WeQ – das stand im Zentrum des vom GENISIS Institute for Social Innovation and Impact Strategies veranstalteten Vision Summit am 10. und 11.9. in Berlin. Hin von der Ich- zur Wir-Gesellschaft. Statt Individuen mit hohem IQ zu bewundern, ihnen Macht und Geld zu überlassen, sollen Wir-bezogene Qualitäten und teamorientierte Prozesse in den Fokus rücken.
Auf in die Netzwerkgesellschaft!
Klingt gut! Die ersten Anzeichen für den neuen Megatrend sind ja längst da. Im Open Source Bereich teilen Programmierer ihr Wissen und arbeiten gemeinschaftlich und häufig ehrenamtlich an Programmen. Mit MOOCs (Massive Open Online Courses) kann sich jeder jederzeit weiterbilden. Im Zuge von Co-Creation werden Kunden zu Mitgestaltern von Produkten. Beim Design Thinking arbeiten nicht Fachleute sondern äußerst heterogene Teams zusammen. Und längst ist das Sharing ist nicht auf Wissen und Information beschränkt. Mittlerweile werden sogar Autos, Wohnungen und Lebensmittel in sozialen Netzwerken geteilt.
Wer daran teilnimmt, verfügt über Eigenschaften, die in unserer kapitalistischen Welt gar nicht existieren dürften. Nach deren Logik strebt jeder Mensch danach, den größten Teil vom Kuchen abzukommen. Doch was die Share Economisten treiben, ist nicht Gier sondern Gemeinsinn. Die Lust am Wir. Die Freude am Geben und gemeinsamen Gestalten. Es sind Hingabe, Verantwortungsbewusstsein, Kreativität und Lernbereitschaft, die Menschen dabei an den Tag legen. Und dabei, das ist das Neue daran, zu gesellschaftlichen Bewegungen werden.
Für den Neurobiologen Gerald Hüther ist der Wunsch nach Teilen und Gemeinschaft ein ganz normales menschliches Bedürfnis, das unsere Gesellschaft und unser Bildungssystem nur aus den Augen verloren hat. Hüther misstraut der Vorstellung, Leistung käme nur unter Druck und Konkurrenz zustande. Im Gegenteil: Wenn die Menschheit sich nicht selbst zugrunde richten will, müsse sie erkennen, auf welchen falschen Annahmen ihr Weltbild basiert. Der Sozialpsychologe Harald Welzer bestätigt: Das größte Problem sei die freilaufende Wettbewerbsgesellschaft, welche die Individuen zwinge, an jeder Stelle ihres Lebens immer früher und immer länger mit jedem konkurrieren zu müssen. Ziemlich einmütig sprechen die beiden am ersten Abend des Vision Summit im mehr als voll besetzten Foyer des Allianz Forum über das Thema: „Warum es künftig nur noch gemeinsam weitergeht“.
Wozu sind eigentlich Podiumsdiskussionen gut?
Leider passen die hehren Ziele des Vision Summit so gar nicht zu der Form, in der hier über eine bessere Welt diskutiert wird. Nach der mit Welzer und Hüther und Moderatorin Andrea Thilo besetzten Podiumsdiskussion schließt sich eine weitere mit ausschließlich männlichen Experten und einer weiblichen Moderatorin an. „Jetzt sitzen hier fünf tolle Menschen und eine Frau“, sagt der Architekt und Crowdfunder Van Bo Le-Mentzel unfreiwillig komisch. Aber was sei mit den Leuten, die wirklich die Menschheit voranbringen, die Kinder helfen zur Welt zu bringen und die die Suppe machen?“, will er wissen.
Zwar sind die Podiumsdiskussionen nicht viel anders, als man es von den Talkrunden im Fernsehen gewöhnt ist; sie sind nur leider auch nicht besser. Eine kluge, aber angestrengt wirkende Moderatorin hetzt von einem Talkgast zum anderen. Wenn es mal spannend werden könnte, wird schnell übergeleitet. Die Talkgäste präsentieren sich nett oder bemüht rebellisch – als ob es schon originell wäre, einen etwas anderen Akzent als der Vorredner zu setzen. Das Publikum hat wenig zu melden, vereinzelt ein paar Tweets, ein paar Minuten lang sollen wir mal mit dem Sitznachbarn talken, sonst Schweigen.
Am nächsten Tag geht es im Frontalvortragsstil gnadenlos getaktet weiter. Erst gegen Ende der Veranstaltung Licht am Horizont: Workshops! Mitwirkung wünscht. Leider finden alle gleichzeitig statt.
Überforderte Redner, unterforderte Zuhörer
Ich entscheide mich für INTUS HOCH DREI und lerne eine Weiterbildung für Lehrer/innen kennen, die ihnen mit nachgespielten Szenen aus dem Schulalltag den Spiegel vorhält. Wie hätten wir uns verhalten? Wir bekommen ein Gefühl dafür, wie leicht es ist, die Beziehung zum Schüler zu verlieren, weil man es besser weiß, keinen Machtkampf verlieren will oder glaubt, die Kontrolle behalten zu müssen. Im klassischen Unterricht seien Lehrer permanent überfordert und Schüler permanent unterfordert, ist der Diplom-Psychologe Wilfried Schley überzeugt, der die Fortbildung zusammen mit der Stifterin Helga Breuninger entwickelt hat. Die beiden möchten dazu beitragen, dass Lehrer/innen ihren Anteil am Unterricht reduzieren und Schüler/inen mehr Gestaltungsmöglichkeiten geben.
Bleibt zu hoffen, dass es den Veranstaltern des nächsten Vision Summit ebenfalls besser gelingt, den Teilnehmern die Möglichkeit zu geben, aktiv und kreativ zu werden. Das wäre ziemlich WeQ!