Was ist der Stand der „Education Revolution“? #nahdran an der digitalen Medienbildung

Education Revolution - DMWmuc (Foto: Sarah Soehlemann)

Alle Beteiligten des Bildungssystems müssen mehr miteinander sprechen und sich untereinander vernetzen. Vor allem braucht es mehr Angebote, um die nächsten Generationen fit für die Digitalisierung zu machen. So könnte man die Appelle des Abends zusammenfassen, würde aber die vielfältigen Bedürfnisse und das komplexe System doch nur in Teilen wiedergeben.

 

Der Themenabend „Education Revolution“ des Münchner #DMW Quartiers am 17.7.2017 hatte über 80 interessierte Frauen und Männer zum Austausch über digitale Medienbildungsprojekte eingeladen.

 

Die Organisatorinnen und Moderatorinnen des Abends Katja Bröckl-Bergner und Stefanie Rampsel hatten mit den PanelteilnehmerInnen Prof. Dr. Angelika Beranek (Hochschule München an der Fakultät für angewandte Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt Medienbildung), Alex Hoffmann (Gründer von COOK and CODE), Lien Kieu (Communications Manager Digital Workstyle, Microsoft),  Benedict Lang (Organisator von hack your school) und Christiane Winter (Co-Founder Digital>>School) GestalterInnen der Digitalisierung eingeladen, die #nahdran an den aktuellen Entwicklungen, Problemen & Herausforderungen sind und von zahlreichen Projekten berichteten.

 

Der neue Event Space „Isar Valley“ bei Google bot mit einer phantastischen Aussicht über München, offenen Räumen und ausreichend Platz für den nebenbei werkelnden erfindergarden im wahrsten Sinne des Wortes Weitblick.

 

Der erfindergarden ist ein Fab Lab, das Kindern und Jugendlichen hilft, Technologie zu verstehen und ihnen anhand von interessanten Projekten spielerisch den Umgang mit Code, Elektronik, 3D Druckern, Lasercuttern und Fräsen zeigt.

 

Wettbewerbsfähigkeit und die Sprache der Jugendlichen – Lebensrealität 1!!11!!!!

Wieland Holfelder bei der Begrüßung im „Isar Valley“ von Google
Wieland Holfelder bei der Begrüßung im „Isar Valley“ von Google (Foto: Sarah Söhlemann)

Wieland Holfelder, Engineering Director & Site Lead für Googles Entwicklungszentrum in München bemerkte bei der Begrüßung im „Isar Valley“ und dem Verweis auf die Initiative der Zukunftswerkstatt, dass sich Deutschland aktuell noch in einer guten Position befinde, aber die zukünftigen Generationen für die Digitalisierung fit gemacht werden müssen, damit die Wettbewerbsfähigkeit weiterhin gewährleistet werden könne.

 

Google hat dafür das Angebot der Zukunftswerkstatt ins Leben gerufen und verfolgt das Ziel bis 2020 zwei Millionen Menschen über die verschiedenen Zielgruppen hinweg digital fit zu machen.

 

Grundsätzlich ging es an dem Abend sehr viel um Angebote und konkrete Projekte. Machen statt Schnacken. Revolution statt Resignation. Auch wenn es sich aktuell eher um die Revolution im Kleinen handelt, sind es genau diese gelebten Aktionen, Diskussionen und Anstöße „von unten“, die uns weiter voranbringen.

 

Denn, wenn Unternehmen von Wettbewerbsfähigkeit sprechen, muss man sich vor Augen führen, dass es sich um einen Begriff aus der Wirtschaft handelt. Jugendliche, so betonte Benedict Lang, sind dann an den Themen der Digitalisierung interessiert, wenn sie sich an ihrer Lebensrealität orientieren.

 

Das Leben findet bereits statt – auf was sollten wir warten?

Im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, Artikel 56 Abs. 5 steht geschrieben, „Im Schulgebäude und auf dem Schulgelände sind Mobilfunktelefone und sonstige digitale Speichermedien, die nicht zu Unterrichtszwecken verwendet werden, auszuschalten“.

 

Es geht um Blödsinn, der mit den Geräten angestellt werden könnte und um die Gefahren, die ein nachlässiger Umgang und das Unverständnis für Zusammenhänge mit sich bringen. Das Handy auszuschalten, ist eine Form sich nicht mit den Themen zu beschäftigen. Dem Argument „das steht so im BayEUG“ lässt sich kaum etwas entgegensetzen. Es wird in Kauf genommen, einen verantwortungsvollen Umgang gar nicht erst zu lernen. Es geht darum, das Unangenehme weit weg zu schieben. Nur wohin? In die Familien? Und wie kommen die Eltern zu dem Wissen?

