer Wahrnehmung, wie ihr die Diversität auf den Plattformen wahrnehmt. Das war ja auch ein Ding.
Claire:
Genau. Was da natürlich, glaube ich, … Das hatten wir vorhin auch schon mal, ich weiß jetzt gar nicht mehr, in welcher Frage besprochen, aber dass natürlich Plattformen da auch eine sehr gute Vorbildfunktion haben. Also sowas wie kleine Beispiele, wie Spotify zum Beispiel in Deutschland, die halt mit irgendeinem Update ihrer App das Gendern eingeführt haben, also dass sie Musiker*innen schreiben statt Musiker. Und das sind, glaube ich, Sachen, das sind so kleine Hacks in Anführungsstrichen, die Unternehmen oder die Plattformen machen können, um halt das Bewusstsein zu schärfen. Das würde mir jetzt als Beispiel einfallen.
Ariane:
Ja, ich finde im Gegenzug, wir haben auch vorhin schon mal kurz über die sogenannte Bubble gesprochen, und da, finde ich, ist die Gefahr der Plattform, dass man halt in so einen Tunnel gerät. Dadurch … Also ich glaube, jeder, der Instagram nutzt oder auch Facebook, hat mittlerweile schon geschnallt, wie der Algorithmus funktioniert und dass man, wenn man ein bisschen länger bei einem Video bleibt oder einen Beitrag betrachtet, dann auf einmal noch viel mehr von diesem genauen Thema angezeigt werden. Und da selbst rauszukommen, das vielleicht auch zu wollen, ist wieder so eine Form der Selbstreflexion. Und, ja, damit fangen uns die Unternehmen natürlich auch und die Plattformen, indem sie uns nur noch Dinge zeigen, die wir auch sehen wollen, wo wir mehr lesen, wo wir länger draufbleiben. Und da ist natürlich Diversität total, ja, am Fehlen. Und das finde ich kritisch. Vor allem auch, dass die Plattformen ja am Ende auch die Macht haben auszuwählen, wer uns beschallt, wer angezeigt wird. Ich meine, gut, dass Trump jetzt gesperrt wurde auf Twitter und Facebook, da sind wir wahrscheinlich jetzt alle nicht so traurig drüber. Aber das ist natürlich schon eine Ansage, wenn die großen Plattformen die Macht haben, einzelne Menschen zu sperren. Und da sollten wir uns schon Gedanken drüber machen, wie divers dann am Ende das ist, was wir zu sehen bekommen.
Sandra:
Ich würde tatsächlich wünschen, einmal mehr Transparenz zu haben, wohin werden Plattformen vernetzt, wo geben sie Informationen hin. Das ist das, was Ariane auch gerade sagte. Ich glaube nicht mehr, dass ich eine freie Entscheidung fällen kann, wenn ich mich in solchen Medien bewege. Früher war das so, da hat man eine Zeitung gelesen, und wenn man gemerkt hat, oh ja, da ist irgendwie zu viel Trash irgendwie drin, dann hat man vielleicht die Zeitung nicht mehr abonniert und hat eine andere genommen. Auch da ist natürlich eine Beeinflussung drin, aber das hatte man noch im Fokus.
Und heute ist das so: Man kauft irgendwo ein. Ich habe jetzt gerade das aktuelle Beispiel: Kurt Krömer. Ich liebe Kurt Krömer. Der bringt nächstes ein Buch raus, das zum Thema seiner Depressionen ist. Und interessanterweise kriege ich jetzt in allen möglichen Social-Media-Welten Sachen zu Depressionen angezeigt. Das war überhaupt nicht meine Intention. Also das ist auch wieder spannend, um die Vielfalt zu erhöhen. Aber mir ging es um Kurt Krömer. Und das Gleiche ist, wie ganz billig gesprochen: Es wird mir ein Hotel vorgeschlagen, wo ich dann Urlaub machen kann. Aber … und genau das sind so Punkte, wo ich sage, da bin ich eben halt nicht mehr frei. Und ich möchte diese Beeinflussung an der Stelle eigentlich nicht haben. Jetzt ist aber diese Problematik, dass wir zum Beispiel auch unsere Gruppen in Facebook haben oder die ganzen Kontakte in Facebook haben. Man wäre tatsächlich so ein bisschen vom sozial Leben auch gerade Coronazeiten abgeschnitten, wenn man das nicht mehr hat. Also wägt man immer nur ab, was bringt es mir und was ist eben … was sind die Herausforderungen.
Und meine Erwartungshaltung tatsächlich an Regierung ist, sich darüber Gedanken zu machen, zu sagen, wenn ich in Facebook bin, wenn ich, keine Ahnung, was, bei Amazon irgendwie irgendwas kaufe, dass dann ganz klar ist, mit wem sind die verknüpft, wo gehen meine Daten hin, und ich das auch abstellen kann. Also versuch … versuch mal, auf Facebook irgendwas wieder da rausgelöscht zu bekommen. Man weiß gar nicht, was da drin ist, mit was das verknüpft ist usw. Und das ist etwas, was ich tatsächlich nicht in Ordnung finde, weil man dann eigentlich … Das ist ja wie eine Gehirnwäsche. So. Und das möchte ich an der Stelle nicht. Ich möchte bewusst als Mensch meine Entscheidung fällen, meine eigenen Fehler machen, die Dinge, die ich dann im Alltag brauche, bewusst ansteuern und sagen: Ah ja, okay, jetzt habe ich hier gerade gemerkt, keine Ahnung, was ich brauche, ich brauche neue Kopfhörer oder whatever. Aber ich möchte nicht, dass die mir Kopfhörer die nächsten zwei Jahre anzeigen, weil ich den Eindruck habe: Oh, meine alten gehen nicht mehr und ich müsste mir neue Kopfhörer kaufen. So. Und das ist für mich … da ist tatsächlich für mich die Grenze. Da sind wir noch nicht. Ich glaube aber, dass das kommen wird, hoffe ich jedenfalls, und dass wir da wieder ein Stückchen geschützter durch die Welt gehen. Weil da sind jetzt irgendwelche Profile am Werk, irgendwelche Algorithmen, auch Sachen, die mir angezeigt werden, wo ich denke: Warum? Das hätte ich ganz gerne mal irgendwo transparent an der Stelle.
