Von Katja Vater und Sonja Theile-Ochel
Im Rahmen der #30mit30-Kampagne stellen wir Unternehmen vor, die einen Frauenanteil von über 30 Prozent in ihren ersten drei Führungsebenen haben. Beim Weltkonzern L’Oréal ist das Thema Vielfalt schon seit Gründertagen fest in der Unternehmens-DNA verankert. Mittlerweile sind über 46 Prozent der Führungspositionen in Deutschland mit Frauen besetzt.
Katja Vater, Quartiersleiterin München, hat mit Astrid Bartl-Zhang, HR Direktor Supply Chain & Finance für L’Oréal Deutschland, über ihre Aufgabe als „Diversity and Inclusion Coordinator“ gesprochen und mit welchen Maßnahmen L’Oréal für Vielfalt auf allen Ebenen sorgt.
Katja Vater: Stellen Sie sich doch bitte kurz vor. Was sind Ihre Aufgaben als Diversity & Inclusion Coordinator bei L’Oréal?
Astrid Bartl-Zhang: Das ist eine Rolle, die der Konzern weltweit in zahlreichen Ländern etabliert hat. Der Diversity & Inclusion Coordinator ist zentraler Ansprechpartner für alle Diversity- und Inclusion-Themen zwischen dem Konzern und dem Land. Alles, was zum Thema Diversity hier bei uns im Land passiert, versuche ich bestmöglich zu koordinieren und stehe regelmäßig mit dem Konzern im Austausch zu unseren Aktivitäten.
Ich bin seit fünf Jahren für L’Oréal tätig, zuerst in Corporate HR im Headquarter in Frankreich, und seit 2017 hier in Deutschland auf der Position des HR Direktors für Supply Chain & Finance. Seit Herbst 2018 habe ich als Zusatzaufgabe zu meiner Vollzeit-Position die Rolle des Diversity & Inclusion Coordinators übernommen.
Katja Vater: Warum sieht das Unternehmen die Notwendigkeit für diese Position?
Astrid Bartl-Zhang: Der Gründer von L’Oréal – Eugène Schueller – hat einmal gesagt: „L’Oréal is all about people, people, people“. Schon damals (L’Oréal wurde 1909 von dem jungen Chemiker Schueller in Paris gegründet – Anm. d. Red.) standen der Mensch und das Potenzial des Menschen im Zentrum der Aufmerksamkeit des Konzerns. Talent, unabhängig vom Geschlecht, ist etwas, was von Anfang an bei L’Oréal als ein essenzieller Erfolgsfaktor gesehen wurde. Und wenn wir über Talente sprechen, dann sprechen wir zur Hälfte von Frauen, denn die Hälfte der Talente dieses Planeten sind nun einmal weiblicher Natur.
Ich behaupte also mit Stolz, dass Gleichberechtigung von Frauen bei L’Oréal tief verankert ist und schon seit langer Zeit vom Konzern mitgetragen wird. L’Oréal war in Frankreich einer der ersten Konzerne, der sich für das Thema Diversität interessierte und dazu eine Strategie formuliert hat. Aus dieser Historie heraus wurde für jedes Land die Rolle eines D&I-Coordinators geschaffen.
Katja Vater: Heißt das, Sie alleine sind für die Umsetzung von Diversity-Themen in Deutschland verantwortlich?
Astrid Bartl-Zhang: Nein, keinesfalls. Wir bei L’Oréal Deutschland haben ein eigenes Diversity & Inclusion Committee – mit Mitarbeitern aus ganz unterschiedlichen Unternehmensbereichen. Wir treffen uns regelmäßig, um gemeinsam über Diversity-Themen zu diskutieren. Außerhalb dieser Meetings ist jedes Mitglied bei einer Arbeitsgruppe zu einem spezifischen Thema im Bereich Diversity tätig und bringt das Thema das ganze Jahr über mit konkreten Aktionen vorwärts. Das zeigt, dass Diversität bei uns von einer ganzen Gruppe von Menschen sehr aktiv vorangetragen wird und das nicht nur mit meiner individuellen Rolle zusammenhängt. Das freut mich immer besonders, weil ich dort das Engagement und die Freude der Mitarbeiter an diesem Thema spüren kann.
Um Erfolg zu haben, muss man Diversität auf allen Unternehmensebenen leben
Katja Vater: Verraten Sie uns etwas über die Diversity Strategie bei L’Oréal?
