Im Rahmen der #30mit30-Kampagne suchen die Digital Media Women 30 Unternehmen in Deutschland, die einen Frauenanteil von über 30 Prozent in ihren ersten drei Führungsebenen haben. Heute sind wir zu Gast bei andagon. Das IT-Qualitätssicherungsunternehmen mit Hauptsitz in Köln setzt auf Diversität. Yana Gogoll, CEO der andagon Gruppe, und Saskia Troche, Leitung Marketing und Kommunikation, verraten #DMW Nadine Bütow, warum.
Nadine Bütow: Möchten Sie sich und das Unternehmen kurz vorstellen?
Yana Gogoll: Ich bin Unternehmerin und Inhaberin der andagon Gruppe. Damit habe ich täglich die Chance, meine Werte zu leben. Ein enormes Potenzial sehe ich beispielsweise darin, männliche und weibliche Herangehensweisen und Mindsets zusammenzubringen.
Saskia Troche: Das kann ich aus meiner persönlichen Erfahrung bestätigen. Seit einem knappen Jahr verantworte ich den Bereich Marketing und Kommunikation. Und bei andagon habe etwas gefunden, was für mich beruflich bisher nicht selbstverständlich war – nämlich, dass es Unternehmen gibt, die Gleichberechtigung und Chancengleichheit in führenden Positionen in Unternehmen fördern. Ich komme aus der Verlagsbranche, wo ein Großteil der Mitarbeiter Frauen sind, aber nur bis zu einem gewissen Punkt auf der Hierarchiestufe.
Yana Gogoll: Mein beruflicher Werdegang begann in Russland. Zudem reise ich sehr viel und bin dadurch ständig mit unterschiedlichen Kulturen in Berührung. Wenn ich mich im internationalen Feld so umschaue, stelle ich fest: Deutschland hinkt tatsächlich hinterher, was Frauen in Führungspositionen angeht.
„Wir brechen mit klassischen Rollenmustern.“
Nadine Bütow: Warum glauben Sie, dass Deutschland hier hinterherhinkt?
Yana Gogoll: In Deutschland wird die Frau sehr stark über das Mutter-sein definiert. Der Glaube ist weitverbreitet, dass eine Frau nur dann eine gute Mutter ist, wenn sie zu Hause bleibt. Viele intelligente und gebildete Frauen entscheiden sich deshalb dafür, sich auf die Familie zu fokussieren. Hinzu kommt, dass Frauen in Deutschland in ihrem Beruf und auch in der städtischen Versorgung weniger Flexibilität erfahren im Vergleich zu anderen Ländern.
Saskia Troche: Ich komme aus Sachsen. Da ist es historisch komplett anders gewachsen. In meinem Umfeld haben alle Frauen gearbeitet und hatten Kinder. Die städtische Versorgung war aber gegeben. Dadurch haben sich ganz andere Selbstverständlichkeiten entwickelt. Es ist also möglich.
Nadine Bütow: Andagon hat eine Frauenquote von 30 Prozent in den ersten drei Führungsebenen. Wie kommen die zustande?
Yana Gogoll: Mein Mann, der andagon gegründet hat, und ich teilen unsere Aufgaben 50:50. Ich bin Betriebswirtin, mein Mann kommt aus der IT-Branche. Ein perfekter Match! Rechnungswesen, Controlling und Marketing und Kommunikation werden von Frauen geleitet. Auch im Consultant-Bereich gibt es einen relevanten Frauenanteil in der Teamführung.
Saskia Troche: Spannend ist, dass wir dabei mit klassischen Rollenmustern brechen. Der Verantwortliche im Bereich HR und Recruiting ist ein Mann, dagegen sind Controlling und Rechnungswesen weiblich geführt.
Nadine Bütow: Gibt es eine Strategie für Diversity oder zur Frauenförderung?