Anne:
Ja, und, Sandra, du bist jetzt eine Person, die schon ein paar Jahre Erfahrung hat. Du bist sehr … also du hast diese Reflexion zu wissen, dass das nicht das ist, was du willst, und auch zu erkennen, woher das gerade kommt. Kurt Krömer ist ein extrem schockierendes Beispiel, finde ich, wie das funktionieren kann und wie es dann aber eben auch nicht richtig funktioniert. Also das ist wirklich … Und kannst du schon in eine Ecke rutschen, in die du vielleicht gar nicht willst, wenn du in dem Moment nicht das Bewusstsein hast und dich darauf einlässt. Und da denke ich jetzt an meine 16-jährige Schwester und deren Freunde, wie die sich eigentlich auch gerade innerhalb der ganzen Coronazeit, wo sie eben nicht in die Schule gegangen sind, über die sozialen Netzwerke, also gerade Instagram, auch Kontakt aufgenommen haben. Die Storys, hey, das suggeriert, ich nehme am Leben der anderen teil, und tue es aber eigentlich gar nicht. Eigentlich weiß ich gar nicht, was da passiert. Es sind ein paar Bilder, eine Momentaufnahme, ein Eindruck, der mir ein ganzes Leben irgendwie, eine Lebensweise suggeriert. Und das ist so wie die Jugend jetzt groß wird, ja? Und das finde ich … Ich merke und ich sehe gerade an diesem Kontakt mit ihr, wie die Realität ausgeblendet wird. Es werden natürlich auch die positiven Aspekte genutzt, dass ich eben das für Recherche nutzen kann. Aber die Recherche tritt ganz, ganz schnell in den Hintergrund, weil gerade dieser Sog, der entsteht durch die sozialen Medien, extrem stark ist. Und da rauszukommen, ist … das ist fast unmöglich für die Jungen, Jugend, die jetzt nachkommt. Nachkommt, sage ich schon, na ja, aber die Jugend.
Und wenn ich dann mal drüber nachdenke, was es aber auch mit uns selbst macht insgesamt, also auch mit mir, diese Fülle an Informationen und dann das herauszufiltern, was ist denn jetzt die konkrete und wahre Information. Und diese unterschiedlichen Sichtweisen auf eine … auf einen Fakt auch herauszufiltern und mich nicht beeinflussen zu lassen von dem, was mir aus meiner Bubble her vorgegeben wird, sondern erst mal wirklich diese Weite meiner Sichtweise erst mal mit meinem Blick wieder zu öffnen und zu sagen: Okay, es gibt halt diese Meinung und es gibt diese Meinung, und wie komme ich jetzt erst mal zu den reinen Fakten. Diesen Weg dahin zu finden, wird immer schwerer. Und es braucht extrem viel Selbstbeherrschung, um überhaupt offen dafür zu bleiben. Das ist das, was ich selber wahrnehme.
Und noch dazu stelle ich mir natürlich die Frage: Wenn jetzt Metaverse … Also ich finde es total krass. Also das ist halt das, was auch irgendwie … Ich habe mal geguckt, Metaverse wurde das erst Mal 1992 schon verwendet. Also das ist irgendwie auch das, was man aus den ganzen alten Science-Fiction-Filmen kennt, so diese Realität: Ich docke mich irgendwo an. Matrix ist das beste Beispiel davon. Und dann lebe halt in einer Realität, in der ich leben möchte, in der ich mich wohlfühle. Und vielleicht kann jetzt diese Realität dann mit meiner – also diese virtuelle Realität – mit meiner eigentlichen Realität verschwimmen, und dann habe ich das Beste von beiden Welten. Das ist ja dieser positive Aspekt. Aber auf der anderen Seite die Überforderung meines Gehirns an der Stelle. Und die eigentliche Überforderung, die entsteht durch den digitalen Wandel, der gerade so schnell vorangeht, dass wir uns gar nicht darauf … wir können gar nicht adaptieren. So schnell, wie das vorangeht, der Wandel, kann sich unser Gehirn gar nicht anpassen. Meine Emotionen können … Warum gibt es denn immer … Warum poppen auf einmal so viele Depressionen hoch? Warum sind so viele Jugendliche depressiv auf einmal? Wenn ich mich in so einer Welt befinde, wo alles schön ist, wo der Moment einfach nur positiv ist, ist es klar, dass wie dann das mit dem Leben, was ich habe, vergleiche, nämlich ich sitzt auf meiner Couch und habe mein Handy in der Hand und gucke mir das an, was ist dann mein Leben gegen das, was dann vermeintlich so bunt vor mir ist.
Und noch ein weiterer letzter Punkt an der Stelle: Auch frage ich mich zum Thema Zukunft, wie wird denn mein Kind aufwachsen? Also wir sind jetzt sehr gut dazu in der Lage, die ersten zwei Jahre unseren Sohn einigermaßen gut von Handys und anderen Instrumenten, Werkzeugen eben abzuschotten. Trotzdem, er bekommt das sehr wohl mit, dass das ein wichtiger Gegenstand im Alltag ist, aber wir sind dazu in der Lage, dass er das nicht nutzt und nicht irgendwie anfängt, irgendwelche Spiele zu spielen und Videos zu gucken. Dass aber ein Kindergehirn ich glaube bis zum sechsten Lebensjahr eigentlich fast gar keinen Kontakt mit digitalen Werkzeugen haben sollte, weil das eben das Gehirn auf unterschiedliche Weise negativ beeinflusst, finde ich, wird total missachtet in diesem ganzen Wandel. Also mir wurde in der Pandemie-Situation tatsächlich angeboten, dass wir einen Musikkurs via Zoom mit ihm machen. Wo ich mir sage: Das ist doch … das kann ja nicht sein, dass vermeintliche Fachleute sich auch darauf zurückfallen lassen und das ein adäquater Ersatz sein soll. Und das finde ich eigentlich schockierend. Also ich finde, auf der einen Seite wird die Kreativität geweckt, wir werden aufgefordert von dieser virtuellen Realität, an die Grenzen unserer Realität und Vorstellungskraft zugehen und darüber hinaus. Das finde ich extrem toll, weil Dinge kommen, die war ich nicht dazu in der Lage, mir vorzustellen. Aber gleichermaßen überfordernd ist das. Und diese Überforderung, die kann nicht aufgefangen werden, habe ich das Gefühl.