Astrid Bartl-Zhang: Ich glaube, dass es ganz wenige Firmen gibt, die so grundlegend in ihrem Erfolg von Diversity abhängig sind wie L’Oréal und es daher so stark und gut leben. Wir sind im Schönheits-Business tätig. Das heißt: Wir sind in einem Markt tätig, in dem es keine universellen Standards gibt. Wir unterliegen regionalen Trends und wir unterliegen ganz unterschiedlichen biologischen Gegebenheiten auf der ganzen Welt. Haar und Haut in Westeuropa sind nicht zu vergleichen mit Haar und Haut in Brasilien oder in Asien. Wir können nicht mit einem einzigen Ansatz und mit einem einzigen Produkt weltweit erfolgreich sein.
Die Nummer 1 am Markt sind wir auch deshalb, weil wir intern eine Kultur pflegen und Mitarbeiter beschäftigen, die genauso unterschiedlich wie unsere Herausforderungen am Markt sind.
Um diesen Erfolg zu erreichen, muss man intern eine sehr starke Diversität auf allen Ebenen pflegen. Hier reden wir nicht nur über Gender-Diversity, sondern über Diversität von der Herkunft, soziale und ethnische Herkunft, wir reden über Bildungsdiversität und wir reden auch über Inklusion.
L’Oréal ist gut darin, diese unterschiedlichen Menschen zusammenarbeiten zu lassen. Es reicht nicht, Mitarbeiter mit unterschiedlichen Profilen einzustellen. Wichtig ist, dass man daraus auch erfolgreiche Teams bildet. Wenn wir schauen, wer bei L’Oréal erfolgreich ist – dann kann man kein einheitliches Profil daraus ableiten. Das ist das beste Zeichen dafür, dass es bei L’Oréal gelebte Diversität gibt.
Katja Vater: Mit welchen Maßnahmen stellen Sie im Unternehmen sicher, dass Diversität von Ihren Mitarbeiten auch gelebt wird?
Astrid Bartl-Zhang: Die Themen Diversity und Inclusion sind Teil unserer internen Kommunikation. Wir lancieren regelmäßig diverse Initiativen zum internen Austausch mit unseren Mitarbeitern. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig diese gelebte Diversität für uns auf allen Ebenen ist. Außerdem gibt es auch formale Maßnahmen, wie beispielsweise den GEEIS-Audit. GEEIS ist die Abkürzung für „Gender Equality European and International Standard“. Bei L’Oréal Deutschland sind wir schon seit mehreren Jahren zertifiziert. Wir achten darauf, dass unsere Führungsprogramme ebenso von Frauen wie von Männern besucht werden. Außerdem werden alle neuen Mitarbeiter von L’Oréal zum Thema Diversität geschult.
Katja Vater: Was erwartet die neuen Mitarbeiter bei L’Oréal?
Astrid Bartl-Zhang: Wir legen grundsätzlich sehr viel Wert auf eine gute und gelungene Integration neuer Mitarbeiter. Wir nennen das unser FIT-Programm. Wir achten bei neuen Mitarbeitern darauf, dass wir sie nicht nur durch formale Veranstaltungen und Trainings gut in ihrer Integration bei L’Oréal begleiten, sondern helfen ihnen auch von Anfang an, sich das richtige Netzwerk bei uns im Unternehmen aufzubauen. Wenn man von Diversität spricht, dann spricht man ja automatisch auch von einem Umfeld, in dem Prozesse weniger greifen, weil man einfach mehr individuelle Freiheit lässt. Nur so kann sich diese Diversität auch wirklich entfalten. Das Netzwerk ist automatisch in einem solchen Umfeld entscheidend. Daher helfen wir von Anfang an unseren neuen Mitarbeitern, sich hier bei uns ein gutes Netzwerk aufzubauen. Wir sprechen beispielsweise Empfehlungen aus, wer im Konzern für welches Thema in Frage kommt und wo eine Vernetzung wichtig wird.
Katja Vater: Sie sprachen auch davon, dass Sie Mitarbeiter zum Thema Diversity schulen oder Workshops anbieten. Wie sieht so ein Workshop aus?