 

Da sind wir wieder: Alle Beteiligten müssen vertrauensvoll, offen und interessiert miteinander sprechen. Müssen mehr miteinander sprechen. Sich untereinander vernetzen. Angebote schaffen.

 

Und dazu gehört auch, mit Schülern zu reden und auf sie zugeschnittene Projekte zu konzipieren. Hack your School hatte zum Beispiel Anfang des Jahres einen Hackathon veranstaltet, der SchülerInnen die Möglichkeit bot, Lösungen für ihren Alltag zu finden und dabei das schlummernde Potenzial der Jugendlichen aufweckte und sichtbar machte. Schülern und Jugendlichen muss mehr zugetraut werden.

 

Alex Hoffmann unterstrich die Wichtigkeit der Motivation und betonte, dass Eigeninitiative oft der Schlüssel ist Themen voranzutreiben. Er brachte das Beispiel des 12-jährigen App-Entwicklers Thomas Suarez, der sich selbst beibrachte eine iPhone App zu programmieren.

(Fotos: Sarah Söhlemann)

Wenn Initiativen nicht von den Schulen kommen, dann braucht es Eigeninitiative und Grassroot-Aktionen

Das Beispiel des 12-jährigen App-Entwicklers zeigt weiterhin, dass Jugendliche voneinander lernen und sich gegenseitig motivieren können. Dabei sind die Themen und vermittelnden Medien entscheidend, damit sich die Jugendlichen angesprochen fühlen, Neugier und Interesse entwickeln.

 

Alle PanelteilnehmerInnen waren sich einig, dass es konkrete Vorschläge und Projekte braucht und diese sich an den Jugendlichen, ihren Fragen und Bedürfnissen orientieren müssen. Lien Kieu berichtete, dass sie bei der Ansprache von Mädchen für die Informatik oder der Vermittlung mathematischer Themen vor allem über die Medien, über verschiedene Unterrichtsformen und über Spaß gehe. Und wer möchte nicht lieber Algorithmen tanzen, anstatt einen Textblock mit abstrakten Formeln und Folgen von Nullen und Einsen auswendig zu lernen?

 

Einigkeit herrschte, dass die Jugendlichen schnell Spaß und Interesse für digitale Medien entwickeln, wenn die Angebote vorhanden sind. Wie Devices und Apps benutzt werden, lernen sie sehr schnell und oft intuitiv.

 

Für Lehrer und Eltern ist das oft ein frustrierender Stressmoment. Denn, in der Geschwindigkeit up to date zu bleiben, in der die Trends wechseln, ist eine Herausforderung für sich. Auch hier sind die Empfehlungen des Panels das Know-how der Schüler und die Pädagogik-Skills der Lehrer in eine Zusammenarbeit einfließen zu lassen. Der Ansatz von Christiane Winter ist deshalb, Inhalte adäquat zu verpacken und konkrete Vorschläge zu machen. Wobei viele Initiativen an Schulen von engagierten Lehrkräften abhängen.

 

Deshalb darf sich Lehrerfortbildung auch nicht an den Gefahren des Internets abarbeiten, sondern sollte sich mit Strategien des Medieneinsatzes beschäftigen, so Angelika Beranek. Es geht nicht darum, die online Welt gegen die offline Welt auszuspielen, sondern die online und offline Werkzeuge und deren jeweilige Einsatzmöglichkeiten zu kennen.

 

Es ist wichtig, eine Grundhaltung im Umgang mit digitalen Medien zu entwickeln. Und das betrifft neben den Lehrern auch die Eltern. Eltern sollten sich mit ihren Kindern hinsetzen, sie fragen und sich von ihnen die neuesten Apps erklären und zeigen lassen. Genauso wenig wie sich die offline und online Welt voneinander trennen läßt, kann das Thema Digitalisierung nicht alleine in der Verantwortung der Schulen liegen. Eltern müssen die Notwendigkeit erkennen, sich damit auseinanderzusetzen und ihre Kinder in dem Bereich zu fördern, ihnen Angebote aufzuzeigen und sie zu motivieren. Wenn Schulen ihren Teil dazu beitragen und Angebote für Eltern anbieten, wie Christiane Winter erzählte, findet auch hier wieder eine wichtige Vernetzung statt.

 

Dass es am Ende gar nicht so einfach ist, weil an den Schulen die technische Ausstattung mangelhaft sein kann und kein WLAN zur Verfügung steht, um die schulischen Aktivitäten durch externe Angebote zu ergänzen, wollte kein*e PanelteilnehmerIn als Argument raus aus der Verantwortung gelten lassen. Digitale Medien können Teil einer schulischen Aufgabe sein, deren Vorteile und Risiken, deren Logik und Handhabung behandeln, auch wenn die digitalen Medien nicht vor Ort verfügbar oder erreichbar sind. Auch hierfür nannten die PanelteilnehmerInnen konkrete Beispiele.