Claudia:
Da möchte ich gerne auch noch was dazu sagen, weil ich das von euch beiden höre und mir denke: Ja, und jetzt sind wir halt einfach ziemlich hochgebildet. Und wir beschäftigen uns da viel damit. Also das ist halt einfach ein ganz wichtiger Faktor, wie man halbwegs bewusst damit umgehen kann. Und auch wir können uns dem ja gar nicht entziehen. Und was mir so erschreckend aufgefallen ist vor allen Dingen jetzt in dieser Krisensituation: dass eben Meinungsbildung über Internet und Algorithmen ziemlich … also eigentlich unmöglich ist. Weil wenn du einmal eine Meinung googelst, recherchierst, dann wird dir immer das Gleiche wieder gezeigt, immer extremer. Das hat man ja auch in den letzten zwei Jahren über Youtube auch zum Beispiel ganz klar gesehen, dass du, wenn du eine Meinung hast, dir wird immer mehr diese Meinung vorgespielt, dir wird nichts anderes mehr vorgespielt. Sodass man sich auch über diese Videos immer mehr extremisieren kann.
Das heißt, also eigentlich ist Meinungsbildung ein ganz, ganz wichtiger Punkt, der gut möglich wäre übers Internet, der aber nicht gemacht wird, weil es einfach einfacher ist, die Menschen zu halten, indem man ihnen immer mehr vom Gleichen zeigt. Und ich erlebe das auch immer wieder: Man findet sich irgendwann in so einer Blase wieder, und wenn man nicht bewusst selbst andere Anreize reinschießt, ja, wirklich, es gibt keinen sanften Begriff, den ich da nennen möchte, dann bleibt man selber in so einer Blase und versteht die anderen nicht mehr und hat kein Bewusstsein mehr dafür, dass Lebensrealitäten ja unfassbar unterschiedlich sein können. Und ich glaube, das ist eine Sache, die wir gar nicht mehr kontrollieren können, wie Sandra auch gesagt hat. Und ich finde es auch sehr beachtlich, dass gerade dieser Metakonzern jetzt gar nichts dagegen tun will, obwohl es nachgewiesen ist, dass eben gerade junge Frauen psychisch sehr unter diesen sozialen Netzwerken leiden bzw. darunter leiden, wie sie von ihren Algorithmen gefüttert werden. Und das ist ja … also das könnte man ja durchaus verändern, dass wäre eine Möglichkeit, da kann man was dagegen tun.
Und ich möchte da auch ein bisschen zur nächsten Frage überleiten, aber gerne, wenn ihr noch Aspekte habt, dann erzählt es auch gerne, auch Jana und Claire. Mir geht es darum, dass ich das Gefühl habe, dass unsere Politik wirklich nicht in diesem Jahrhundert angekommen ist, noch nicht mal in diesem Jahrzehnt. Netzpolitik, Internetpolitik, solche Geschichten. Also was den Datenschutz betrifft, da sind sie ja stets bemüht, aber also wir wissen ja alle, was das in der Arbeitssprache bedeutet. Ich habe so das Gefühl, da ist noch kein … also ich erkenne keine Absicht, das besser zu reglementieren. Und das es ist in der Folge, die Claire mit Michael Seemann gehabt hat, auch sehr deutlich klar geworden, dass es wirklich eine internationale Politik dafür geben muss. Und da sehe ich einfach noch keine Anstrengungen, ich sehe da noch kein Bewusstsein dafür. Also gerade Sandra, du hast ja schon mal angesprochen, was du dir wünschen würdest. Aber gibt es auch von euch anderen Wünsche, die ihr da haben würdet?
Jana:
Ich finde, man muss auch mal bei der Bildungspolitik direkt anfangen. Also was ihr sagt, ist alles richtig, und man muss die Algorithmen auch kritisch sehen und kritisch hinterfragen, aber ich glaube, im Grunde genommen müssen wir ja alle lernen, auch damit umzugehen. Also das fängt eigentlich bei den Zweijährigen an und hört im Grunde gar nicht auf, also hört wahrscheinlich auf, wenn wir irgendwann kein Gerät mehr benutzen. Und eigentlich müssen wir das … müssen wir auch eben lernen, dass diese Realitäten so nicht sind oder dass wir eine Lebensrealität haben, dass wir ständig was hinterfragen müssen. Und denke auch, wir sind vielleicht alle in der Lage, das zu tun, aber ganz viele sind es nicht. Und finde, dass da viel, viel stärker angesetzt werden muss. Also vielleicht auch wirklich schon im Kindergarten oder zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt, wo Kinder mit Geräten umgehen und das eigentlich kontinuierlich weitergeführt wird. Und ich glaube, dass da natürlich Lehrerinnen, Erzieherinnen auch ganz viel Unterstützung brauchen.
Sandra:
Genau. Ich glaube, so die Schwierigkeit, die jetzt besteht, ist: Das sind so die ersten zwei Generationen, die das so richtig extrem mitbekommen. Wir sind jetzt da in einem sehr starken Wandel, weil ja eine technologische Entwicklung aus dem Boden sprießt und eigentlich schon die nächsten zehn aber am selben Tag kommuniziert werden. Und das ist neu. Also ich bin jetzt in den 70er-Jahren geboren, wir hatten nichts. Da bin ich ganz ehrlich. Ich habe Internet … da habe ich beim Abi zum ersten Mal eine E-Mail-Adresse bekommen. Wir hatten vorher einen C64, da haben wir drauf gespielt, so ein bisschen gedaddelt. Das war ganz cool. Nichtsdestotrotz haben wir eben halt aber auch noch neben unserem grünen Telefon gesessen und gewartet, wenn jemand gesagt hat, er ruft um acht an. Dann haben wir daneben gestanden und darauf gewartet. Kein Anrufbeantworter, nichts. Und ich glaube, wir haben noch gar keine Antworten auf die Probleme, die wir jetzt tatsächlich kriegen.