Astrid Bartl-Zhang: Wir zeigen in den Workshops auf, wie sehr Menschen mit Stereotypen arbeiten. So zeigen wir ein Profil. „Ali B. ist Gemüsehändler und er ist 31 Jahre alt. Was, glaubt ihr, ist der Hintergrund von Ali B.? Was ist seine Geschichte?“ und die Leute diskutieren, welchen Lebenslauf sie ihm zuschreiben würden.
Wir versuchen zu sensibilisieren und nahezubringen, dass es sich lohnt, das erste subtil gefällte Urteil zu hinterfragen. Wir versuchen aufzuzeigen, dass wir alle, gemessen an verschiedenen Kriterien und unserer Vielfalt, auf irgendeine Art und Weise zu Randgruppen gehören.
Katja Vater: Das klingt nach einer sehr durchdachten diversen Unternehmenskultur. Trotzdem haben Sie sicherlich auch Hürden und Herausforderungen meistern müssen, oder?
Astrid Bartl-Zhang: Da fällt mir in der Tat spontan nichts ein. Tatsächlich halten wir die Gender-Parität, auf die wir sehr viel Wert legen, auf allen Unternehmensebenen sehr gut ein. Unsere Geschäftsleitung besteht seit diesem Frühjahr aus knapp mehr Frauen als Männern. Das zeigt, dass bei L’Oréal nicht nur Gender-Parität auf den unteren Ebenen, sondern auch auf den oberen Ebenen herrscht. Denn es geht ja nicht nur darum, dass man gleich viele Frauen wie Männer einstellt, sondern darum, dass auch Frauen in einem Unternehmen die Möglichkeit zu leistungsbezogenem Erfolg haben.
Katja Vater: In unserer #30mit30-Kampagne geht es darum, die Vorteile eines hohen Frauenanteils in Führungspositionen aufzuzeigen. Welchen Impact hat der hohe Frauenanteil für L’Oréal?
Astrid Bartl-Zhang: Es bringt uns mehr Business-Erfolg. Es bringt uns bessere Entscheidungen, eben weil wir in diesem vielseitigen Business agieren, in dem es eigentlich nie das eine „Richtige“ gibt. In dem es wichtig ist, viele Aspekte zu berücksichtigen und auf viele verschiedene Kunden einzugehen. Wenn eine Firma wie L’Oréal in Sachen Diversität und Inklusion nicht erfolgreich wäre, dann wären wir auch nicht weltweit in der Position, die wir heute innehaben.
Katja Vater: Jetzt war Vielfalt immer schon Teil ihres Produkt-Portfolios und in ihrer Unternehmens-DNA verankert. Welchen Tipp würden Sie Unternehmen geben, um in Sachen Diversity und Inklusion erfolgreich zu sein?
Astrid Bartl-Zhang: Jedes Unternehmen muss sich grundsätzlich die Frage stellen „Warum will ich divers sein? Was ist mein Beitrag, den ich für die Gesellschaft leisten und aus dem heraus ich gerne divers sein möchte?“ Wenn man diese Sinn-Frage nach Diversität nicht gut beantworten kann, dann ist die ganze Strategie dahinter nur auf einer formalen Basis aufgebaut, die in einer echten Business-Diskussion nur schwierig Bestand hat. Dann kann man nur schwer eine breite Masse innerhalb des Unternehmens zu diesem Thema mobilisieren.
Katja Vater: Sie tauschen sich länderübergreifend zum Thema Diversity aus und berichten an die Geschäftsführung. Das heißt, das Thema erfährt bei Ihnen auch Aufmerksamkeit im Management?
Astrid Bartl-Zhang: Wir messen regelmäßig unsere Ziele und unsere Fortschritte, die wir in Bezug auf diese Ziele machen. Wir vergleichen uns da auch international, allerdings nicht, um das als einziges Kriterium in den Vordergrund zu stellen. Wenn wir über eine Beförderung diskutieren, dann achten wir auf Leistung, auf Eignung, auf Kompetenzen, auf Potenzial für diese Stelle. Erst wenn wir im Rückblick alle Beförderungen über das Jahr hinweg anschauen, dann ziehen wir auch diese Zahlen zum Reporting heran.
Katja Vater: Haben Sie spezielle Förderprogramme für Frauen in Führungspositionen?
