"Ich kann das nicht…so gut"

Am Samstag fand in der Berliner Alten Münze die Diversity Karrieremesse Sticks & Stones statt. Die einzige Veranstaltung dieser Art mit 45 Prozent Frauenanteil bei Speakern und Teilnehmern konnte ich mir nicht entgehen lassen – zu viele Konferenzen besetzen ihre Panels immer noch hauptsächlich männlich. Zudem lockten ein Women in Leadership Get Together und der Startschuss der Unicorns in Tech. Die Highlights:

Women in Leadership Get Together

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Foto: Uhlala UG

Über 90 Frauen hatten sich zum Women in Leadership Get Together angemeldet. So viele, dass die Veranstaltung auf die Hauptbühne verlegt wurde. Isabel Hoyer, Organisatorin des Panda Contests, stellte das Get-Together zu Beginn unter das schon von Panda bekannte Motto: „Mehr Führungsrollen mit Frauen ausfüllen“. Die Keynote-Speakerin Nicola Kurth, stellvertretende Leiterin des Ressorts Wissenschaft bei Spiegel Online, berichtete von ihren Erfahrungen im Journalismus und der Arbeit des Journalistinnenvereins Pro Quote. Sie beobachte immer wieder, dass Frauen sich aus falscher Zurückhaltung oftmals nur in die zweite Reihe setzen und meint das wörtlich. Ihr Bericht zu den Ressortleiterrunden beim Spiegel, in denen weibliche Ressortstellvertreterinnen trotz freier Plätze am Tisch sich lieber auf einen Stuhl an der Wand setzen, stimmt nachdenklich. Im Wesentlichen gleichen sich die Berichte über Frauen in der Wirtschaft aufs Haar. Männer sind selbstbewusst, Frauen zurückhaltend. Aber wie kann man diesen Rollenmustern entgegenwirken?

Nicola Kurth setzt auf eine Mischung aus Gelassenheit und Angriff. „Durch bestimmte Sachen muss man einfach durch“, sagt sie, z.B. nach einer hitzigen Diskussion nicht als inhaltlich kompetent sondern als zickig tituliert zu werden. Ihr zweiter Ratschlag: Mehr Netzwerk. Austausch untereinander – mit Kolleginnen UND Kollegen – hilft einem dabei, sich beruflich zu verankern. Damit ist der Startschuss gefallen für das Networking. Die vielbeschriebene Zurückhaltung zeigt sich auch hier. Wir werden zu Stuhlkreisen gruppiert und sitzen uns anfangs etwas unbeholfen gegenüber: eine bunte Gruppe mit unterschiedlichsten beruflichen Hintergründen. Die Mathematikerin aus dem Start-up, die Kommunikationschefin einer Agentur, die Fashion-Bloggerin. Als sich die Office-Managerin einer amerikanischen Großkanzlei trotz Führungsverantwortung für 23 Sekretärinnen als „Mädchen für alles“ vorstellt, ist das Eis gebrochen. Das „Klein-Machen“ muss man scheinbar auch in Frauenrunden mit dem Brecheisen rausraspeln.

Unicorns in Tech

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Foto: Uhlala UG

Die diesjährige Sticks & Stones war zudem Geburtsstunde der Unicorns in Tech, einem Netzwerk von LGBTI und Freunden in der Technologie- und Digitalbranche. Sticks & Stones Gründer Stuart Cameron führt mit einer ernüchternden Erfahrung ein: die diesjährige Bewerbung der Sticks & Stones auf Events der Techbranche fand dort großes Interesse. Unglaublich viele Interessierte blieben vor dem Plakat mit dem Claim „Proud employers hire Unicorns“ stehen…bis sie die Unterzeile „LGBTI“ lasen und sich mit teils äußerst entlarvenden Gesichtsausdrücken wegdrehten. Das ist bitter und beschämend. Für Cameron jedoch ist es Auslöser der Feststellung, dass Berlin ein Netzwerk wie dieses braucht. Ziel ist es, LGBTI Vertreter in der Techbranche sichtbarer zu machen.

Zwei dieser Vertreter sind Vanessa Butz von der Factory Berlin und Chris Dancy, der als „most-connected man in the world“ bereits eine Keynote am Mittag bestritt. Seine 10-minütige Tour de Force durch das Thema „Being Gay in Tech“ ist erstaunlicherweise sein erst zweiter Vortrag dieser Art. Er sprach von Alan Turing, dem Gründervater der Informationsgesellschaft, der 1952 chemisch kastriert wurde, vom Silicon Valley und seinen offenen Unternehmenskulturen, die vielen LGBTI-Geeks eine Heimat boten und stellte dabei die steile These auf, dass das Social Networking von der Schwulenbewegung erfunden wurde: „If we can’t meet, we find each other online. If there is sex to be had, we invent a technology for it“.

Karrieremesse für Zick-Zack Lebensläufe

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Foto: Uhlala UG

Der eigentliche Kern der Sticks & Stones ist der Ausstellungsparcours mit 70 Unternehmen, die sich in den engen Räumen der Alten Münze fast ein bißchen auf den Füßen stehen. 100 zu besetzende Jobs haben Stuart und sein Team in einem Career Book gesammelt und den Teilnehmern vorab zugeschickt. Die Stände selbst werden dem Anspruch, eine Karrieremesse für Individualisten zu sein, gerecht. Wooga lockt Bewerber mit frisch gebackenen Waffeln. Bei Ikea fühlt man sich wie am Beratungsstand in der Wohnzimmerabteilung und der Modekonzern Holy verteilt Riesentaschen, so dass einige sich fragen, warum soviel Besucher vor einer Karrieremesse noch schnell bei Strellson shoppen waren.

Die Resonanz der Teilnehmer ist größtenteils positiv. Jan, eigens aus Oberfranken angereist, ist begeistert: „Ich bin heute morgen um 5 Uhr losgefahren um mir den Vortrag über Zick-Zack Lebensläufe anzuhören und die Stände abzuklappern.“ Für ihn hat sich die Anreise gelohnt. Er verlässt die Messe mit einigen Visitenkarte und dem neuen Titel „ungeschliffener Diamant“. Kritisiert wurde jedoch auch, dass einige Keynote-Speaker der Versuchung nicht widerstehen konnten, Eigenmarketing zu betreiben.

Mein Fazit: Eine spannende Messe mit konkreten Angeboten, ohne Diversity Feigenblättchen, auf der man sich wohlfühlen darf. Nur etwas digitaler darf es beim nächsten Mal gerne sein: Kein offenes Wifi und kein Hashtag über den ich die Highlights von Chris Dancy oder Louisa Heinrich twittern kann? Liebe Unicorns in Tech, überlegt Euch da mal was Schönes für 2015!

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