Und da kommen wir so ein bisschen wieder zum Anfang: Impulse setzen. Was kann jeder Einzelne tun? Ansprüche und Erwartungshaltungen an Politik stellen und auch einfordern. Und die Schwierigkeit, die ich tatsächlich sehe, weil ich auch auf einigen Veranstaltungen auch war, in denen solche Dinge diskutiert worden sind mit Nutzung von KI, auch selbstfahrende Autos, wie gehen wir damit: Da ist es natürlich so, dass die USA und China da extreme Flanken bilden und in einigen der Länder halt eben ganz klar ist, es ist uns eine egal, wie es ethisch ist an der Stelle, wir machen einfach mal. So. Und die Herausforderung wird ja sein, wie überall schon kommuniziert: Wie stellt sich Europa da auf? Was für … also welche Rolle will das einnehmen? Dass alle anderen schon weg sind mit der Entwicklung, ist klar. Jetzt halt die Frage, wie gehen wir mit solchen ethischen Sachen um. Und da bin ich sehr, sehr froh, dass wir in Europa leben, weil alles andere käme gar nicht infrage. Also ich sage mal Unfälle mit Todesfolge zu akzeptieren, nur, weil man testet, kann man machen. KI durchlaufen zu lassen und eben halt genau diese Entwicklung zu haben, zu sagen: Das wirkt auf unsere Kinder, das wirkt auf das Schönheitsideal unserer Kinder. Auch das ist ja nicht nur … das ist ja nicht geschlechtsspezifisch, sondern das wirkt ja auf uns alle. Das ist schon eine harte Nuss. Und ich drücke uns tatsächlich die Daumen, und wir tun ja auch einiges dafür, dass sich da was ändert, auch jetzt im DMW mit Deutscher Frauenrat und Digitalisierungsbeauftragten usw., die dann ja wiederum die Politik beraten. Da ein Spotlight hin zu richten und dann zu sagen: So, das ist was ganz Wichtiges, bitte macht etwas.
So, und im Kleinen kann ich nur von mir sagen, das ist das, was Jana gerade sagte, so der Umgang damit. Wir haben tatsächlich oder zumindest jetzt in meiner Bubble habe ich mit einer Kollegin auch damit angefangen, Trainings zu geben, wieder sich bewusst zu machen mit dem Umgang von Digitalisierung. Zu sagen, man sitzt Leuten gegenüber, mit denen spricht man ganz normal, und dann würden die irgendwie ihre Whatsapp und dann sind sie … dann geht die Aufmerksamkeit sofort auf das Gerät. Und das gar nicht zuzulassen, das zu thematisieren, und das wieder auch in Gruppen zu erarbeiten. Weil bei dem einen ist es das, bei dem anderen ist es eine Einführung eines IT-Systems. Also ich bin ein großer Fan von der Digitalisierung, aber bitte mit dem Menschen. Und das wieder zu thematisieren, was macht das. Ich kann E-Mails schlechter am Bildschirm lesen, ich mache mehr Fehler. Damit muss ich umgehen lernen. Da muss eine Führungskraft wissen, dass es so ist. Digitalisierung belastet mich einfach komplett anders im Arbeitsleben. Ich muss Multitasking machen. Ich habe eine ganz andere Aufgabenvielfalt. Ich habe ganz viele Schnittstellen zu anderen Bereichen. Ich muss ganz viel mehr kommunizieren. Da passiert viel mehr. Also es ist ein ganz anderes Arbeitsumfeld, in dem wir uns bewegen, durch teilweise die Digitalisierung. Und da gilt es eben halt wieder mehr Angebote zu schaffen und das immer wieder in den Fokus zu rücken.
Weil wir wie gesagt die erste Generation sind, die genau sich noch nicht dran gewöhnt hat. Das heißt, ich kenne noch die alte Welt. Und jetzt kommt so viel auf mich zu mit Web-Konferenzen und der eine arbeitet mit dem Tool, der andere mit dem Tool, dann muss ich das berücksichtigen. Also ich werde langsam getrieben an Aufgaben von der Digitalisierung. Und da hätte ich ganz gerne wieder die Hoheit über mein eigenes Aufgabenfeld, über mein eigenes Handeln. Und da gilt es, sich abzugrenzen. Und ich glaube, das müssen wir tatsächlich wieder lernen zu sagen, das machen wir bewusst, das lassen wir weg. Wie hieß es denn noch? Dieses Clubhouse. So. Wo ich dann sage, da war ich nie drin, und das habe ich spurlos an mir vorbeigehen lassen, diesen Trend, der ja sehr schnell wieder weg war. Aber sich auch sehr, sehr bewusst wieder das in den Fokus zu rücken, dann selber zu entscheiden, was will ich, was will ich auch nicht. Wie kann ich mein Umfeld mit Impulsen versorgen? Jeder soll seine freie Meinung haben. Und genau das gilt es nachher wieder, ja, für sich zu erobern.
Claudia:
Da möchte ich dann auch anknüpfen, weil wir haben unfassbar viele sehr, sehr wertvolle Sachen auch gesagt. Und ich glaube auch tatsächlich, dass Politikberatung höchste Eisenbahn ist, dass die Politik dann auch in eine gute Umsetzung kommt. Also meines Erachtens nach auch international, weil die großen Plattformen, die sind einfach nicht – weder Deutsch noch national geprägt. Und von daher ist es durchaus wichtig, ja, eine übernationale Umgangsform damit zu machen. Weil die … ja, wir sehen es ja, die Nationen, die eigentlich die Treibenden sind, die finden schon immer wieder ihre Möglichkeiten, dann doch diese Sachen, unsere Gesetze zu umgehen. Das sieht man beim Datenschutz, das sieht man bei allen möglichen anderen Dingen. Von daher ist da auch Zeit, mehr übernational zu machen, auch wenn wir schon an der Politik im Klima scheitern.
