Rückblick zum #dmwHH-Themenabend: Arbeit neu erfinden – agil, digital, banal?

Themenabend_Arbeit_neu_erfinden

Die meiste Zeit unseres Lebens verbringen wir mit Arbeit. Und während es früher darum ging, dass ein Job „unseren Lebenslauf schlüssig komplettiert (…) und unser Leben finanziert“, geht es heute um die „Schaffung eines eigenen Arbeits- und Lebensstils„, schreibt Catharina Bruns in ihrem Buch Work is not a job und gibt zu bedenken: „Tatsächlich haben wir heute einen unzureichenden Arbeitsbegriff, der nicht mehr in die Zeit passt. Schon lange wurde aus Arbeit ‚Erwerbsarbeit‘. Begeisterung und persönliche Potenziale haben in dieser Definition keinen Platz. (…) In der sich einstellenden Routine wird Arbeit langsam aber sicher als etwas Negatives wahrgenommen – mit dem Resultat, dass man sich nach dem Wochenende sehnt und anfängt, den Montag zu verfluchen.“

Auch wenn Catharina nicht beim Themenabend am 20. April in Hamburg anwesend war, habe ich mich dafür entschieden, diesen Absatz aus ihrem Buch zu zitieren. Denn er steht sinnbildlich für das Streben einer ganzen Generation, der eigenen Arbeit eine neue Bedeutung zu geben. Wie es Catharina beschreibt, weg von: „Ich gehe arbeiten, um Geld zu verdienen, damit ich mir kaufen kann, was mich glücklich macht“, hin zu: „Meine Arbeit ist bedeutungsvoll, der Beitrag den ich leiste macht mich glücklich.“ Eine neue Haltung zur Arbeit eben, die sich leider jedoch viel zu oft nicht mit der Realität deckt. „Wie wollen wir in Zukunft arbeiten?“ – die Kernfrage des von Kathrin Kaufmann und Christiane Brandes-Visbeck ausgerichteten Abends zum Thema: „Arbeit neu erfinden – agil, digital, banal?„.

Diskutiert wurde mit den Gästen Anna Riesner (Head of Brand & Product Management, prizeotel), Martina Pickhardt (Lead Architect – Future of IT, Strategy & Innovation, Microsoft Deutschland GmbH) und Sven Franke (Gründer und CEO von Equity Change Management e.K.). Wir haben Teilnehmerinnen des Abends um Statements gebeten:

Heike Siemer, Social Media Managerin, XING AG

Heike Siemer
Heike Siemer (Foto: Vera von Reinersdorff, www.vierfotografen.de)

Wieder ein sehr spannender Abend bei den #DMW! Super Gastgeber, ein sehr gut besetztes Panel und tolle Netzwerkmöglichkeiten nach der Diskussion. Inhaltlich hat mir besonders gut gefallen, dass auch Aspekte angesprochen wurden, die sonst oft außer Acht gelassen werden. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass es Arbeitnehmer gibt, die gar nicht so erpicht auf die „große Freiheit“ der neuen Arbeitswelt sind, sondern lieber mit klaren Anweisungen „9 to 5“ arbeiten.

Der Diskurs über Arbeit von morgen braucht Vorreiter und ich persönlich finde es super, mit welchem Enthusiasmus viele die Chance zur Neugestaltung wahrnehmen. Auf lange Sicht ist die Diskussion aber nur relevant, wenn alle, deren Arbeitswelt sich ändert, auch daran teilhaben. Da ist man dann auch ganz schnell bei Themen wie der Umgestaltung sozialer Sicherungssysteme – was viele Fragen aufwirft, auf die wir noch keine Antworten haben. Da das Thema „Arbeit von morgen“ aber jetzt viel öffentliche Aufmerksamkeit genießt, bin ich zuversichtlich, dass wir diese gemeinsam finden werden und freue mich über Gelegenheiten wie diesen Abend, um dazu beizutragen.

Inge Seibel, Freie Journalistin und Moderatorin

Inge Seibel
Inge Seibel (Foto: Vera von Reinersdorff, www.vierfotografen.de)

Ich habe – wie kann es anders sein 😉 – beim Themenabend der #DMW „Arbeit neu erfinden – agil, digital, banal?“ eine ganze Menge gelernt. Das ging schon los mit dem Begriff „Agiles Arbeiten“. Dass dahinter eine bestens durchdachte Philosophie steckt, die in immer mehr Unternehmen Einzug hält, war mir bis dato in dieser Konsequenz nicht bewusst. Mag auch daran liegen, dass mein Angestelltendasein schon einige Jährchen zurückliegt. Aus jener Zeit, als ich meinen Job als Programmchefin eines Radiosenders in München antrat, bleibt mir bis heute der Satz meines ehemaligen Verlegers zur Führungskultur im Unternehmen in Erinnerung: „Sie werden nicht dafür bezahlt, dass Sie von Ihren Mitarbeitern geliebt werden, sondern dafür, dass der Laden hier läuft.“

Uns wurde das klassische Denken in Hierarchien angetragen. Auch Zeitungen und Radiosender waren „von oben nach unten organisiert“. Aber seien wir doch mal ehrlich: bereits vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren gehörten Vertrauen in die Mitarbeiter, Mitbestimmung und das Übertragen von echter Verantwortung zu unseren Erfolgsrezepten. Von jeher wächst man mit anspruchsvollen Aufgaben. Spaß an der Arbeit wurde damals wie heute nicht nur durch gute Bezahlung, sondern auch durch deutliches Lob und Anerkennung gefördert. Daher kamen mir in der Tat so einige Sätze und Schlagworte vom Podium zunächst eher banal vor.