Yana Gogoll: Wir geben von vornherein sowohl weiblichen als auch männlichen Kollegen die gleichen Chancen. Auch beim Thema Gehalt schauen wir auf Gleichberechtigung. Doch Frauen stellen tendenziell etwas niedrigere Forderungen. In solchen Fällen heben wir das Gehalt auf unser allgemeines Niveau an. Bei Kolleginnen, die in die Familiengründungsphase übergehen, achten wir darauf, dass ihnen keine Nachteile entstehen, zum Beispiel durch flexible Arbeitszeiten oder Homeoffice.
Saskia Troche: Auch unser individuelles Schulungs- und Weiterbildungsprogramm spielt eine Rolle. So möchten wir gezielt Quereinsteigerinnen eine Chance geben.
„Die Geschäftsführung lebt die Unternehmenskultur aktiv vor“
Nadine Bütow: Ist Elternzeit in Ihren Augen für Männer genauso relevant wie für Frauen?
Saskia Troche: Ein aktives Vorleben ist einfach das Beste. Unsere Geschäftsführung macht genau das. Das signalisiert den Mitarbeitern: Es ist auch der Chef, der sich mal vom Homeoffice einwählt. Das schafft ein authentisches Arbeitsumfeld. Es braucht also nicht nur weibliche Vorbilder, sondern auch männliche.
Yana Gogoll: Exakt. Uns ist es wichtig, dass wir mit unserem Unternehmertum eine soziale Rolle einnehmen. Wir wollen sowohl Männern als auch Frauen die Möglichkeit geben, für die Familie da zu sein. Das gilt natürlich auch für die Elternzeit.
Nadine Bütow: Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?
Yana Gogoll: Es ist tatsächlich sehr herausfordernd, im IT-Umfeld Frauen überhaupt zu finden und ihnen dann auch die Angst vor Beraterjobs zu nehmen. Wir sind noch nicht so groß, dass wir so viele Führungskräfte haben, aber beim Wachstum des Unternehmens lege ich sehr viel Wert darauf, eine Diversität in der Führungsmannschaft zu haben.
Nadine Bütow: Wie hat sich die Kultur denn angesichts der höheren Diversität verändert?
Yana Gogoll: Es wird viel mehr gelacht, der Umgang ist offener, die Teams und der Austausch sind kreativer geworden. Darüber hinaus merken wir im professionellen Umfeld, dass unsere Kunden ebenfalls diversifizierte Teams haben möchten. Unsere Kunden suchen gezielt Spezialistinnen für die Ergänzung der männlichen Mannschaft.
„Diverse Teams arbeiten effizienter und sind kreativer.“
Nadine Bütow: Welche Maßnahmen oder Formate gibt es denn bei andagon, die sowohl auf Diversity einzahlen als auch gezielt Frauen fördern?
Yana Gogoll: Wir sind gerade an einem Wendepunkt. Wir hatten ein klassisches Karrieremodell, das sich an einem bestimmten Punktesystem, an Zugehörigkeit des Unternehmens, Kompetenzentwicklung u.s.w. orientiert hat. Von den Mitarbeitern haben wir aber den Wunsch erhalten, dass sie selbst Karrieremodelle erarbeiten möchten – ohne Beteiligung der Geschäftsführung. Meine Vision ist, dass jeder, der bei andagon war, einen Mehrwert für sich erfahren hat und mit uns durch Projekte wie Alumni weiterhin verbunden bleiben möchte.
Saskia Troche: Die Beteiligung am neuen Karrieremodell war sehr hoch, denn die Mitarbeiter konnten selbst mitwirken und aktiv gestalten. Dadurch fühlt man sich wertgeschätzt.
Nadine Bütow: Was ist in Ihren Augen den MitarbeiterInnen wichtiger: der monetäre Aspekt oder persönliche ideelle Werte?
Yana Gogoll: Da wir überwiegend mit Generation Y und Z arbeiten, merken wir schon einen großen Unterschied zur älteren Generation. Entscheidend ist hier die Individualität bei den Benefits. Ein zweiter wichtiger Punkt ist das Mitspracherecht. Deswegen haben wir uns für dieses individualisierte Bottom-up-Karrieremodell entschieden.