Aber dass wir auch … Was mir eindrücklich gewesen ist gerade in der Folge: wie wir unsere Daten eben preisgeben, wie wenig Bewusstheit darüber ist, wie viel Verständnis eigentlich fehlt für das Thema Digitalisierung, für die Prozesse, die da sind. Sandra, du hast es wunderbar gesagt, es gibt so viele Menschen, die nicht alt sind, also ich sage das jetzt mal ganz bewusst, und die eben diese Digitalisierung so mitmachen müssen. Und dann weigern sich einige. Dann kann man sich dem aber auch gar nicht mehr entziehen in vielen Punkten. Und da ist mir aufgefallen über die Folge mit Christine Deger, als es dann über Cyber Security ging, dass die meisten von uns eigentlich schon sehr schlecht aufgestellt sind, was das Thema Sicherheit ist, dass wir uns sehr schlecht verteidigen können im digitalen und virtuellen Raum und dass es eben doch nicht nur eine Sache der großen Konzerne ist, sondern dass es im Eigentlichen sehr, sehr deutlich auch um unsere privaten Daten geht und um unsere privaten Sicherheiten, was das Thema Digitalisierung betrifft.
Also erst vor kurzem wurde ja wieder gezeigt, dass Gesundheitsdaten relativ schnell abgreifbar sind. Also das hat man ja innerhalb von kürzester Zeit auch gemacht. Wie soll es dann erst in zehn Jahren sein? Also wie seht ihr das? Und welche Lösungen sollten erarbeitet werden? Also Jana, deine Bildungspolitik, da muss ich sagen, das würde ich mir, glaube ich, echt wünschen, dass wir da auch mehr Bildungspolitik schon früh haben. Aber gibt es da Lösungen oder Ideen, die ihr auch seht? Oder habt ihr schon was erlebt, was eben in die Richtung geht?
Claire:
Also ich denke, das fängt ja schon beim Kleinen an. Also es gibt ja … Ich kenne sehr viele jüngere Menschen, die zum Beispiel gar nicht mehr so viel auf sozialen Netzwerken unterwegs sind, also Facebook zum Beispiel, die dann halt sagen: Ja, da all meine Daten eingeben, das möchte ich gar nicht mehr. Ich glaube, da ist schon … da wächst schon eine Generation heran, die natürlich sehr … also die natürlich komplett digital geprägt ist, aber die sehr wohl ein entsprechendes Verständnis dafür hat, welchen Preis sie dafür halt auch zahlt bzw. welche Contra-Seite es da halt gibt. Und das ist natürlich was, was Generationen, die noch so hybrid digital/analog aufgewachsen sind, vielleicht gar nicht so hatten. Die fanden das … Also ich meine, das kennt man ja selbst, wie freudig man am Anfang sein Facebook-Profil vielleicht auch ausgefüllt hat und dachte: Ja, ihr könnt alles von mir wissen. Und ich glaube, das ist etwas, was sich mit der Zeit auf jeden Fall … also wo das Bewusstsein sich auf jeden Fall schärfen wird. Und wie gesagt, ich sehe das halt bei jüngeren Menschen, dass dieses Bewusstsein da auf jeden Fall schon geprägt ist. Natürlich, klar sind die wie gesagt alle digital unterwegs, aber sie wissen halt auch stärker, was da … welchen Preis das halt hat.
Ariana:
Da würde ich gerne einsteigen und mich Claire anschließen. Auch Preis in beide Richtungen. Also sobald wir einen kostenlosen Service nutzen, müssen wir einfach wissen, dass wir das Produkt sind, dass es unsere Daten sind, die dann weiterverkauft werden. Ich glaube, dass das bei der jüngeren Generation jetzt schon wesentlich mehr angekommen ist. Und in zehn Jahren, hoffe ich, dass wir als Gesellschaft auch bereit sind, mehr zu zahlen für zum Beispiel unabhängigen Journalismus, für Plattformen, die eben nicht mit unseren Daten arbeiten. Und ich glaube, da muss es eigentlich hingehen, dass nicht mehr alles kostenlos en masse verfügbar ist, damit eben nicht diese Datenkraken am Ende die Hoheit gewinnen und wir noch einen Raum für uns haben, den wir auch bezahlen.
Anne:
Ich nehme das leider ein bisschen anders wahr als ihr zwei. Ich habe nicht den Eindruck, dass das in der Generation nach mir jetzt explizit auch angekommen ist. Also ich habe nicht den Eindruck, dass die Zwanziger, die Personen, die in den Zwanzigern und jünger sind, dass das bewusst wahrgenommen wird, dass wir mit unseren persönlichen Daten Services zahlen. Ich habe eher den Eindruck, dass bewusst wahrgenommen wird, dass sie gerne die Daten, ihre persönlichen Daten einfach weggeben, damit sie die Services nutzen können, und dass der Wert der Daten nicht bewusst ist und die Konsequenzen auch zum Teil bewusst ignoriert werden. Und wenn es darum geht, was wünsche ich mir für in zehn Jahren: Ich wünsche mir, dass auf jeden Fall der Mensch mehr in den Mittelpunkt in der Digitalisierung rückt, dass gerade bei Digitalisierungsthemen Künstliche Intelligenz, Robotik, dass da tatsächlich auch der Mensch und was mit dem Menschen auf einer emotionalen Ebene psychologisch auch passiert und wie er involviert werden kann, dass er da eher im Mittelpunkt ist als das Randgeschehen, was sich auf das, was digital sich verändert, eben anpassen muss. Also dass es nicht mehr darum geht, Digitalisierung vorangetrieben, Künstliche Intelligenz, und was dann mit mir als Person passiert, dafür bin ich dann verantwortlich und das kommt dann danach, nachgelagert wird diese Frage beantwortet. Also das wünsche ich mir, dass in zehn Jahren die Herangehensweise andersrum ist.