Wären da nicht die bestens ausgewählten Diskutanten gesessen, unter ihnen Anna Riesner, Brand & Product Managerin beim prizeotel Hamburg, dem Veranstaltungsort für den Themenabend. Und der war mehr als gut gewählt, er war geradezu ideal. Denn was rein theoretisch auf der Bühne diskutiert wurde, wird von Anna und ihren Kollegen im prizeotel täglich mit Freude an ihrer Arbeit gelebt. Das konnten wir an diesem Abend live und in Farbe erleben und ganz so banal schien mir das Gesagte dann doch nicht mehr.

Der Unterschied zu meiner damaligen Arbeitswelt: Flache Hierarchien, die Lust am Teamwork, regelmäßiges Hinterfragen aller Arbeitsprozesse und Förderung der Mitarbeiterverantwortung werden nicht mehr dem Glückstreffer einer sozial kompetenten Führungskraft überlassen, sondern in diesem Hotel zum (Arbeits-)Prinzip erhoben.
Aber auch das nahm ich an diesem Abend mit: Bevor die schöne neue agile Arbeitswelt so richtig in Fahrt kommt, gibt es noch einige Hürden zu bewältigen.

„Den Königsweg für alle Unternehmen gibt es nicht. Hierarchien bleiben, aber anders“, sagte Sven Franke, der Unternehmen und Organisationen bei der Ein- und Durchführung von Partizipation berät. Beruhigend fand ich auch seinen Satz, man müsse das Rad nicht neu erfinden: Rückbesinnung und gesunder Menschenverstand seien von Vorteil.

Und Martina Pickhardt, die nach langen Jahren der Selbständigkeit vor kurzem bei Microsoft angeheuert hat, wies darauf hin, nicht jeder Mitarbeiter wolle Entscheidungsfreiheit, vielen genüge ein „9 to 5“-Arbeitsverhältnis.
Anna Riesner musste dann auch zugeben, dass es gar nicht so leicht sei, neue Kolleg/Innen für das rund 20-köpfige Team zu finden: Charisma sollten er oder sie haben und gute Teamworker sein.

Inwieweit sich Lob und Anerkennung für die Mitarbeiter im neuen Arbeitsmodell auch finanziell niederschlagen, darüber wurde an diesem Abend offiziell nicht gesprochen. Zumindest meinte Martina Pickhardt, Wertschätzung drücke sich auch im Gehalt aus. Das sei nach wie vor ein wichtiger Faktor. Alles in allem war es ein sehr unterhaltsamer und vergnüglicher Abend. Allen Referenten, den beiden Moderatorinnen und Sponsoren meinen herzlichen Dank dafür.

Petra Siemoneit, Sales/Online Marketing Managerin, GOODplace

Petra Siemoneit
Petra Siemoneit (Foto: Vera von Reinersdorff, www.vierfotografen.de)

#dmwHH und prizeotel – ein tolles Team! Der Veranstaltung ist es super gelungen, Theorie und Praxis zusammen zu bringen. Eine Mitarbeiterin von prizeotel und andere Referenten stellten sehr anschaulich dar, wie agiles Arbeiten in der Praxis aussieht: Flache Hierarchien, selbstbestimmtes und wertschätzendes Miteinander.

Eifrig diskutiert wurde auch der Umgang und die Einstellung zu älteren Kollegen. Hier wurde einhellig bestätigt, dass gerade die älteren Kollegen als eine große Bereicherung empfunden werden. Alles in allem: Es hat Spaß gemacht – mehr Veranstaltungen davon!

Anastasia Umrik, Geschäftsführerin, anderStark

Anastasia Umrik
Anastasia Umrik (Foto: Vera von Reinersdorff, www.vierfotografen.de)

Ein barrierefreier Abend! Das erlebe ich selten. Keine räumlichen Barrieren und keine Barrieren im Kopf. Die Inspiration kam von allen Seiten, so schnell kann man gar nicht twittern… muss man aber auch nicht. Manchmal reicht es, sich nach hinten zu lehnen und zuzuhören. Die #DMW sind ein Gewinn für alle.

Fazit

Der Themenabend beinhaltete viele Wahrheiten, allerdings war es eine Äußerung von Anna Riesner mit der ich mich als Selbstständige am meisten identifizieren konnte: „Es geht nicht mehr um Titel, sondern um persönliche Weiterentwicklung“. Ich habe Träume und Lebensziele und nicht das Gefühl, dass ich diese in der konventionellen Lohnarbeitswelt erreichen kann. Deshalb war Martina Pickhardts Aussage, dass vielen ein „Nine-to-five“-Job genüge, eine neue Erkenntnis für mich. Letztendlich gibt es aber kein Richtig oder Falsch und den einen Weg für alle. „Dennoch ist es an der Zeit, traditionelle Vorstellungen von Karriere zu überdenken„, schreibt Catharina Bruns in ihrem Buch. Das haben wir bei der #dmwHH-Veranstaltung im prizeotel getan.

Und werden es auch am 6. Mai auf der re:publica wieder tun! Kathrin Kaufmann und Christiane Brandes-Visbeck laden herzlich zu ihrer Session „Arbeit neu erfinden: agil, digital, banal?“ ein und freuen sich auch diesmal wieder auf Martina Pickhardt als Diskutantin, sowie Jana Tepe (Gründerin & CEO, Tandemploy) und Britta Görtz (Leitung Marketing, praemendatum). Zwei Tickets könnt ihr bei uns gewinnen!

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