Astrid Bartl-Zhang: Wir haben generell für Führungskräfte Mentorenprogramme – unabhängig vom Geschlecht. Wann immer wir jemanden auf eine wichtige Führungsposition setzen und der Meinung sind, dass ein Austausch mit einer anderen Person von L’Oréal eine gute Unterstützung sein kann, dann setzen wir dieses Mentorenprogramm in Gang. Wir sind ganz aktuell dabei im Rahmen unseres D&I-Committees, ein ganz konkretes Mentorenprogramm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorzubereiten, die sich Fragen zur Vereinbarkeit von Karriere und Kindern stellen. Aber auch hier richten wir uns an Mütter und Väter. Die Themen „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ sollten im Grunde für Männer genauso relevant wie für Frauen sein.
Die gleiche Mentalität spiegelt sich imEVE-Programm wieder, an dem wir schon seit vielen Jahren regelmäßig teilnehmen. Das ist ein firmenübergreifendes, einmal jährlich stattfindendes dreitägiges Event. Dort treffen sich ca. 300 Teilnehmer aus über 40 verschiedenen Unternehmen zusammen, um über Female Leadership zu diskutieren. Mindestens 20 Prozent der Teilnehmer sind Männer. Denn Erfolg von Frauen in Führungspositionen kann nur dann stattfinden, wenn man Männer eng miteinbezieht.
Katja Vater: Dieser Schlusssatz passt perfekt zu unserem Leitmotto bei den Digital Media Women „Dafür und nicht dagegen“ und ist ein perfekter Abschluss für unser großartiges Gespräch. Vielen Dank für das Interview!
5 FAKTEN ZUM UNTERNEHMEN
Branche: Kosmetikindustrie
Anzahl Mitarbeiter international: 86.000
Anzahl Mitarbeiter in Deutschland: 2.400
Umsatz international: 26,9 Milliarden Euro (2018)
Umsatz in Deutschland: 1,29 Milliarden Euro (2018)
Frauenquote in Deutschland (alle Führungsebenen): 46,8%
DAS #30MIT30 TEAM BEI DIESEM INTERVIEW
Interview: Katja Vater
Autorin: Sonja Theile-Ochel
Lektorat: Katja Vater, Nadine Bütow
Grafiken: Sarah Söhlemann, Nadine Bütow
Projektleitung: Nadine Bütow
Initiatorin: Maren Martschenko
Was ist #30mit30?
#30mit30 ist eine Kampagne der Digital Media Women (#DMW), die wir 2019 gestartet haben. Dabei suchen wir 30 in Deutschland ansässige Unternehmen aus allen Branchen ab einer Größe von 100 Mitarbeitern, die in den ersten drei Führungsebenen einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent vorweisen können. Dieser Anteil muss innerhalb eines Zeitraumes von drei bis fünf Jahren erreicht worden sein.
Wir wollen zeigen, dass und wie es in Unternehmen gelingen kann, den Anteil an Frauen in Führungspositionen auf 30+ Prozent zu erhöhen! Wir wollen den Weg dieser Erfolgsgeschichten sichtbar machen und die Ergebnisse mit Wirtschaft, Politik und Gesellschaft teilen. Unsere Kampagne soll Quelle der Inspiration und Impulsgeber für andere Unternehmen sein, die sich auf den gleichen Weg begeben wollen – aber nicht wissen, wie. #30mit30 schreibt positive Geschichten über die Machbarkeit von Vielfalt in Führungsetagen, ihre Wirksamkeit und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen in Deutschland. Mehr erfahrt Ihr in unseren FAQs oder dem One-Pager zu #30mit30.
Bewerbungen sind über unsere Website oder per Email an 30mit30@digitalmediawomen.de möglich.
Wie Du #30mit30 unterstützen kannst:
Wir würden uns freuen, wenn Du den Erfolg der Kampagne aktiv gestaltest und begleitest. Das kannst Du folgendermaßen tun:
1. Teile die Inhalte und Vorbilder der Kampagne unter dem Hashtag #30mit30 auf Deinen Online-Kanälen und berichte interessierten Menschen und Unternehmen von der Kampagne.
2. Blogge oder schreibe als JournalistIn über die Kampagne. Hier geht es zum Pressekontakt.
3. Unterstütze die ehrenamtliche Arbeit der Digital Media Women und werde #DMW-Fördermitglied. Unternehmen können uns mit einem #30mit30-Kampagnen-Sponsoring unterstützen.
Fotos: L’Oréal