Und ich wünsche mir vor allem, dass die Selbstverständlichkeit im Umgang mit den Daten, die Transparenz, eine digitale Gerechtigkeit auch mehr in den Vordergrund rückt und dass das einfacher zugänglich ist. Und, ja, keine Ahnung, also was ist und in der Geschwindigkeit, in der es gerade passiert, habe ich echt teilweise so ein mulmiges Gefühl. Ich freue mich darauf, aber es ist auch so ein bisschen mulmig. Und ich bin total gespannt und denke schon, dass es viele, viele Chancen bereithält und dass gerade … Wir sehen ja das Momentum, was digital erzeugt werden kann durch Kommunikation, kann extrem groß werden, kann extrem schnell werden. Und da wünsche ich mir auch, dass in zehn Jahren gerade Themen wie eben gleichberechtigte Teilhabe auch im digitalen Raum nicht mit Shitstorms belohnt wird, sondern tatsächlich das Momentum vorangetrieben wird und einfach die Reichweite, die dadurch genutzt werden kann, auch, ja, in den Vordergrund rückt.
Claudia:
Darf ich kurz fragen, was du mit digitale Gerechtigkeit gemeint hast?
Anne:
Ja. Das ist natürlich auf vielen Ebenen. Also ich habe in erster Linie erst einmal gemeint digitale Gerechtigkeit insofern, dass wir uns digital gleichermaßen verhalten mit Respekt zueinander, dass auch gerade eben Shitstorms oder, ja, die Effekte, die dadurch passieren, indem ich mir in einer digitalen Welt Bilder von Personen … diese Momentaufnahmen, die ich vorher schon erwähnt hatte, wenn ich mir die zu Gemüte ziehe, dass mir dann auch das Leben ungerecht vorkommt. Und das hat natürlich wieder was mit Transparenz zu tun, dass aber auch unterschiedliche Personen einfach gerecht behandelt werden, unterschiedliche Personengruppen gleichermaßen hervorgehoben werden und nicht durch einen Algorithmus auch benachteiligt werden. Da sind wir auch wieder beim Thema Biases. Von Menschen wird programmiert, und die Menschen sind nun mal beeinflusst, ob bewusst oder unbewusst. Und diese Beeinflussung wird natürlich dann auch im Code reflektiert. Eine Frau programmiert anders, entwickelt anders als ein Mann. Und das ist auch eine Art der digitalen Gerechtigkeit. Und ich glaube, die letzte Ebene ist natürlich die digitale Gerechtigkeit, ist der Zugang zu digitalen Geräten und zu auch digitaler Bildung, alles, was die Nutzung der Digitalisierung, der digitalen Mittel, aber auch die digitale Bildung innerhalb und durch die digitalen Werkzeuge eben stattfinden kann.
Claudia:
Danke für die Erläuterung. Zu guter Letzt möchte ich dann noch einen Blick auf ein anderes Thema richten, dass aber auch alles zusammenhängt, nämlich das Thema Nachhaltigkeit und Digitalisierung, das wir mit Carl-Ernst Müller alias Cuddel besprochen hatten. Aktuell wird ja Digitalisierung als eine große Lösung für das Thema Klima gesehen. Aber als ich das gehört habe, kam mir so: Na ja, stimmt, also wir nutzen schon ganz schön viel mehr Ressourcen, als wir – und das sind nicht nur die technischen Produkte, sondern eigentlich über diese digitalisierten Lösungen, egal in welche Richtung – nutzen wir ja auch unfassbar viele Ressourcen. Also da stelle ich mir die Frage und auch an euch die Frage: Wird auch hier eigentlich mehr nach Vielfalt gefragt dann unterm Strich? Oder müssen sich dann die großen digitalen Firmen mehr auf Nachhaltigkeit spezialisieren? Was denkt ihr denn da? Denn wenn wir jetzt mal gucken, es gibt ja ganz große Riesen, die ihre Server dann irgendwie aufgestellt haben. Aber wenn ich mir die Folge anhöre, dann scheint das ja nicht so eine gute Lösung zu sein.
Ariana:
Ich glaube, zum Thema Nachhaltigkeit, wie das jetzt auch in den vergangenen Jahren schon so ein bisschen in Richtung Corporate Social Responsibility war, wird es ein Aushängeschild sein für verschiedene Ebenen, für Kundengruppen, aber auch für Bewerbende, die sich ein Unternehmen aussuchen. Und dass Unternehmen dann selbst gucken, okay, wo in meiner Wertschöpfungskette kann ich Nachhaltigkeit betreiben, dass das Bewusstsein dafür da ist. Man kann sich ja auch offiziell zertifizieren lassen, man kann sich Beratung einholen, wie man nachhaltiger wirtschaften kann zum Beispiel auch, oder auch dann in Richtung Nachhaltigkeit Papier einsparen, was auch immer, Serverkosten etc. Ich glaube, dass es eher erstmal so funktionieren, dass es dann ein USP ist für Unternehmen, sich nachhaltig darzustellen, bevor wahrscheinlich leider erst dann die Regularien aus der Politik vielleicht kommen, dass bestimmte Unternehmen so und so handeln müssen. Wahrscheinlich muss der Markt das dann erst mal bilden.
Claire:
Ja, ich sehe da allerdings auch so ein bisschen die Gefahr, dass es da … dass viele Unternehmen das halt auch als … ins sogenannte Greenwashing verfallen, also dass sie damit ja nach außen sehr nachhaltig und … das halt … diesen USP halt besonders hervorheben, es aber dann, wenn man es genauer betrachtet, eigentlich tatsächlich gar nicht sind. Das sieht man ja inzwischen auch schon relativ häufig. Meine These ist, dass es da tatsächlich stärkerer Regulierungen bedarf, weil so, wie es aktuell sich anfühlt, sind all die digitalen Prozesse bzw. all die digitalen Ressourcen, die anfallen, noch on top zu den Ressourcen oder zu den Verbrauchswerten, die es halt eh schon gibt, ohne dass etwas digital läuft. Und deswegen muss man halt schauen, wie man das am besten regulieren kann. Und da ist, glaube ich, … da sind, glaube ich, stärkere Außenreglementierungen gefragt.