 

Lets talk bürokratisch

Die Institution Schule hat spezifische Herausforderungen, die beachtet werden müssen. So muss „Schule“ unter anderem einen besonderen Fokus auf Datenschutz legen, benötigt für die Umsetzung großer Technik-Projekte Ausschreibungen und trifft langfristige Investitions-Entscheidungen. Und mit eben diesen Hardware- und Software-Entscheidungen werden Unterrichts-Themen, Werkzeuge und Methoden für Jahre bestimmt.

 

Und die Politik? Eine „große Lösung“, meinten die PanelteilnehmerInnen, sei nicht in Sicht. Vielmehr ginge es darum, dass Schulen, Lehrer, Eltern und Schüler miteinander und mit der Politik reden, sich untereinander vernetzen und Eigeninitiative zeigen. Durch jedes einzelne Projekt bleibt digitale Medienbildung in Bewegung, entwickelt sich weiter und kann immer größere Kreise ziehen.

 

Und dann erzählt Christiane Winter von der Projektwoche, in der all die Lehrerinnen und Lehrer endlich ihre Ideen für digitale Medienbildung in die Schulen bringen konnten und in den Projekten zeigten, dass sehr viele von ihnen das Thema nicht nur langsam andenken, sondern im Digitalen angekommen sind.

 

Solange digitale Medienbildung in Projektwochen aber nicht in Lehrplänen stattfindet, müssen wir vielleicht doch immer wieder die Wirtschaftsbrille aufsetzen. Es wird uns wirtschaftlich wehtun, wenn wir nachfolgenden Generationen die Auseinandersetzung und den Umgang mit der Digitalisierung nicht in allen Lebensbereichen zugestehen.

 

Und deshalb braucht es den abrupten Umbruch, den nachhaltigen Strukturwandel – die Revolution. Jetzt!

 

Facebook Live & Twitter

Der Abend wurde via Facebook Live aufgenommen und kann hier nachgeschaut werden: #DMWmuc Reality Check – Education Revolution

Auf Twitter ist der Abend unter dem Hashtag #nahdran in 140 Zeichen vertextet.

 

Projekte und Initiativen

Schreibt uns weitere Initiativen, Angebote und Projekte zur digitalen Medienbildung gerne in die Kommentare.

 

Statements

Simone Fasse (Foto: Carsten Irrgang)

Simone Fasse, Journalistin, PR-Beraterin, Bloggerin, Verbia Texte // Kommunikation
Mitglied #DMW-Orgateam München

Ein spannender und lebendiger Themenabend, der mit „Education Revolution“ ein echte Herzensangelegenheit von mir beleuchtet hat: digitale Kompetenz und digitale Bildung. Da die Schulen hier mächtig hinterher hinken habe ich mich sehr über die Beiträge der engagierten Podiumsgäste gefreut, die viele wertvolle Tipps gegeben haben, zum Beispiel für die konkrete Umsetzung von Coding-Projekten. Es ist zwar ein langer Weg, der da noch vor uns liegt – aber die Diskussionsrunde hat wirklich Mut gemacht, die nächsten Schritte zu gehen.[EndeTextumfluss]

 

Georg Nietsch (Foto: Sonja Herpich, München)

Georg Nietsch, Digital Evangelist bei PAYBACK
„Dank der tollen Organisation des Teams von #DMW, einer hervorragenden Location, leidenschaftlichen Speaker*innen (wer hätte gedacht, dass man Algorithmen tanzen oder Youtube auf Papier durchaus sinnvoll sein kann?) und offenen und kontaktfreudigen Teilnehmern, war der Themenabend „Reality Check – Education Revolution“ eine großartige Erfahrung, die Lust auf die nächsten #DMW-Events macht. #nahdran“[EndeTextumfluss]

 

Ruth Swienty (Foto: Simone Naumann)

Ruth Swienty, Produktmanagerin bei Webmasters Akademie Nürnberg GmbH
„Ich bin beeindruckt von der Vielzahl privater Initiativen im Bereich digitale Bildung. Leider sind diese zum Teil ehrenamtlich betreuten Angebote aber auch dringend notwendig, weil sich das staatliche Bildungssystem mit Veränderungen häufig schwertut. Danke an die #DMW für den spannenden Themenabend und die Organisation“[EndeTextumfluss]

Impressionen

Herzlichen Dank für die Fotos: Sarah Söhlemann
Weitere Fotos sind auf der #DMW Facebook Seite zu sehen: https://www.facebook.com/DigitalMediaWomen

 

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