Monetäre Motivationen spielen natürlich auch eine Rolle.
Nadine Bütow: Sie konzentrieren sich also nicht auf explizite Frauenförderprogramme, sondern leben Gleichberechtigung?
Yana Gogoll: Ganz genau. Das Einzige, was wir explizit für Frauen tun, ist, dass wir bei der Gestaltung unseres Angebots frauenspezifische Themen in unser Angebot implementieren.
Saskia Troche: Man hat von der ersten Minute das Gefühl, sichtbar zu sein und wertgeschätzt zu werden. Als ich meinen Arbeitsplatz bezogen habe, fand ich einen persönlichen Brief, Pralinen, ein T-Shirt mit Firmenlogo und meine mobile Office-Ausstattung vor. Das ist ein schönes „Willkommen!“ – für jeden, egal ob Mann oder Frau.
„Flache Hierarchien unterstützen eine offene Unternehmenskultur.“
Nadine Bütow: Was würden Sie anderen IT-Unternehmen, die ähnliche Schwierigkeiten haben, Frauen zu rekrutieren, empfehlen?
Saskia Troche: Gerade in der IT-Branche müssen Frauen im Unternehmen und für das Recruiting sichtbar gemacht werden. Das baut Hemmungen und Vorurteile ab. Bei meinem Wechsel in die IT-Branche haben zudem flache Hierarchien geholfen. Ich hatte zu jeder Zeit das Gefühl, jede Frage stellen zu können und auch mit neuen Vorschlägen ernst genommen zu werden. So ist eine gegenseitige Bereicherung entstanden. Für mich ist die Vereinfachung der Kommunikation eine sehr wichtige Aufgabe, denn wir kommunizieren auch im Kundenbereich nicht nur mit Experten.
Yana Gogoll: Flache Hierarchien unterstützen eine offene Unternehmenskultur. Bei uns soll jeder Mitarbeiter eine Chance haben, sein Potenzial zu entfalten. Da dürfen auch mal Fehler passieren. Der letzte und vielleicht wichtigste Punkt ist es, Kontrolle abgeben zu können und dem Mitarbeiter zu vertrauen.
Nadine Bütow: Gibt es denn Dinge, die so gar nicht funktioniert haben?
Yana Gogoll: Ja. Es funktioniert nicht, zu sagen: „Jetzt rekrutieren wir Frauen. Wir rekrutieren nur Frauen und koste es, was es wolle!“ Es muss schon grundlegendes Interesse für das Thema da sein. Und: Unternehmen müssen die richtige Ansprache wählen.
Nadine Bütow: Wie gehen Sie auf Frauen zu, die sich u. U. mit IT-Themen nicht sofort wohlfühlen?
Yana Gogoll: Ich frage sie, was sie besonders gut können, wofür sie sich begeistern. Und wenn ich merke, dass diese zwei Faktoren, die ein Mensch mitbringt, im Unternehmen gebraucht werden, dann nehmen wir sie an die Hand. Wir haben viel Erfahrung darin, unsere spezialisierten Themen Menschen nahezubringen. In 90 Prozent der Fälle sind wir damit auch erfolgreich.
„Alles was du brauchst, ist bereits da.“
Nadine Bütow: Wenn Sie von einem traditionell geführten Unternehmen gefragt werden: „Wie machen Sie das denn mit Ihren Quoten? Wir kriegen das bei uns nicht hin.“ Was würden Sie raten?
Yana Gogoll: Mach die Augen auf. Alles, was du brauchst, ist bereits da. Warum kriegen manche Unternehmen das nicht hin? Weil sie einfach nicht hinschauen. Es gibt einen Pool an Talenten, der nicht genutzt wird. Führungskräfte hinterfragen nicht, wie man die Umgebung aufbrechen kann, damit sich die Menschen entfalten können. Das passiert in den meisten DAX-Unternehmen. Warum ich das weiß? Weil 90 Prozent unserer Kunden DAX-Unternehmen sind. Und wenn ich mit Verantwortlichen spreche, sind diese Probleme offensichtlich.