Sandra:
Ja, das ist ja auch durchaus ein Thema, was schon seit Jahrzehnten eigentlich interessant ist. Also ich habe in einem Textilunternehmen gearbeitet, meine Lehre da gemacht, und auch da haben zum Beispiel Versandhändler ja schon nachweisen müssen, wie nachhaltig sie produzieren. Die Frage ist immer, inwieweit man das kontrollieren kann. Und das ist so ein bisschen Fluch und Segen. Die Digitalisierung kann da ja unterstützen, solche Prozesse tatsächlich digital transparent abzubilden, wenn sie denn richtig gemacht werden und richtig aufgesetzt werden. Und das wird eben halt die Herausforderung sein. Und ich sehe das genauso zu sagen, es ist ein … es könnte ein USP sein, wenn es denn tatsächlich auch ich sage mal real ist. Ich glaube tatsächlich, das ist nur meine Einschätzung, auch die ist weder richtig noch falsch, ist tatsächlich immer der Verzicht.
Also ich glaube, wenn ich irgendetwas durch etwas anderes ersetze, egal, was es ist, und egal, wie toll es am Anfang aussieht, tut es, glaube ich, der Umwelt bzw. der Nachhaltigkeit nicht gut. Man denkt da an diese Pappverpackungen beim Coffee to Go, die Mehrwegbecher, wo man auch festgestellt hat, die kommen gar nicht mehr in den Kreislauf zurück. Also da hat man sozusagen das eine durch das andere ersetzt, aber eben halt nicht komplett das durchdacht. Ja, und ich glaube, da gilt es, pfiffige Ideen zu schaffen und wieder mehr in das Bewusstsein zurückzufinden, dass wir vielleicht dann auch mal einfach auf das eine oder andere verzichten müssen. Und auch wollen. Und, genau, ich würde mir wünschen, dass da tatsächlich ein bisschen der Weg hingeht, das auch wieder bewusster zu machen und dann zu entscheiden, wie will man da jetzt vorankommen als Unternehmen. Und natürlich sind Reglements von der Politik da gut. Manchmal ist das Reglement schon nicht das richtige. Von daher bin ich mir sicher, dass da noch einiges passieren wird und wir da hoffentlich als Menschen in die richtige Richtung kommen. Dafür sind ja auch die jungen Generationen jetzt auf die Straße gegangen. Und von daher erhoffe ich mir da ganz viel davon.
Anne:
Sandra, was du sagst mit den Mehrwegbechern. Aber zumindest gibt es andere Länder, die haben das eben weitergedacht, die haben nämlich diese … Ich meine, es war auf Mallorca tatsächlich. Die haben diese Pfandbecher, die kannst du da direkt in einen extra Mülleimer zurückwerfen. Und das ist neben dem Mülleimer, und das wird dann direkt eben wieder in diesen Kreislauf zurückgebracht. Dann kriegst du halt deinen Euro vielleicht nicht zurück. Wobei ich meine, in einem anderen Land kriegst du dann auch deinen Euro sogar zurück. Also es ist tatsächlich mit diesem Recyclingthema weitergedacht. Und ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, sich nicht auf den Fortschritt, in dem wir uns befinden, damit ausruhen und zu sagen, okay, oh, das hat jetzt nicht funktioniert, jetzt muss was Neues her, sondern das zu nehmen, was wir haben, und das weiterzuentwickeln, hat ja auch was mit Nachhaltigkeit zu tun. Nicht immer alles direkt neu zu erfinden, sondern weiterzudenken.
Was ich einen ganz großen Punkt finde, ist generell bei mir eine hohe Berührungshürde oder ich weiß nicht, ob Berührungshürde das richtige Wort ist, aber eine Hürde, dass ich das nicht gut fassen kann, was es im Rahmen der Digitalisierung tatsächlich für die Umwelt bedeutet. Also so eben dieser Punkt, ich glaube, Ariana hat es gesagt, mit dem Thema: Kamera aus hat einen Einfluss auf Nachhaltigkeit. Das ist eine nachhaltige Entscheidung. Und das ist für mich ein Thema, was mir nicht so bewusst und natürlich da … was bei mir nicht so bewusst und natürlich da ist. Das ist bei mir tatsächlich im privaten, in dem realen Leben, nicht im digitalen, ist es einfacher greifbar und es ist präsent mittlerweile. Aber gerade in diesem Bereich ist es das noch nicht ausreichend. Und da das Bewusstsein einfach zu stärken, ich denke, auch da gibt es ja in Unternehmen mittlerweile auch Abteilungen, die geschaffen werden, die sich genau mit Nachhaltigkeit auch beschäftigen. Und wie Unternehmen auch nachhaltig agieren können und … oder fordere ich mehr oder weniger, dass das, diese Entwicklung auch vorangetrieben wird und dass da das Bewusstsein eben gerade für den digitalen Raum auch noch mal hervorgehoben wird.
Jana:
Ich fand ja sehr eindrücklich in der Folge, wo er sagte, ich glaube, dass alle Server die Stadt Frankfurt heizen könnten, und fragte mich irgendwie dann: Es muss doch jetzt eigentlich jemand einen Weg finden oder erfinden, wie ich das nun wirklich machen kann, weil ich spare ja dann im Grund alle Ressourcen, die ich für die Heizung brauche, und die Server fallen ja trotzdem an. Und ich glaube, dass da einfach noch neben allem, was wir individuell natürlich machen und Bewusstsein dafür schaffen, dass da noch ein wahnsinniges Innovationspotenzial ist, um die Ressourcen noch mal einzusetzen oder das, was eben hm anfällt durch die Digitalisierung, noch mal umzulenken vielleicht in andere Bahnen.