Nadine Bütow: Wie können Männer und Frauen diesen Prozess der Öffnung mitgestalten?
Yana Gogoll: Ich möchte zunächst an Frauen appellieren. Klar: Die Unternehmen können sehr viel tun. Aber wir brauchen auch Frauen, die Interesse zeigen, die sich selbst trauen, in eine Führungsposition zu gehen. Der größte Nutzen entsteht für mich dann, wenn alle Geschlechter miteinander an Fragestellungen arbeiten – auch in den Führungsetagen. Dann passieren Wunder.
Nadine Bütow: Super. Vielen Dank für den interessanten Austausch!
FAKTEN ZUM UNTERNEHMEN
- Branche: IT-Consulting und Software-Entwicklung
- Anzahl Mitarbeiter international: ca. 130
- Anzahl Mitarbeiter in Deutschland: ca. 130
- Umsatz international: 11 Mio. € (2018)
- Frauenquote in Deutschland (erste drei Führungsebenen): 30%
DAS #30MIT30 TEAM BEI DIESEM INTERVIEW
Interview: Nadine Bütow
Autorin: Janine Matthees
Lektorat: Janine Matthees, Maren Martschenko, Nadine Bütow
Grafiken: Karolina Spring
Social Media Kommunikation: Claire Zeidler
Projektleitung: Nadine Bütow
Initiatorin: Maren Martschenko
WAS IST #30MIT30?
#30mit30 ist eine Kampagne der Digital Media Women (#DMW), die wir 2019 gestartet haben. Dabei suchen wir 30 in Deutschland ansässige Unternehmen aus allen Branchen ab einer Größe von 100 Mitarbeitern, die in den ersten drei Führungsebenen einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent vorweisen können. Dieser Anteil muss innerhalb eines Zeitraumes von drei bis fünf Jahren erreicht worden sein.
Wir wollen zeigen, dass und wie es in Unternehmen gelingen kann, den Anteil an Frauen in Führungspositionen auf 30+ Prozent zu erhöhen! Wir wollen den Weg dieser Erfolgsgeschichten sichtbar machen und die Ergebnisse mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft teilen. Unsere Kampagne soll Quelle der Inspiration und Impulsgeber für andere Unternehmen sein, die sich auf den gleichen Weg begeben wollen – aber nicht wissen, wie. #30mit30 schreibt positive Geschichten über die Machbarkeit von Vielfalt in Führungsetagen, ihre Wirksamkeit und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland. Mehr erfahrt Ihr in unserem One-Pager zu #30mit30 oder im FAQ.
Bewerbungen sind über unsere Website oder per Email an 30mit30@digitalmediawomen.de möglich.
UNSER PARTNER
Wir danken unserem Medienpartner Newsaktuell für die Unterstützung der #30mit30 Kampagne. Wenn du die Kampagne #30mit30 unterstützen möchtest, als Medienpartner oder Firmen-Sponsor, schreibe uns unter 30mit30@digitalmediawomen.de
WIE DU #30MIT30 UNTERSTÜTZEN KANNST
Wir würden uns freuen, wenn Du den Erfolg der Kampagne aktiv gestaltest und begleitest. Das kannst Du folgendermaßen tun:
- Teile die Inhalte und Vorbilder der Kampagne unter dem Hashtag #30mit30 auf Deinen Online-Kanälen und berichte interessierten Menschen und Unternehmen von der Kampagne.
- Blogge oder schreibe als JournalistIn über die Kampagne. Hier geht es zum Pressekontakt.
- Unterstütze die ehrenamtliche Arbeit der Digital Media Women und werde #DMW-Fördermitglied. Unternehmen können uns mit einem #30mit30-Kampagnen-Sponsoring unterstützen.
Bilder: @andagaon