Claudia:
Also ich glaube, wir haben heute auch gut herausgearbeitet, dass einfach diese unterschiedlichen Themenfelder sehr deutlich doch auch miteinander verbunden sind. Dass einfach Vielfalt sehr breit gedacht werden muss, dass Nachhaltigkeit einfach nicht nur ein Klimathema ist, sondern auch ein unternehmerisches Thema, dass wir Vielfalt auf vielen Ebenen brauchen und das nicht einfach so passiert. Dass wir Bewusstsein schaffen müssen und das es noch keine endgültigen Lösungen gibt, aber schon sehr gute Ansätze. Dass es aber auch einen großen Diskurs geben kann, dass wir zu unterschiedlichen Ergebnissen auch kommen können bzw. auf unterschiedliche Lösungswege. Denn ich glaube auch, mit der individualisierten Gesellschaft, die wir jetzt mittlerweile haben, lässt sich dieser Individualisierungsgrad in gewissen Bereichen gar nicht mehr zurückdrehen. Und da ist es natürlich wie überall, wo wir hinschauen: Da werden wir unterschiedliche Herangehensweisen auch sehen.
Und ich hoffe einfach, in Zukunft werden sich die Dinge gut durchsetzen, die eben auch Erfolgskonzepte sind. Und dass wir einfach unermüdlich dranbleiben, Lösungen zu finden, die uns allen guttun, egal, ob es das Thema Digitalisierung, ob es das Thema digitale Sicherheit, ob es das Thema Vielfalt in unserer Gesellschaft betrifft, dass wir da einfach mehr miteinander gestalten und verändern können, sodass es auch für die meisten wirklich gangbar und gut ist. Gibt es noch etwas, was ihr unseren Zuhörer*innen sagen wollt so am Schluss?
Anne:
Ich möchte es euch allen eigentlich sagen: Vielen Dank. Ich fand diese erste Staffel von dem Podcast einfach riesig. Also es auch wieder da: die Vorstellungskraft von mir war irgendwie da, ich hatte eine eigene Erwartungshaltung für den Podcast. Und ich glaube, das hatte jede auch in der Runde. Aber was dann daraus gemacht wurde und dass so viele Köpfe ihre eigene Sichtweise hier, also insgesamt sechs Köpfe ihre eigene Sichtweise mit beigesteuert haben, eigene Themen beigesteuert haben, dadurch ist der Podcast einfach auch an Diversität gewachsen. Und das finde ich extrem schön. Mir geht das Herz auf, dass wir mit der Message dazu in der Lage sind, irgendwie auch mehr Menschen zu erreichen da draußen und genau diese Themen eben nach draußen bringen können und nicht nur bei uns im Netzwerk einfach bleiben, sondern wir öffnen das und wir bringen es raus in die Welt. Und mir hat das sehr, sehr viel Spaß gemacht. Und ich finde das riesig, dass wir gemeinsam so ein Projekt gewuppt haben.
Ariana:
Ich glaube, da können wir uns alle nur anschließen. Nur für die Zuhörenden, wir sehen uns ja per Video, und alle nicken mit dem Kopf und stimmen zu. Das heißt, ja, ich glaube, das sehen wir alle so.
Sandra:
Wir machen das ja alle tatsächlich ehrenamtlich. Wir haben weder irgendwelche Werbeeinnahmen noch irgendetwas anderes, das heißt, hier hat sich eine kleine Gruppe an Menschen getroffen, die aus unterschiedlichsten Gründen diese Leidenschaft, diese Themen jetzt voranbringen zu wollen, sei es irgendwie auch nur einen Podcast zu machen, zu gucken, wie geht das, als auch Netzwerke angesprochen haben für die Inhalte. Das zeigt auch, dass der Mensch durchaus in der Lage ist und dass er auch motiviert ist, tatsächlich was zu verändern. Das zeigt ja auch, dass wir da was tun können. Und ich bin sehr sicher, dass gerade bei den Digitalthemen der Mensch in der Lage ist, sich auch hier anzupassen. Es wird ein bisschen dauern, das ist jetzt viel, was auf uns zukommt, aber wir haben so viele Kompetenzen, wir haben so viel gesunden Menschenverstand, wir sind so vielfältig in unserem Netzwerk und in unserer Kooperation in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt, sodass ich mir ziemlich sicher bin, dass daraus was Gutes entstehen kann, egal, wo der Weg jetzt hinführt.
Claudia:
Sehr schöne Abschlussworte von euch. Ich danke euch allen recht herzlich, dass wir so gut als Team zusammengearbeitet haben, auch, dass die Arbeit, so umfangreich sie auch war, dass sie immer zu guten Ergebnissen geführt hat. Und ich möchte den Zuhörer*innen, die jetzt diese Folge wirklich zum Ende gehört haben, auch ans Herz legen, sich auch gerne die #DMW anzugucken. Die Digital Media Women sind auch offen für andere Geschlechter, das möchte ich hier auch noch mal ganz explizit benennen. Wir sind ein inklusives Netzwerk und offen für alle, wir stehen für Diversität. Und schaut euch einfach unsere Website an. Schaut euch auf unseren unterschiedlichen Kanälen unsere Sachen an, die wir eben senden. Und wenn du dich berufen fühlst, dann komm doch einfach vorbei, nimm Kontakt auf zu den einzelnen Frauen in den Quartieren oder melde dich einfach bei uns. Wir sind froh über jeden Mitdenkenden, der da irgendwie noch draußen ist, und auch über alle Kompetenzen oder eben auch alle Nicht-Kompetenzen, sondern Interessierten und Enthusiasten sind wir total dankbar und freudig. Und falls du die Folgen noch nicht gehört hast oder noch nicht alle gehört hast, dann hier noch mal eine Motivation dazu, es doch zu tun. Ich denke, das haben wir dir hier in dieser Folge auch schmackhaft machen können, dass wir uns mit vielen großen Themen befassen, die wirklich für jeden relevant sind. In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Winter und eine schöne erste Staffel.